piwik no script img

AfD stagniert in Sachsen-AnhaltKeine strahlende Siegerin

Die AfD wollte in Sachsen-Anhalt Platz eins erreichen – und scheitert damit klar. Sie bleibt aber mit Abstand die größte Oppositionsfraktion.

Die AfD-Vorderen Höcke (ganz rechts) und Gauland (rechts, in Bild links) am Wahltag in Magdeburg Foto: Kai Pfaffenbach / Reuters

DRESDEN taz | Die AfD hat ihr erklärtes Ziel verfehlt, in Sachsen-Anhalt stärkste Partei zu werden. Das hatte unter anderem Parteichef Jörg Meuthen im Vorfeld verkündet. Erste Hochrechnungen sahen die Partei bei rund 22 Prozent und damit knapp unterhalb des Wahlergebnisses 2016 – aber sehr deutlich hinter der CDU.

Der Applaus auf der Wahlparty der AfD, wo auch Parteivordere wie Alexander Gauland oder Björn Höcke zu Gast waren, hielt sich entsprechend in Grenzen. Landesvorsitzender Martin Reichardt wollte sich im MDR-Fernsehen immerhin darüber freuen, dass die AfD ihr Ergebnis von 2016 annähernd halten konnte. Der Wahlkampf sei ausgesprochen polarisierend gewesen, und so sei er „trotz Hetze und medialer Ausgrenzung sehr zufrieden“.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Auch AfD-Bundeschef Tino Chrupalla äußerte sich positiv: Er sei mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Es gebe in Sachsen-Anhalt jetzt nur noch zwei Volksparteien, die CDU und seine AfD.

Die Konkurrenz atmete etwas auf. „Es wird weniger Aquamarinblau im Landtag geben“, tröstete sich der SPD-Landesvorsitzende Andreas Schmidt über das schlechte Ergebnis seiner eigenen Partei hinweg.

Wiederholter „Sachseneffekt“

Damit könnte sich in Sachsen-Anhalt der Sachseneffekt von 2019 wiederholt haben. Auch dort drohte die CDU damals in Umfragen hinter die AfD zurückzufallen, gewann am Ende aber deutlich. Für Sachsen-Anhalt hatten vor allem von der Bild-Zeitung beim Meinungsforschungsinstitut Insa in Auftrag gegebene Umfragen zumindest ein Kopf-an-Kopf-Rennen prophezeit. Die Konsequenzen könnten Protestwähler in letzter Minute abgeschreckt und die Neigung verstärkt haben, doch eher auf die bewährte Union zu setzen. Auch der coronabedingt verdoppelte Briefwahlanteil geht erfahrungsgemäß eher zulasten von Protestparteien rechtsaußen.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Gleichwohl bleibt die AfD mit großem Abstand die stärkste Oppositionspartei im Landtag. Der AfD verwandte Konkurrenten wie die Freien Wähler oder „Die Basis“ als Partei der Corona-Ignoranten haben offenbar nur wenige Stimmen abziehen können. Andererseits lässt sich aus diesem wie dem sächsischen Wahlergebnis 2019 schließen, dass die AfD auch im Osten ihr Potenzial bei etwa einem Viertel der Wählerschaft ausgeschöpft hat.

Diesen Wählern ist es offenbar gleichgültig, dass sich die AfD nicht nur im Magdeburger Landtag als inkompetent und unfähig zu konstruktiver Politik erwiesen hat. Sowohl dort als auch beim Wahlkampf auf öffentlichen Plätzen dominierten Flegeleien und ein rüder Ton. Bei der Abschlusskundgebung am Freitag in Magdeburg beschimpften AfD-Frontleute Oliver Kirchner und Thomas Tillschneider die Gegendemonstranten unter anderem als „Blöde“ und „Irre“.

Im Wahlkampf gegen die Coronapolitik agitiert

Neben Rassismus und Europafeindlichkeit hat das Einschwenken der AfD auf eine Ablehnung der Coronaschutzmaßnahmen zum relativen Erfolg beigetragen. Auf den ersten zehn Seiten ihres Wahlprogramms ging sie mit der Beschwörung der Individualrechte auf Stimmenfang, während die AfD sonst eine homogene nationale Volksgemeinschaft beschwört. Der Pandemiekurs der Landesregierung wurde trotz gelegentlicher Stänkereien von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gegen Entscheidungen des Bundes als nicht stringent empfunden.

In 30 Jahren haben sich das Image und die Selbstwahrnehmung der Sachsen-Anhalter nicht entscheidend verbessert. Im Wahlkampf konnte man Stimmen hören, die deshalb keiner traditionellen Partei mehr vertrauen und eher aus Verlegenheit der selbsternannten „Alternative“ ihre Stimme geben. Obschon Sachsen-Anhalt bereits ein Land der erneuerbaren Energien ist, lässt sich auch aus der Veränderungsangst vor den Folgen des Kohleausstiegs politisches Kapital schlagen.

An der Konstellation für Koalitionssondierungen dürfte das AfD-Ergebnis zumindest vorerst nichts ändern – auch wenn AfD-Bundeschef Tino Chrupalla am Sonntag erklärte, die Bürger hätten für eine Regierung aus CDU und AfD votiert. Offiziell aber will niemand mit den Rechtsaußen verhandeln. Dafür besteht angesichts mehrerer Koalitionsoptionen unter CDU-Führung auch kein Anlass mehr. Der AfD-Landtagsabgeordnete Ulrich Siegmund appellierte dennoch an die CDU, angesichts einer „nationalkonservativen Mehrheit“ der Wähler mit der AfD zu koalieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ich schliesse daraus: die CDU hat ein Interesse an einer starken AfD.

  • Wie angesichts des grauenvollen Programms der AFD und ihrer extremen Zerstrittenheit sich 20% und mehr der Wähler für diese Partei entscheiden, bleibt ein Rätsel, dass bisher weder Journalisten noch Politikwissenschaftler angemessen auf den Schirm haben. Das Stichwort Protestwähler ist mir einfach zu dünn.

  • Öhm? -3,5% als "stagnieren" zu bezeichnen, ist - gelinde gesagt - abenteuerlich

  • Eine schlaffe, zerstrittene und zuletzt eher profillose AfD gewinnt mal eben 22%, während links der CDU kaum 30 % übrig bleiben. Das möge allen RRG-Träumern zu denken geben. Kann sein, dass heute überwiegend ältere Sachsen-Anhaltiner gewählt haben und die Jugend am Baggersee war, aber sicher ist das nicht.

  • Aha, dank der Wahlumfragen von INSA bzw. der Bildzeitung bleibt uns also die AfD als Regierungspartei erspart … da bedanke ich mich doch recht herzlich!