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AfD diskutiert über eigene AufspaltungMeuthen macht den Lucke

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Parteichef Meuthen will, dass sich der „Flügel“ abspaltet. Das wird nicht passieren. Der Untergang der AfD fällt leider aus.

Jörg Meuthen würde gern Gauland beerben und den „Flügel“ abspalten – beides wird nicht klappen Foto: Sina Schuldt/dpa

E s wäre natürlich zu schön: Die AfD, die derzeit auch coronabedingt in bundesweiten Umfragen unter 10 Prozent gerutscht ist, spaltet sich in zwei Teile – den „Flügel“, den der Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft hat, und das, was sonst noch übrig ist. Bei der kommenden Bundestagswahl dürfte dann der erste der beiden Teile unter 5 Prozent bleiben, der andere es vielleicht noch einmal in das Parlament schaffen. Der Höhenflug der AfD aber wäre vorbei, der Untergang der Partei wahrscheinlich eingeläutet.

Allein: So wird es nicht kommen, auch wenn AfD-Chef Jörg Meuthen jetzt erstmals eine Aufspaltung der AfD erwogen hat. Denn Meuthen isoliert sich in der Partei zunehmend selbst. Für sein Gedankenspiel hat er keine nennenswerte Unterstützung bei den Einflussreichen in der Partei – und das gilt auch für jene, die dem „Flügel“ kritisch gegenüberstehen. Denn auch sie wissen: Gerade die große Spannbreite der AfD macht ihren Erfolg aus, Wahlergebnisse im zweistelligen Bereich sind ohne die vielbeschworene Einheit der Partei illusorisch.

Und für den „Flügel“ selbst spricht ohnehin wenig dafür, das Label AfD aufzugeben. Ohne dieses wäre er eine rechtsextreme Splitterpartei wie die NPD, der Traum von der Machtübernahme wäre ausgeträumt. In der AfD aber, in der gegen die Strömung längst nichts mehr durchsetzbar ist, kann er genau dieses Ziel weiter verfolgen. Ein Ziel, an dem die Neue Rechte seit Jahrzehnten arbeitet und für das sie in der AfD ein langersehntes Instrument gefunden hat. Was die Kubitscheks dieser Welt zweifelsohne nicht einfach aufgeben werden.

Wahrscheinlicher ist, dass nach und nach jene, die dem „Flügel“ weiterhin kritisch begegnen, die Partei verlassen – oder gestürzt werden, wie es Meuthens Vorgängern Lucke und Petry ergangen ist. Deren Namen hört man derzeit in der AfD wieder häufiger. Mit Bezug zu Meuthen und durchaus mit drohendem Unterton.

Meuthen könnte nicht nur bei der Spitzenkandidaturfrage leer aus gehen, sondern auch als Parteichef wanken

Was aber treibt Meuthen, sich derart vorzuwagen? Bemerkenswert ist, dass er weniger mit Grundgesetztreue oder Verfassungsfeindlichkeit argumentiert, da hat der Parteichef sich mit vielem arrangiert. Meuthen führt den zermürbenden Konflikt vielmehr auf unterschiedliche programmatische Konzepte zurück, die er „Ordoliberalismus versus Staatspaternalismus“ nennt. Und diesen Konflikt hat er in der Rentenfrage gerade eindrucksvoll verloren, auf dem kommenden Parteitag wird seine Niederlage besiegelt werden. Vielleicht ist es das, was für den Wirtschaftsprofessor das Fass zum Überlaufen bringt.

Hinzu kommt, dass Meuthen wohl gern Spitzenkandidat bei der nächsten Bundestagswahl werden würde. Doch einfach beerben kann er Alexander Gauland in dieser Funktion nicht – auch weil Gaulands Partnerin Alice Weidel wie Meuthen aus Baden-Württemberg kommt und auf dem wirtschaftsliberalen Ticket läuft. Weidel aber wird diesen Platz nicht freiwillig räumen, sondern schaut sich bereits nach einem anderen Co-Spitzenkandidaten um. Meuthens Vorstoß dürfte auch ein Versuch sein, sich in dieser Gemengelage zu profilieren.

Das aber könnte für ihn nach hinten losgehen. Und Meuthen könnte nicht nur bei der Spitzenkandidaturfrage leer ausgehen, sondern auch als Parteichef wanken. In der AfD wird bereits diskutiert, ob er an der Spitze noch haltbar ist. Letztlich könnte es also sein, dass Meuthen vor Höcke die AfD verlässt. So, wie es eben auch bei Lucke und Petry der Fall war.

Viel spricht dafür, dass die Partei als Einheit weitgehend erhalten bleibt. Wer ihren Untergang einläuten will, muss also selbst aktiv werden.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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6 Kommentare

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  • Der Konflikt zwischen den beiden programmatischen Konzepten eines Ordoliberalismus und eines Staatspaternalismus, werden von Meuthen mit diesen Begrifflichkeiten heruntergespielt, nicht nur wegen der völkischen Ideologie des Flügels. Liest man beide Begriffe als „völkisch“ und „neoliberal“, dann zeigt sich die widersprüchliche ideologische Konstruktion der AfD deutlicher. Da gewährt eine Volksgemeinschaft paternalistisch zunächst ein ohne Leistung gewährtes Solidarangebot an den einzelnen Deutschen, das er mit der Geburt erhält (oder durch Assimilation). Dort macht der Neoliberalismus kein Solidarangebot, sondern spricht eine Verheißung aus. Nur durch eigene Leistung bei vollkommener Anpassung an den vom Staat zu schützenden Markt, gelangt er zum Erfolg. Es gibt letztendlich nur Individuen, keine schützende Gemeinschaft (Gesellschaft). Insofern dürfte einem Neoliberalen der Gedanke befremden, jemandem z.B. über eine allgemein gewährte Grundrente hinaus einen Zuschlag allein aufgrund einer Volkszugehörigkeit zu gewähren. Das widerspricht dem Gedanken der individuellen Leistung. Und wenn ausschließlich individuelle Leistung belohnt wird, dann können der reinen Lehre des Neoliberalismus nach keine Kriterien wie Volkszugehörigkeit oder Staatsbürgerschaft herangezogen werden. Umgekehrt muss ein paternalistischer „Volksstaat“ das Privileg der Volkszugehörigkeit verteidigen. Notfalls nur durch Abwertung Fremder, Ausländer…Eine gemeinsame Klammer fände sich fast zwangsläufig in einem autoritären Staat. Der legt fest, wer ein würdiger Volksangehöriger ist, z. B. einer, der um jeden Preis arbeitet. Wenn einer da als Erwerbsloser „Bedenken“ hat, kann ihm diese gewährte Würde wenigstens teilweise abgesprochen werden und das mit Verweis auf den Leistungsgedanken des Neoliberalismus exekutiert werden. Ein solcher Staat wäre eine zutiefst reaktionäre Veranstaltung, die alle errungenen Institutionen eines demokratischen Ausgleichs zwischen Kapital und Arbeit zerstört.

  • Wie Parteigründer Lucke ist Meuthen Wirtschafts-Professor und Neoliberaler: Jeder hat für sich zu sorgen usw. Meuthen ist persönlich mit dicker Pension fein raus und hat mit jder Art von "Sozialismus" natürlich nichts am Hut.



    Höcke und Co. beleben dagegen den Begriff "Nationalsozialismus" neu, und zwar in beiden Bestandteilen. Das zeigt sich u.a. in ihrem Konzept der "Volksrente" nur für "Bio-Deutsche".

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Um die Gelegenheit zum Orakeln nicht ungenutzt vorüberziehen zu lassen, mein Beitrag zum Thema.

    Ich sach's mal so: in der möglichen Option Teilung sehe ich NICHT den Untergang der AfD. Da gehen wohl Wunsch und Wirklichkeit in der Gedankenwelt der Autorin eine Melange ein. Legitim, aber dadurch nicht schon richtig.

    Die kurze Geschichte der AfD zeigt mir, dass dort sehr wohl Strategen am Werk sind, die nicht zum Harakiri neigen. Die 'Begleitmusik' in Sachen Grundsatzprogramm Renten ist meines Erachtens kein 'Versehen', sondern taktisches Kalkül.

    Die Änderungen parteipolitischer Präferenzen unter Covid 19/ Corona werden sich in absehbarer Zeit wieder umkehren. Das Gedächtnis vieler Wähler ist kurz - wesentlich kürzer als eine Legislaturperiode.

    Vielen Deutschen fehlt die nötige Konsequenz aus Kritik bis Genörgel und Gejammer eine dazu halbwegs passende Wahlentscheidung zu treffen.

    Wetten, dass ... ?

  • Wie nennt man eine Partei mit brennenden Flügeln?

    Ikarus-Syndrom, richtig!

    Sorry, Leute. In einer seltsamen Zeit muss man sich mit seltsamen Schoten über Wasser halten.

  • Ich denke mal auch, dass Meuthen nach Lucke und Petry die Partei verlassen werden muss...

    • @Jossi Blum:

      Von mir aus kann jede/r diese Partei verlassen.

      Aber wie schon Wolfgang Leiberg an einer anderen Stelle sagt: wir werden uns mit diesen Typen herumschlagen müssen.

      Sie waren immer da (in anderen Gruben überwintert), jetzt gibt es eine Struktur, die sich von Radikalisierung ernährt.

      An uns, die immer wieder als das zu entlarven, was sie sind.