AfD-Parteitag in Riesa: Vorstand von Höckes Gnaden

Tino Chrupalla und Alice Weidel sind die neuen Bundessprecher der AfD. Auf dem Parteitag setzte sich ein Vorstand der völkischen Strömung durch.

Björn Höcke im Anzug und hält eine Rede, neben ihm Tino Chrupalla

Der Rechtsextremist Björn Höcke auf dem AfD-Bundesparteitag Foto: Sebastian Kahnert/dpa

RIESA taz | Es ist eine aus AfD-Sicht dringende Frage, die ein Delegierter aus Bayern an den alten und neuen Parteichef Tino Chrupalla vom Saalmikrofon aus stellt: „Was wollen Sie in Zukunft denn anders machen, damit wir wieder besser dastehen?“

Der Hintergrund für die Frage: Zehn Wahlniederlagen in Folge, Mitgliederverluste, heftige innerparteiliche Kämpfe zwischen Völkischen und vermeintlich Gemäßigten, zwischen Ost und West. Das alles passierte unter dem Vorsitz des Malermeisters Tino Chrupalla, der selbst aus dem Osten kommt, seinen Wahlkreis Görlitz direkt gewann und im alten Vorstand schon mal gepoltert haben soll, dass er auch nichts dafür könne, dass es der Westen nicht hinbekomme. Und der nun wieder gewählt wurde als Parteichef – mit freundlicher Unterstützung der völkischen Strömung um den Rechtsextremisten Björn Höcke.

Chrupallas Antwort auf diese existentielle Frage für die AfD ist: Er hat keine. „Was wir brauchen, ist die Unterstützung aller Kreis- und Landesverbände, um sich gegenseitig zu unterstützen“, sagt er etwas verhaspelt. Auch in seiner Bewerbungsrede beim 13. Bundesparteitag der AfD im sächsischen Riesa formuliert Chrupalla keine einzige zukunftsweisende Idee für seine Partei.

Er drischt auf FDP, CDU und Grüne ein, nennt den Unionschef Friedrich Merz wegen dessen postulierter Brandmauer gegen rechts „grüner Wolf im Schafspelz“ und behauptet gewohnt russlandfreundlich, Putins Angriffskrieg hätte mit Diplomatie verhindert werden können.

Chrupalla inszeniert sich als „Bundessprecher der Basis“

Sein größter Trumpf hier bei den rund 550 akkreditierten Delegierten im Saal war wohl der heftige Angriff seiner innerparteilichen Gegner über die Medien in den Wochen davor. Die Reste des Meuthen-Lagers hatten nach anhaltenden Wahlpleiten und Putinnähe des Parteichefs den Rücktritt von Chrupalla gefordert.

Der hingegen inszenierte sich als in seiner Rede als „Bundessprecher der Basis“ und sagte: „Wenn ich angegriffen werde, dann nur deshalb, weil die Basis zum Schweigen gebracht werden soll, aber das werde ich nicht zulassen!“ Tatsächlich hatte Chrupalla vor dem Parteitag viel herumtelefoniert und zusammen mit der völkischen Strömung eine Liste präsentiert, die am Samstag weitgehend durchgewählt wurde.

Dass die Basis aber trotz der nach außen deutlichen Einigkeit des „Flügels“ keineswegs geschlossen hinter Chrupalla steht, zeigt die anschließende Wahl. Nur 53 Prozent der Delegierten stimmten für ihn. Ohne Höckes Unterstützung hätte er es wohl nicht erneut geschafft.

Der unterlegene Gegenkandidat Norbert Kleinwächter bekam als klarer Außenseiter mit einer deutlich besseren Rede zwar einigen Applaus, aber am Ende nur 36 Prozent. Er war angetreten für einen „Neuanfang“ mit den vermeintlich Gemäßigten – was im Zusammenhang mit der AfD allerdings eine leere Formel ist, wie auch er in seiner Rede unterstrich: „Jeden Tag bekommen Hunderte Merkel-Migranten als Dank für ihre illegale Einwanderung die deutsche Staatsbürgerschaft“, sagte er und der Saal johlte.

Der „Flügel“ triumphiert

Interessanter war Kleinwächters Einordnung nach seiner Niederlage. Auf die Frage, ob Chrupalla Parteivorsitzender von Höckes Gnaden sei, sagte Kleinwächter: „Er hat auf jeden Fall Stimmen aus seinem Lager bekommen, die er nicht gehabt hätte, wenn Höcke eine ernsthafte Opposition gegen ihn aufgebaut hätte.“ Er sei auch von Höckes Strömung getragen worden, sagte Kleinwächter.

Und so ging es weiter: Alice Weidel wurde mit mehr als 67 Prozent zur Co-Sprecherin gewählt – und triumphierte nach einer gewohnt donnernden Rede deutlich über Nicolaus Fest, der den permanenten innerparteilichen Streit der Partei kritisierte und so beschrieb: „Putinisten gegen Transatlantiker, Flügelianer gegen Meuthenianer, Zeltpinkler gegen Jogginghosen“.

Am Samstag triumphierte der offiziell aufgelöste „Flügel“ fast an allen Positionen. „Wir brauchen einen homogenen Parteivorstand“, forderte der stellvertretende Bundessprecher Stephan Brandner in seiner Rede und bekam ihn dann auch. Er selbst wurde mit 72 Prozent gewählt. In seiner Rede nannte er politische Gegner „Feinde“, diskriminierte Minderheiten und riss zotige Witze über Luther-Zitate („Aus einem traurigen Arsch kommt kein glücklicher Furz“), indem er die Partei aufforderte, „fröhliche Fürze“ zu sein.

Nachdem dann auch für die Gemäßigten selbst die ehemalige CDU-Abgeordnete und bundesweit bekannte Erika Steinbach für den stellvertretenden Parteivorsitz scheiterte, hatte Mariana Harder-Kühnel, die nächste Kandidatin auf der Chrupalla-List, nicht einmal mehr eine Gegenkandidatin und kam gar auf 75 Prozent.

Checkliste für den erneuten Rechtsruck

Höcke selbst traute sich trotz großspuriger Ansagen mal wieder nicht, zu kandidieren. Er begründete dies damit, dass seine Kandidatur die Partei wohl spalten dürfte. Das liege aber nicht an seiner extrem rechten Agenda, sondern an dem medialen Bild, das von ihm vermittelt werde. Am Ende des Parteitags wird er seinen Einfluss nicht nur durch die Besetzung des Vorstands ausgebaut haben, sondern auch durch seinen erfolgreichen Antrag auf eine mögliche Einzelspitze. Es wird vermutet, dass Höcke in zwei Jahren möglicherweise auch nach dem Parteivorsitz greift.

In Riesa fehlt Höcke nur noch ein Ziel auf der Checkliste Rechtsruck: Er will ein neues Gremium für eine Parteistrukturreform schaffen, das er gemeinsam mit dem neuen Parteichef Tino Chrupalla beantragt hat. Gut möglich, dass Höcke das Gremium leiten will. Zuständig soll es sein für eine bessere Einbindung der Basis, eine einheitlichere Ausrichtung und Disziplinierung des Bundesvorstands sowie Kaderbildung. Über den Höcke-Antrag wird voraussichtlich am Sonntag debattiert.

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