Afghanische Flüchtlinge in Spanien: Aufgenommen und dann vergessen
Afghanen haben das spanische Militär in ihrem Heimatland unterstützt. Als Geflüchtete in Spanien werden ihre Dienste vergessen.
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„Wir wurden einfach entlassen und nach Hause geschickt. Die Taliban bedrohten uns und unsere Familien mit Vergeltungsmaßnahmen“, berichtet Azizi. Einer wie er gilt den Aufständischen als Kollaborateur, als Verräter. Was so jemand verdient, daran lassen die Taliban keinen Zweifel. Mit seiner Frau Sarah und seinen drei Kindern kam er im September 2014 als Asylant nach Spanien.
„Die Armee lieferte uns in einem kleinen Hotel am Stadtrand Madrids ab, und wollte fortan nichts mehr von uns wissen“, sagt Azizi. Von dort kam er in ein Flüchtlingswohnheim in Vallecas, einem Arbeiterstadtteil im Süden Madrids. „Am 1. November müssen wir raus. Das Übergangsjahr ist um. Wir haben eine kleine Wohnung gemietet, doch wie lange wir sie finanzieren können, weiß ich nicht“, erklärt Azizi. Die Familie bekommt vier Monate Hilfe von einer NGO. Danach gibt es nichts mehr. Staatliche Unterstützung gibt es keine.
„Wir haben für Spanien gearbeitet, jetzt lassen sie uns einfach im Stich“, schimpft Azizi und blickt dabei, als könnte er es noch immer nicht glauben. Zwar hat er einen Flüchtlingspass und eine Arbeitserlaubnis für Spanien, „aber wie sollen ich einen Job finden, wo selbst Millionen Spanier arbeitslos sind“, sagt er. Weder das Verteidigungsministerium noch das Sozialministerium nimmt sich der Azizis an. Und das obwohl sie immer wieder vorstellig wurden.
Die Familie ist kein Einzelfall. Insgesamt sind 37 Übersetzer, die in Herat, Kabul und Badghis gearbeitet haben, nach Spanien gekommen. Mit Angehörigen sind es 47 Personen. Ashabudin Jallali und Esmatullah Husaini sind schon seit März 2014 hier. Die beiden 27-Jährigen ehemaligen Hispanistikstudenten der Universität Kabul gehörten zu den ersten Sieben, die ausreisen durften.
Einfach war das nicht: „Wir hatten monatelang Druck gemacht, bei der Armee und bei der Botschaft vorgesprochen, Briefe an die Regierung in Madrid geschickt, mit der spanischen Presse gesprochen“, berichtet Jallali. „Wir konnten uns nicht mehr im Lande bewegen, die Straßen sind unsicher für Leute wie uns. Einem Kollegen wurde das Haus abgebrannt, sein Vieh getötet“, erinnert sich Husaini. In Spanien unterschrieben Zehntausende eine Petition an die Regierung, den Übersetzern zu helfen. All das zeigte schließlich Wirkung. Die Betroffenen durften einen Asylantrag stellen und wurden dann nach Spanien gebracht.
Arbeit in der Kebabbude
Jallali und Husaini sind schon seit Frühjahr nicht mehr im Flüchtlingswohnheim. Auch sie haben keinerlei Unterstützung. Jallali teilt mit Bekannten eine Wohnung in einem Vorort. Zwar ist er wie die meisten seiner Kollegen, beim Aussenministerium als Übersetzer für Dari und Paschtu eingetragen, aber angerufen wurde noch nie einer aus der Gruppe. Jallali bedient deshalb in einer Kebabbude, wo er 450 Euro im Monat verdient. Das ist weit weniger als der gesetzliche Mindestlohn von 648,60 Euro.
„Unter der Woche arbeite ich dafür 12 Stunden täglich, am Wochenende bis zu 18 Stunden“, berichtet er. Dienstags, wenn er frei hat, trifft er sich mit anderen aus der Gruppe Übersetzer, so wie heute mit Husaini auf der Plaza España mit dem Denkmal für den Autor Miguel Cervantes und seine Don Quijote und Sancho Panza.
Husaini hat derzeit überhaupt keine Arbeit, schläft bei Freunden und lebt von dem, was er in der Obsternte in Katalonien verdient hat. „Für diesen Job musste ich einem Vermittler einen Teil meines Lohnes abgeben“, berichtet er. 400 Euro bleiben ihm noch an Erspartem. Was danach kommt, weiß er nicht. „Richtige Arbeit gibt es keine. Sobald die hören dass wir aus Afghanistan sind, ist das Gespräch vorbei“, erzählt Husaini.
„Ohne uns wären die Spanier in Afghanistan aufgeschmissen gewesen“, schimpft Husaini. Ob bei Sitzungen, bei der Ausbildung afghanischer Truppen, ob bei gemeinsamen Einsätzen oder bei Hausdurchsuchungen, die Übersetzer waren immer ganz vorne mit dabei. „Es war ein gefährlicher Job, auch wenn er für afghanische Verhältnisse sehr gut bezahlt war“, wirft Jallali ein. Keiner danke es ihnen.
Was die Übersetzer am meisten schmerzt: „Die Soldaten und Vorgesetzten, mit denen wir zusammengearbeitet haben, ignorieren uns einfach“, berichten sowohl Jallali und Husaini als auch Azizi. Letzterer hatte einen „echten Freund unter den Soldaten“. Das glaubte er zumindest. „Als er abgezogen wurde, habe ich beim Abschied geweint. Wir haben Telefonnummern ausgetauscht. Er hat mich mehrere Male von Spanien aus angerufen. Doch als ich hier ankam, hat er mich nicht einmal auf einen Kaffee besucht“, sagt Azizi und senkt den Blick.
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