Afghanistan-Protestcamp in Berlin: „Das Regime wird normalisiert“
Mit einem Zeltlager auf dem Alexanderplatz machen Aktivist*innen auf die seit drei Jahren andauernde Taliban-Herrschaft in Afghanistan aufmerksam.
„Fast alle von uns kommen aus Afghanistan“, sagt eine Aktivistin zur taz. Sie ist Teil des „AfgActivistCollective“, einer selbst organisierten Gruppe, die sich bei Demonstrationen vor drei Jahren zusammengefunden hat – nachdem die Taliban die Macht im Land übernommen hatten.
In Berlin organisiert die Gruppe nun ein dreitägiges Protestcamp: gegen die islamistischen Taliban, gegen ihre Normalisierung in der internationalen Gemeinschaft, aber auch gegen die Bundesregierung. „AfgActivistCollective“ will dabei über die Situation in Afghanistan aufklären. „Wir wollen Informationen teilen, für Fragen bereitstehen und einen Austausch fördern“, sagt die Aktivistin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will.
Fast ein Dutzend Zelte haben sie dafür auf dem Alexanderplatz aufgeschlagen. Am Donnerstag findet ab 17 Uhr eine Mahnwache statt. Am Freitag gibt es ein „solidarisches Vernetzungstreffen.“ Für Samstag ist eine Demonstration geplant.
Gebrochene Versprechen
Nach Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan eroberten die Taliban am 15. August 2021 Kabul und damit die Macht im Land. Seitdem herrscht dort eine humanitäre Krise. Die Situation für Frauen im Land ist verheerend. Unter der Herrschaft der Taliban haben sie kein Recht auf Freizügigkeit, dürfen keinen Sport treiben und nicht studieren.
Dennoch hat die Bundesregierung ihr Versprechen, Verfolgten zu helfen, nicht eingehalten. Von den 20.000 zugesagten Aufnahmen sind bislang nur 533 erfolgt. Aktuell ist die Finanzierung des Programms auch noch durch mögliche Kürzungen im Bundeshaushalt in Gefahr.
Die Organisator*innen stellen klar, dass die „Student Coalition Berlin“ nicht zu den Organisator:innen des Camps gehöre. Das hatten verschiedene Medien zuletzt berichtet, nachdem die Gruppe den Aufruf zum Protestcamp auf Instagram geteilt hatte. Die „Student Coalition“ war im Zuge von umstrittenen Uni-Besetzungen wegen des Gazakrieges bekannt geworden.
Im Lauf der kommenden Tage wollen die Organisatoren auch über die Lage von Afghan*innen in Deutschland informieren. Diese sei durch die Diskussionen über Abschiebungen nach Afghanistan bedroht, die nach dem Polizistenmord in Mannheim bundesweit hochgekocht war. Die Aktivistin sagt dazu: „Das ist so undenkbar. Es wird Abschiebeverhandlungen geben und wieder enger mit den Taliban kommuniziert werden. Dadurch werden solche Regime weiter normalisiert und anerkannt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr