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AfD in der KriseRechte im Corona-Chaos

Oft heißt es, die Krise stärke den rechten Rand. In der Pandemie ist das aber nicht der Fall, die AfD schwächelt. Warum ist das so?

Lockdown! Kein Lockdown! Ja was denn nun, Alice? Foto: Björn Kietzmann

Berlin taz | Birgit Bessin, AfD-Politikerin aus Brandenburg, war ganz begeistert. „Brandenburger AfD auf Berliner Freiheits-Demonstration stark vertreten“, postete die stellvertretende Fraktionsvorsitzende kurz nach dem Protestzug gegen die Coronamaßnahmen jüngst in Berlin. Aus „nahezu allen Kreisverbänden“ seien Parteimitglieder vor Ort gewesen.

Überprüfbar ist das kaum. AfD-Fahnen allerdings, die sonst von Parteimitgliedern gern mitgeführt werden, wurden auf der Demonstration kaum gesichtet. Die AfD kann, auch wenn Bessin große Nähe suggeriert, den Protest der CoronaskeptikerInnen bislang für sich kaum nutzbar machen. Überhaupt zahlt die Krise bei der radikal rechten Partei nicht ein. Im Gegenteil: In Umfragen hat die AfD in den vergangenen Monaten stark verloren.

Warum ist das so? „Die AfD ist keine Partei, die von solchen Krisen profitiert“, sagt dazu der Göttinger Politikwissenschaftler Michael Lühmann. Zum einen spiele Corona der Regierung in die Hände, die als erfahrene Krisenmanagerin wahrgenommen werde.

Auch sei die persönliche Sorge um Gesundheit und wirtschaftliche Existenz zu groß, um sich auf populistische Experimente einzulassen. Die AfD sei zudem so zerstritten, dass sie vor allem über ihren internen Machtkampf wahrgenommen werde. Und ihre Position zu Corona sei alles andere als klar.

Keine stringente Linie

„Allein an einer Person wie Fraktionschefin Alice Weidel sieht man, wie wirr die Haltung ist“, sagt Lühmann. Weidel hatte am 12. März auf Twitter zunächst den Lockdown gefordert. Viele EU-Länder würden das öffentliche Leben praktisch einstellen, nur in Deutschland könne sich Covid-19 ungehindert ausbreiten, so Weidel. Im April forderte sie dann, die Wirtschaft sofort hochzufahren und die Gastronomie wieder zu öffnen.

Dazwischen lag eine turbulente Sitzung der AfD-Fraktion, auf der unterschiedliche Einschätzungen zu Corona aufeinandertrafen: Von einer „kleinen Grippe“ bis zur „gefährlichen Pandemie“ war alles dabei. Zwar einigte man sich am Ende auf ein gemeinsames Papier, aus ihrer unterschiedlichen Haltung aber machten viele Abgeordnete weiter keinen Hehl.

Stringenter geworden ist die Haltung der Partei seitdem nicht, das sieht man auch an Äußerungen zu der Berliner Demonstration. Während Parteichef Jörg Meuthen CoronaleugnerInnen riet, ihren „Geisteszustand überprüfen (zu) lassen“, begrüßte sein Co-Chef Tino Chrupalla die Demonstration und konnte – trotz fehlender Masken und fehlenden Abstands – „kein Fehlverhalten erkennen“. Es sei friedlich gewesen, die Menschen seien für ihre Grund- und Bürgerrechte auf die Straße gegangen.

Der Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka, der auch im Bundesvorstand der AfD sitzt, bedankte sich per Twitter gar bei den „1,3 Millionen Demonstranten“, obwohl die viel zu hohe Zahl keiner Überprüfung standhielt, und raunte dazu: „Der deutsche Michel wird wach.“ Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke grüßte die Demonstranten in Softshelljacke am See stehend mit einem kleinen Video.

Fehlende Mobilisierungskraft

Viel Honig saugen kann die AfD aus den Demonstrationen nicht, auch wenn sich ein Teil der Partei ihnen noch so sehr andient. „Die Coronademos haben ja insgesamt keine große Mobilierungskraft“, sagt Politikwissenschaftler Lühmann. Und zudem gelinge es der AfD nicht, das Thema so populistisch aufzuladen, dass es politisch für sie nutzbar sei.

Das zeigt auch eine neue Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa. 91 Prozent der deutschen Bevölkerung haben demnach kein Verständnis für die Demonstrationen, bei den 18- bis 29-Jährigen, die gewöhnlich besonders protestfreudig sind, sind es sogar 94 Prozent.

Die große Mehrheit der Befragten, 87 Prozent, meint zudem, dass die Menschen, die gegen die Maßnahmen auf die Straße gehen, nur eine Minderheit der Bevölkerung repräsentieren. So sehen das die AnhängerInnen aller Parteien – mit Ausnahme der AfD. Hier sei für die Partei nicht mehr viel zu holen, sagt Lühmann. „Dieses Milieu haben sie ja schon.“

Nun hoffen manche in der AfD, dass eine anstehende Wirtschaftskrise die Zustimmung zu ihrer Partei wieder steigen lässt. Aber auch das sieht der Göttinger Politikwissenschaftler anders. Zum einen sei schon jetzt zu beobachten, dass die AfD nicht dort die größten Wahlerfolge habe, wo es den Menschen wirtschaftlich schlecht gehe: Tendenziell gebe es sowohl bei der Zustimmung zur AfD als auch bei der Wirtschaftskraft eine Art umgekehrtes Nord-Süd-Gefälle – und das gelte gleichermaßen in Ost und West.

Zudem scheuten sich die Deutschen, in Krisenzeiten Experimente zu wagen. „Wenn es ans Eingemachte geht, setzt man doch eher auf die Wirtschaftskompetenz der Union.“

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13 Kommentare

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  • Die Rechten und die Corona-Epidemie

    Das politische und mediale Perception-Management packt die Anti-NPI-Bewegung gern umstandslos in die politische Schublade rechts von der edlen Mitte, zumindest hierzulande wohl nicht ganz ohne Grund, wie im Artikel belegt. In der Perspektive eines größeren zeitlichen und geografischen Horizonts ist dies allerdings eine Verkürzung, in bizarrem Kurtzeitgedächtnisschwund die treibende und dramatisierende Rolle eben jenes Segments auf der Politskala in der Anfangsphase der Krise übersehend. In den Niederlanden etwa rieb die PVV Geert Wilders die Regierung Rutte vor sich her und rieb ihr einen laschen Umgang mit der Epidemie unter die Nase. In Schweden gehören die Schwedendemokraten zu den schärfsten Kritikern der permissiven „Sonderweg-Strategie“ der Links-Grünen Minderheitsregierung. Und in Frankreich schließlich hat der RN von M. Le Pen in einem landesweit verbreiteten Corona-Memo dem LREM-Regime Macrons vorgeworfen, die Epidemie zu lange auf die leichte Schulter genommen zu haben.(„Le livre noir du caronavisus“). Der französischen Polizei konnten die epidemiebegründeteten Restriktionen der Bürgerrechte gar nicht weit genug gehen, die sie ja besonders rigoros und beflissen mit dem gesamten polizeistaatlichen Arsenal exekutierte, unter anfeuernder Unterstützung des RN. Kein Wunder, daß jeder zweite Beamter der französischcn Sicherheitsapparate zu dessen Wählerschaft gehört.

    Auch sollte man sich keine Illusionen darüber machen, wie die Hakenkreuzler mit einer solchen Epidemie umgegangen wären. Natürlich hätten sie die Juden beschuldigt, das Virus eingeschleppt zu haben, um sodann eine strenge Maskenpflicht als sichtbares Bekenntniszeichen für die Zugehörigkeit zur „Volksgemeinschaft“ dekretiert. Man kann sich gut hakenkreuzbestickte schwarz-weiß-rote Masken vorstellen. Die NS-Ortsgruppenleiter, Blockwarte und die SA hätten über die strenge Einhaltung gewacht.

    Wenn nun die Afd wegen Corona abschmiert, na dann um so besser.

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    Die Moderation

  • "In der Pandemie ist das aber nicht der Fall, die AfD schwächelt. Warum ist das so?"

    Vielleicht, weil das nicht so ist. Die AfD legte seit Anfang Juni 2%punkte zu, die Linke stagniert, die SPD legte mit Ihrem Superspitzenkandidaten 3%punkte zu.

  • "Wirtschaftskompetenz der Union" – jetzt gilt es schon als Kompetenz, die Hosen runter zu lassen und sich nach vorne zu beugen. Welche Forderung der Wirtschaft hat die Union in letzter Zeit zurückgewiesen und welche Regelung selbst gefordert, die keine "freiwillige Selbstverpflichtung" war?

  • prinzpiell wünsche ich mír ja auch die AfD aus dem Bundestag raus. Mal abgesehen davon, dass ich gefühlt schon häufiger gelesen habe, die AfD wäre in der Krise und sich das nur noch nicht so richtig materialisiert hat, sehe ich auch jetzt keine starken Verluste, de.wikipedia.org/w...agen_und_Prognosen. Ein Verlust von 1,5 % im Vergleich zur Wahl 2017 ist kein starker Verlust. Es ist statistisch wahrscheinlich noch nicht einmal relevant, zumal die Umfragen immer eine gewisse Fehlerquote haben und speziell bei der Frage nach der AfD bei Umfragen immer ein niedrigeres Ergebnis prognostiziert wird als dann zur Wahl rauskommt. Der erste Schritt, die AfD rauszubekommen, ist jedenfalls, sich nicht in die Tasche zu lügen. klar, hat die AfD kein Konzept für die Krise, die einen schreien, der Virus wäre nur ein Propaganda- Hoax des tiefen Staates, weil es dann aber doch bei Donny in Amerika z.B. so viele Tote gibt, wollen selbst einige AfDler doch besser Maske tragen. Das beißt sich natürlich. Und auch abseits der Maskenfrage haben sie nichts beizutragen, sie haben ja, Gott sei Dank, auch keine Posten, auf denen sie sich beweisen müssten. Um die AfD zu demaskieren , ))) muss man Sie konsequent vorführen indem man ihnen überall das Mikro hinhält und sie nach ihrem Konzept zur Coronaeindämmung und zu den Maßnahmen gg die Wirtschaftskrise befragt.

  • Hollywood sei Dank sind Epidemien ja immer absolut Action-geladen und bieten Gelegenheiten für Heldentaten. In Wirklichkeit passiert nichts und es ist unglaublich langweilig. Der bisherige Höhepunkt war glaube ich die Klopapierkrise.

  • Schonn!

    “ Oft heißt es, die Krise stärke den rechten Rand. In der Pandemie ist das aber nicht der Fall, die AfD schwächelt. Warum ist das so?“

    kurz - May be. But. Wer will das wissen?

    • @Lowandorder:

      Ich gestehe, mich interessiert es.

      20.000 Leute zu einem Thema auf die Straße zu kriegen, ist ja durchaus nicht unbeachtlich. (Ich meine die 1,3-Millionen-Demo. ;-) ) Ich bin durchaus neugierig, weshalb die AfD zu unfähig ist, was daraus zu machen.

      • @rero:

        Geschenkt & Sabine am Orde is ne fitte 🧢 Das ist ehrenwert.

        Wie aber schon mein “Elvis-Verschnitt“ Deutschlehrer im weißen Staubmantel anmerkte: “Man muß ein 🥚 nicht ganz aufessen - um festzustellen - Daß es faul ist!“ In dem Sinne. 🥚jòò 🥚jòò - 🤮 -



        Pack schlägt sich. Pack verträgt sich.

        Na Mahlzeit

        • @Lowandorder:

          Sehen Sie, da bin ich ganz anders drauf.

          Ein normal Ei ißt jeder, das kennt man. Aber so ein Würg-Ei.... Mmmmh!!! :-)

          Ich finde es total spannend nachzuvollziehen, wie Leute denken, die so ganz anders ticken als ich.

    • @Lowandorder:

      Hauptsache, sie schwächelt.

      Wobei ich ja aus sicherer Quelle gehört haben, dass 150.000 AfD-Mitglieder auf der Berliner Demo gewesen sein sollen.

      • @Jim Hawkins:

        Echt getz mal! Ehrlich?



        🇩🇪



        So viele Arschlöcher für Deutschland?!

        • @Lowandorder:

          Kuchen!

          Es gibt natürlich sogar noch mehr Arschlöcher in Deutschland aber meine Schätzung bezog sich auf die Neigung der Veranstaltung die tatsächliche Zahl der Demonstranten mit dem Faktor 60 zu multiplizieren.