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Weidel, Pinselund der Wahlkampf

Die AfD-Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen Weidel und Chrupalla geben sich beim Wahlkampfauftakt recht zahm, sitzen aber wohl bald mit dem „freundlichen Gesicht des NS“ in einer Fraktion

Versuchen ein Bild von „Deutsch­land, aber normal“ zu zeichnen: Tino Chrupalla (Spitzname Pinsel) und Alice Weidel beim Wahlkampfauftakt in Schwerin, wo dieses Jahr Landtagswahl ist Foto: Fo­to:­Jens Büttner/dpa

Aus Schwerin Gareth Joswig

Die AfD gibt sich bei ihrem Wahlkampfauftakt in Schwerin alle Mühe, geschlossen zu wirken und die weiter schwelenden internen Machtkämpfe zu kaschieren. Doch ganz gelingt das an diesem Dienstagabend auf dem Alten Garten in Schwerin nicht. Denn der Wunschkandidat des angeblich aufgelösten rechtsextremen Flügels, Tino Chrupalla, kommt auch beim ersten Wahlkampftermin nicht ohne einen Seitenhieb gegen das nationalkonservative Lager um Parteisprecher Jörg Meuthen aus.

So sagt Chrupalla gegen Ende seiner Rede auf dem Alten Garten vor dem Schweriner Schloss: „Wir sind stark, wenn wir einig sind und uns unterstützen, anstatt uns gegenseitig in den Medien in die Pfanne zu hauen.“ Dass Chrupalla die Spitze rausrutscht, liegt wohl auch daran, dass die letzte Auseinandersetzung im Bundesvorstand da gerade mal einen Tag alt ist: Das Meuthen-Lager ist nach wie vor äußerst irritiert darüber, dass der Parteivorstand mitsamt Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen Chrupalla und Alice Weidel kein Parteiausschlussverfahren gegen Matthias Helferich beschlossen hat.

Um den aussichtsreichen Bundestagskandidaten aus Nordrhein-Westfalen war ein offener Streit wegen dessen geleakter Facebook-Chats entbrannt. Der 33-jährige Helferich hatte darin ein Foto von sich mit „das freundliche Gesicht des NS“ kommentiert und den berüchtigten NS-Richter und Teilnehmer der Wannseekonferenz Roland Freisler als Vorbild genannt. Dennoch wird Helferich wohl in den Bundestag einziehen, weil es im Bundesvorstand nur zu einer Ämtersperre gereicht hat.

Am Montag hat es eine erneute Abstimmung im Bundesvorstand dazu gegeben. Für ein Ausschlussverfahren braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Allerdings stimmte eine deutliche Mehrheit von 9 zu 14 im Vorstand gegen den Ausschluss – auch Weidel und Chrupalla. Die Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen haben also kein Problem damit, zusammen mit dem „freundlichen Gesicht des NS“ in der künftigen AfD-Fraktion zu sitzen. Einige Be­ob­ach­te­r*in­nen sehen Meuthens Macht im Vorstand erodieren. Wie der Grabenkampf aber letztlich ausgeht, hängt auch vom Ausgang der Wahl ab. Abgerechnet wird im Dezember, wenn der Vorstand neu gewählt wird.

Der Wahlkampfauftakt war trotz pittoresker Kulisse in Schwerin schon mal durchwachsen: Lediglich 350 Personen kamen laut Polizei auf den zentralen Platz, um die Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen zu sehen. Und während der Reden von Weidel und Chrupalla kam es nur zu verhaltenem Zwischenapplaus.

Gänzlich unterkühlt wird es, als Weidel auf ihre Familie zu sprechen kommt

Die Gesichter des AfD-Publikums, überwiegend ältere Herren, vereinzelt auch aus der Thor-Steinar-Fraktion, sahen gar nicht mal so freundlich aus: Angesichts vieler Allgemeinplätze und für AfD-Verhältnisse eher zurückhaltender Reden von Chrupalla und Weidel kam kaum Stimmung auf. Nichts zu hören von den durchaus extremen Forderungen des Wahlprogramms wie dem EU-Austritt Deutschlands. Es wirkte wie Katerstimmung: Migrationsdebatten waren gestern, heute sind Klima- und Corona­krise, und für beides hat die AfD keine guten Konzepte. Auch weil der Partei ein Thema fehlt, dümpelt sie bei zehn Prozent.

Gänzlich unterkühlt wird es, als Weidel auf ihre Familie zu sprechen kommt. Im Wahlprogramm der AfD steht, dass eine Familie aus Vater, Mutter und Kindern zu bestehen hat. Weidel sagte demgegenüber auf der Bühne, dass sie „stolz auf Deutschland“ sei, weil sie hier mit ihrer Lebenspartnerin zusammen leben und Kinder erziehen könne. Weidels Privatleben erzeugt wenig Begeisterung: Im Publikum bleibt es unangenehm still. In diesem Moment hört man die in Rufweite befindliche Gegendemo noch lauter als ohnehin schon.

Immerhin zündet bei den meisten ein Gag von Chrupalla: Der kommt zu Beginn kurz in einem Maleranzug auf die Bühne. Sein parteiinterner Spitzname ist „Pinsel“ – mit Blick auf dessen unakademische Ausdrucksweise und seinen Background als Malermeister. Auch durchaus mit gerümpfter Nase, Stichwort Einfaltspinsel. Ganz so volksnah, wie er sich gern inszeniert, ist Chrupalla allerdings längs nicht mehr: Mittlerweile fährt er einen 7er BMW als Dienstauto.

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