Affäre bei Piraten: Nötigung mit Nacktfotos

Die Berliner Piraten werden womöglich von einem jugendlichen Parteimitglied erpresst. Der Landesvorstand ruft Betroffene auf, Strafanzeige zu erstatten.

Die Affäre stellt die Berliner Piraten vor eine Zerreißprobe. Bild: dpa

Sind Mitglieder des Piraten-Landesverbandes Berlin genötigt und erpresst worden? In einem offenen Brief behauptet das Sebastian Jabbusch, Basispirat und freier Journalist. Unter anderem seien Mitglieder des Abgeordnetenhauses betroffen.

Ein jugendliches Parteimitglied habe sich, so Jabbusch, über diverse Kanäle brisantes Material von Parteifreunden beschafft: unter anderem, indem er bei diversen Bundes- und Landesparteitagen "systematisch WLAN-Daten mitgeschnitten und sämtliche unverschlüsselten Passwörter herausgefiltert" habe und außerdem ins geschützte Presse-Netz eingedrungen sei.

Außerdem habe er die Intimitäten eines Liebespaares gefilmt und die Aufnahme ins Netz gestellt und kompromittierende Fotos junger Piratinnen auf einer Silvesterparty geschossen. Jabbusch selbst sagt, er sei ein Opfer versuchter Erpressung gewesen.

Aus gut unterrichteten Parteikreisen heißt es, die Anschuldigungen seinen "großteilig wahr". B. gilt als technisch versiert und intelligent, aber auch als großspurig und selbstherrlich. Man habe lange versucht, B. zu integrieren, aber inzwischen hätten viele resigniert.

Reaktion: null

"Es handelt sich erst mal nur um Vorwürfe, keine Fakten", sagt Ben de Biel, Pressesprecher der Berliner Piraten. Zwar habe die betreffende Person vor Monaten Nacktfotos einer Parteifreundin verbreitet, das Problem sei aber zur Zufriedenheit aller beigelegt worden. Als es dann Gerüchte gab, es wäre zu Nötigungen und Erpressungen gekommen, richtete der Vorstand einen Aufruf an alle Mitglieder, sich in einem solchen Fall zu melden. Reaktion: null.

"Auf nichts kann man nicht reagieren", sagt de Biel, man werde zunächst die Anschuldigungen prüfen und dann über weitere Schritte beraten. Inzwischen ruft der Landesvorstand die Betroffenen dazu auf, Strafanzeige zu erstatten.

Immerhin: Ein "unerträgliches Klima der Angst" habe er, anders als Jabbusch, nicht feststellen können, sagt de Biel. Einer der betroffenen Abgeordneten pflichtet ihm bei: Angst sei nicht im Spiel. "Er hat zwar behauptet, in Besitz kompromittierenden Materials zu sein und mich damit erpressen zu wollen, aber das waren nur harmlose Fotos", sagt er. Das gelte aber nur für ihn. Über welches Material B. tatsächlich von anderen verfüge, sei ohnehin nicht klar, vielleicht sei da was, vielleicht aber auch nichts.

Mehr Tauben auf dem Dach als Spatzen in der Hand

Es ist nur ein politischer Erpressungsversuch dokumentiert. Und der lässt vermuten, B. habe mehr Tauben auf dem Dach als Spatzen in der Hand. Als die Piraten in Friedrichshain-Kreuzberg der Grünen Anke Domscheit-Berg die Kandidatur zur Bezirksverordnetenversammlung andienten, munkelte B., über diskreditierendes Material zu verfügen, und drohte mit einem Presseskandal, sollte der Vorschlag aufrechterhalten bleiben. Zur entscheidenden Versammlung erschien er nicht, der Skandal blieb aus.

Nichtsdestotrotz waren die Reaktionen auf den offenen Brief heftig. Auf Twitter brach ein wahrer Sturm los, die meisten Statements waren voller Empörung. Es dauerte nicht lange, da kursierten Name und Adresse des jungen Mannes. Zurückhaltende Kommentare mit Verweis auf das Alter und die recht dünne faktische Lage ernteten deutlichen Widerspruch: der Abgeordnete Claus-Brunner etwa twitterte, Beschwichtigung sei Verrat.

B. selbst schweigt bisher. Auf seinem mutmaßlichen Twitteraccount ließ er verlauten, von den Vorwürfen "überrollt" worden zu sein.

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