Andreas Rödder legt Posten nieder: Grundwerte-Streit in der Union
Der Leiter der CDU-Grundwertekommission, Andreas Rödder, tritt zurück. Der Umgang mit der AfD sorgt in der Partei weiter für schwache Nerven.
Rödder hatte im Gespräch mit dem Stern von einer „Brandmauer-Hysterie“ gesprochen, an der die CDU gemessen werde. Im Falle einer CDU geführten Minderheitsregierung würde er es etwa als „völlig in Ordnung“ erachten, bei Bedarf auch Mehrheiten mit der AfD zu suchen. „Problematisch wäre es erst, wenn sich die CDU offiziell von der AfD tolerieren ließe und dafür Absprachen eingehen würde“, so der Mainzer Historiker.
Parteichef Merz sagte daraufhin in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen, „die CDU würde ihre Seele verkaufen, wenn sie mit dieser Partei [der AfD] zusammenarbeiten würde“. CDU-Bundesvize Karin Prien erklärte, Rödder habe seine Kompetenzen überschritten. Sein Vorstoß sei weder vom Parteipräsidium noch vom Bundesvorstand der CDU gedeckt gewesen und sei „völlig inakzeptabel“.
In einem Brief an Parteichef Merz, aus dem die Plattform Nius zu erst berichtete, schreibt Rödder, das Interview im Stern sei in der CDU bewusst fehlinterpretiert worden. Merz habe ihn nun dazu aufgefordert, zwischen seiner „intellektuellen Freiheit und der Leitung der Grundwertekommission entscheiden“ zu müssen. „Daher bleibt mir keine andere Wahl, als die Leitung der Grundwertekommission niederzulegen“, so der Historiker.
Merz bezeichnete Rödders Arbeit als „richtungsweisend“
Der Fall Rödder wirft ein neuerliches Schlaglicht darauf, wie gespalten die Union im Umgang mit der AfD ist. Am 14. September hatte die CDU im Thüringer Landtag einen Antrag zur Senkung der Grunderwerbssteuer in dem Bundesland nur mit Hilfe der AfD durchgebracht. Der Thüringer CDU-Fraktionsvorstitzende, Mario Voigt, der auch stellvertretender Vorsitzender der CDU-Grundsatzkommission ist, hatte für die gemeinsame Abstimmung mit der AfD noch viel Verständnis vom Parteivorstand erhalten und wurde von Linnemann und Merz in Schutz genommen.
Rödder schrieb in seinem Brief an Merz, er fühle sich von „führenden Vertretern der Partei unwidersprochen persönlich diskreditiert“. Er habe nichts anderes getan, als über verfassungsgemäße Optionen nachzudenken, um die CDU aus ihrer politischen Defensive zu befreien und ihrer Bedrohung durch die AfD zu begegnen.
Rödder leitete die CDU-Grundwertekommission seit Frühjahr 2022. Der Historiker erarbeitete in einem Team eine Grundwertecharta, die Merz zuvor als „richtungsweisend für die weitere Arbeit der Fachkommissionen“ des neuen CDU-Grundsatzprogramms bezeichnet hatte. Die Grundwertecharta wurde bereits am 15. Juni 2022 als Antrag des Bundesvorstands an den Parteitag beschlossen.
In 11 so genannten Fachkommissionen arbeitet die CDU derzeit an einem neuen Grundsatzprogramm. Bis Ende des Jahres soll dieses als Entwurf stehen, endgültig beschlossen werden soll es im kommenden Mai auf einem Parteitag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren