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AfD gegen ostdeutsche ZivilgesellschaftStart für die „Trockenlegung“

Die AfD und ihre Verbündeten kippen in Pirna die Unterstützung für ein linkes Projekt. Die Rechten wollen so die Zivilgesellschaft bekämpfen.

Marktplatz in Pirna: 38.000 Einwohner, davon viele mit der Politik der AfD einverstanden Foto: Norbert Millauer/imago

Dresden taz | Es ist ein klassisches Björn Höcke Zitat: „Wir werden die sogenannte Zivilgesellschaft, die sich aus Steuergeldern speist, leider trockenlegen müssen.“ Der AfD-Demagoge sorgte mit dieser Äußerung zum 200. Dresdner Pegida-Marsch am 17. Februar für Aufregung. Wer aber parlamentarische Anträge und Strategien der AfD insbesondere im Osten kennt, war nicht überrascht. Der AfD unbequeme Initiativen und Vereine sollen ausgehungert werden, das ist das Ziel der Partei.

In der sächsischen 38.000-Einwohner-Stadt Pirna am Elbeeinstieg war nun zu beobachten, dass ultrakonservative kommunale Mehrheiten diese Absicht auch tatsächlich umsetzen. Der lokalen „Aktion Zivilcourage“ wurden sämtliche kommunalen Mittel gestrichen. Das wurde in der Stadtratssitzung am 21. April von AfD, Freien Wähler und der Initiative „Pirna kann mehr“ mit 15 von 26 Stimmen durchgesetzt. Die lokalen Verbündeten der AfD sind alte Bekannte: Hinter „Pirna kann mehr“ stehen die zerstrittenen Reste der „Blauen Wende“ der früheren AfD-Vorsitzenden Frauke Petry.

Die „Aktion Zivilcourage“ hatte sich einst mit ihrer Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit gegen Rechts einen auch bundesweit bekannten Namen verschafft. Projektleiter Franz Werner bedauert nun den „traurigen Dämpfer“ und das Ende „der mehr als 20 Jahre andauernden erfolgreichen und guten Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Pirna“. Das jetzt 9.000 Euro von der Stadt fehlen, sei aber keine existenzielle Gefahr, sagt Geschäftsführer Sebstian Reißigeinen. Durch Ministerien, Stiftungen, Projektmittel und Eigenleistungen sei der Verein solide finanziert.

Reißig sagt, er würde es verstehen, wenn wegen der Pandemie gespart werden müsste. Die Kürzung durch die AfD und deren Verbündete habe aber eindeutig „andere Gründe“. Vor allem sorgt man sich bei „Zivilcourage“ um das Zeichen, das von der Entscheidung ausgeht, um das Sägen „am Fundament unserer Arbeit“.

Eigentlich besitzt die „Zivilcourage“ gute Kontakte auch in bürgerlich-konservative Kreise hinein. In der „Szene“ gilt das Projekt als gemäßigt und eher staatstragend. „Wir sind um Deeskalation bemüht, es geht nur zusammen“, sagt Geschäftsführer Reißig. Gegen das Streben der AfD alles „auszutrocknen“, was sich deren rechten Ideen entgegenstellt, half das der „Zivilcourage“ allerdings nichts. Mit einer Crowdfunding-Kampagne wollen die Mitglieder nun die finanziellen Verluste ausgleichen.

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5 Kommentare

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  • Bei diesem kommunalem Wahlergebnis will man nicht wissen, wo diese Stadt ohne solche Initiativen wäre. Es gibt ein Problem, dass sich vor allem auf die neuen Bundesländer und hier im besonderen auf Sachsen erstreckt.

  • Auch wenn es für die Initiative nachteilig ist, dass ist eben Demokratie.



    Aber zumindest ist die Streichung der Mittel hier nicht existenzgefährdend.

    • @Stefan L.:

      nein, falsch.

      es zeigt nur das die wehrhafte Demokratie eben nicht geschützt ist gegen die Unterwanderung von Demokratiefeinden.

      Statt das die Demokratie die Rechtsradikalen "austrocknet", trocknen die Rechtsradikalen die Demokratie aus.

    • @Stefan L.:

      Nun ja, Demokratie ist ja nun nicht nur einfach die Herrschaft der Mehrheit sondern auch die Verpflichtung die Möglichkeit zur Änderung der Mehrheit zu erhalten sowie Diskriminierung und Ungleichbehandlung zu bekämpfen. Die "Aktion Zivilcourage" verfolgt keine demokratiefeindlichen Ziele und somit müsste auch die AfD sofern sie denn überzeugte Demokraten seien diese weiter unterstützen. Aber um die Selbsterhaltung der Demokratie geht es der AfD halt nicht, sondern nur um die Durchsetzung des eigenen Weltbilds

      • @LesMankov:

        Zivilgesellschafftliches Engagement liegt für mich außerhalb des Staates und der Politik. Selbstverständlich kann man mit dem Staat zusammenarbeiten und sein Geld nehmen, aber es sollte dann auch nicht daran scheitern, wenn der Staat seine Prioritäten verschiebt.