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AfD-KandidatenwahlVerfassungsfeindliche Positionen

Die AfD-Bewerber für das Europaparlament werden vom Verfassungsschutz genau beobachtet. Das Bundesamt erkennt rechtsextremistische Verschwörungstheorien.

Alice Weidel, Bundes- und Fraktionsvorsitzende der AfD, auf der Europawahlversammlung in der Messe Magdeburg Foto: Carsten Koall/dpa

Berlin/Magdeburg dpa/afp | Bei der Europawahlversammlung der AfD in Magdeburg sind nach Einschätzung des Verfassungsschutzes teilweise „rechtsextremistische Verschwörungstheorien“ verbreitet worden. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntagabend: „Zwar sind die komplette Wahlbewerberliste und auch das Wahlprogramm für die Europawahl noch nicht final abgestimmt. Doch bereits jetzt zeigt sich, dass Personen, die in der Vergangenheit mit Positionen aufgefallen sind, die nicht mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sind, der AfD-Delegation im kommenden Europäischen Parlament angehören werden.“

Vertreter des ehemaligen gemäßigteren Lagers hätten bei der Aufstellung an diesem Wochenende so gut wie keine Rolle mehr gespielt. „Vielmehr äußerten diverse Wahlbewerber rechtsextremistische Verschwörungstheorien, wie beispielsweise die vom sogenannten ‚Großen Austausch‘“, sagte Haldenwang. Er fügte hinzu: „Die bisherige Europawahlversammlung der AfD, die wir als Verdachtsfall bearbeiten, belegt einmal mehr unsere Einschätzung, dass innerhalb der Partei starke verfassungsfeindliche Strömungen bestehen, deren Einfluss weiter zunimmt.“

Die AfD hatte am Samstag und Sonntag in Magdeburg ihre ersten 15 Kandidaten für die Europawahl gewählt. Am Sonntagabend wurde die Versammlung unterbrochen, ab Freitag sollen rund 15 weitere Kandidaten gewählt werden.

Das Wahlprogramm soll erst nach der Listenaufstellung beschlossen werden. Möglicherweise könnte es erst bei einer zusätzlichen Versammlung diskutiert werden, die spätestens im Januar stattfinden müsste. Erst dann wird feststehen, ob die AfD diesmal mit der Forderung antritt, die Europäische Union radikal zu reformieren, so dass wieder mehr Entscheidungen national getroffen werden. Es könnte sich aber auch das „Dexit“-Lager durchsetzen, das einen Austritt Deutschlands aus der EU befürwortet. Ein weiterer Streitpunkt dürfte die Haltung zur Nato sein.

Anleihen an Identitäre Bewegung

Irmhild Boßdorf, die am Wochenende auf Rang neun landete, warb in ihrer Bewerbungsrede mit einem Schlagwort der Identitären Bewegung um Stimmen. Sie forderte eine „millionenfache Remigration“ und sagte, eher als den menschengemachten Klimawandel sollten die Deutschen den „menschengemachten Bevölkerungswandel“ fürchten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt die Identitäre Bewegung in seinem aktuellen Bericht im Kapitel zu Rechtsextremismus auf. Das Kölner Verwaltungsgericht hatte 2022 festgestellt, in der „massiven ausländerfeindlichen Agitation“ der Bewegung komme „eine Missachtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte zum Ausdruck. Aussagen wie „Remigration“ oder „Bevölkerungsaustausch stoppen“ seien ausländer- und islamfeindlich.

Andere Listenplätze gingen an AfD-Vertreter, die „Multikulti“ oder eine „Masseneinwanderung“ beklagten. Platz zwei sicherte sich der bayerische Bundestagsabgeordnete Petr Bystron. In seiner Bewerbungsrede sagte er: „Das Schlimmste, die Migrantenquoten, die zwangsweise Zuweisung von Migranten, das ist ein Angriff auf alles, was uns lieb ist, unsere Kultur, unsere Religion, ja, unsere Heimat.“

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD im März 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Diese Einstufung, die den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln erlaubt, hatte das Kölner Verwaltungsgericht im März 2022 bestätigt. Die AfD legte Berufung ein. Das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster ist noch nicht abgeschlossen.

Am Samstag hatten sich Vertreter der deutschen Wirtschaft besorgt über den Höhenflug der AfD in den aktuellen Umfragen geäußert. „Die Partei lehnt vieles ab, was für unsere Wirtschaft wichtig ist, etwa Zuwanderung oder den Euro“, sagte der Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Karl Haeusgen, der Welt. „Das könnte zu einem negativen Standortfaktor werden.“ Zudem leugne die AfD den menschengemachten Klimawandel und seine Folgen.

Der Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sagte dem Münchner Merkur, die AfD entwickle sich zum zusätzlichen Risiko für den Industriestandort. „Als BDI-Präsident sage ich ganz klar: Deutschland lebt von seiner weltweiten Vernetzung. Und jede Politik, die diese Vernetzung reduzieren will, schadet dem Wirtschaftsstandort und damit uns allen.“ Außerdem brauche Deutschland qualifizierte Zuwanderung, allein schon für den Arbeitsmarkt.

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12 Kommentare

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  • Was passiert, wenn Nazis an die Macht kommen?

    Das hat Deutschland immer noch nicht kapiert.

    Deutschland ist sowas von LOST.

  • Ich kann die Menschen schon verstehen die sich über die Parteien aufregen, aber die AFD wird definitiv der absolute Untergang Deutschlands sein. Die haben überhaupt keine Ahnung von Politik, Wirtschaft und Soziales interessiert die AFD überhaupt nicht. Also wenn Ihr den Parteien eins auswischen wollt dann wählt irgendeine Splitterpartei, aber auf keinen Fall die AFD!!

  • ...es ist lösungsorientiertes Denken von uns - und unseren Amateuren in den Altpateien gefordert - sofort & jetzt...



    Der langen Zeit des Staunens und der Empörung über die entartete Politik



    der AfD - sollten Konsequenzen für die Akteure der AfD und deren Unterstützer / Sympathisanten folgen....keine finanzielle Unterstützung mehr für nicht der Demokratie fördernde Projekte der AfD - und so oft wie möglich die Akteure der AfD aus der öffentlichen Politik - zum Rapport zum Kanzler oder seinem Stellvertreter...



    Weggucken & Wegducken is nicht mehr - hier fordern Demokraten dieses Landes



    - sofortiges, verantwortliches handeln auf höchsten Ebenen....

    • @Alex_der_Wunderer:

      Ich hätte so meine Zweifel ob man den radikalen Rechten tatsächlich wirkungsvoll entgegentreten kann indem man ihre Schlagworte und geifernde Rhetorik übernimmt.



      "sofortiges, verantwortliches handeln auf höchsten Ebenen"



      Wir werden das Problem des um sich greifenden Rechtsradikalismus kaum lösen können indem wir es an die höchsten Ebenen delegieren und die Spitzenpolitik zum Handeln auffordern. Bekenntnisse gegen Rechts aus dem Kanzleramt bringen effektiv gar nichts wenn im Alltag, in der Zivilgesellschaft, im Job und im Verein braune Überzeugungen zunehmend normal werden. Antifaschismus bleibt Handarbeit und da ist jede*r einzelne gefragt.

  • Keine Ahnung wieviel Beweise es noch braucht?! Ich finde die AFD gehört jetzt verboten!

  • Sollen Demokraten wirklich warten, bis diese Schergen des Hasses Deutschland eingenommen haben?



    Dann ist es zu spät, denn abwählen lässt sich der Feind im eigenen Lande nicht mehr!

  • Im Grunde meines Herzens und meiner Überzeugung gehört die AFD auf den Müllhaufen der Geschichte, lieber heute als morgen. Es gibt auch keine Zweifel an den verfassungsfeindlichen Zielen dieser Partei. Ob die Argumente pro ein Verbot vor den Gerichten, bzw. dem BVG Bestand hätte, ist aber alles andere als sicher. Die NPD lässt grüssen.



    Auch würde ein Verbot der AFD eher Reaktionen hervorrufen, die keiner wirklich so möchte. Denn dass die Verantwortlichen einfach zur Tagesordnung übergehen würden, sich evtl. anderen Parteien anschließen und sich ansonsten ruhig verhaltend dem Schicksal ergeben, davon ist nicht auszugehen.



    Eher schon würde der Höckeflügel und damit eigentlich die Mehrheit der Partei, zum Widerstand aufrufen, die Mitglieder und Wähler aufwiegeln, für 'Freiheit und Demokratie' auf die Strasse zu gehen und zu kämpfen, notfalls auch mit Waffengewalt. Der 'worst case' wäre ein Bürgerkrieg, den niemand wirklich haben will.



    Also wie jetzt weiter vorgehen, insbesondere von staatlicher Seite. Die AFD weiterhin intensiv beobachten und bei Verstössen: ja was eigentlich tun?



    Der liberale Teil der Gesellschaft, immer noch die Mehrheiht, könnte täglich und überall gegen rechtsextreme Aussagen und Provokationen auf die Strasse gehen. Da schrumpft die Mehrheit aber wieder schnell.



    Also was tun?

    • @Klaus Waldhans:

      "Die NPD lässt grüssen."



      Das NPD-Verbot scheiterte doch im Wesentlichen daran, dass sie das Gericht für zu unbedeutend hielt um eine reale Gefahr darzustellen. Genau dieser Punkt ist bei der AfD aber inzwischen eben anders gelagert.



      "Auch würde ein Verbot der AFD eher Reaktionen hervorrufen, die keiner wirklich so möchte."



      Und das bedeutet nun, dass man aus Angst davor, dass sich einige dieser braunen Gestalten noch weiter radikalisieren und in den Untergrund gehen könnten ihnen den Weg ebnet die Demokratie mit 'demokratischen' Mitteln abschaffen zu können? Zumal die legale Betätigungsmöglichkeit in einer rechtsradikalen Partei ja auch bislang nicht geeignet war Rechtsterroristen von ihren Ambitionen abzuhalten.



      "Also was tun?"



      Demokratie hat dann eine Chance wenn Demokrat*innen bereit sind sie zu verteidigen und für ihre Werte auch einzutreten. Im besseren Fall gelingt das mit zivilgesellschaftlichen Mitteln, wenn diese versagen wird man sich der Frage stellen müssen ob man diese Auseinandersetzung entweder mit weniger zivilen Mitteln führt oder dem braunen Pack Staat und Gesellschaft mit allen Konsequenzen überlässt. Für jemanden mit auch nur einem Funken Anstand und Geschichtsbewusstsein sollte letzteres eigentlich keine ernsthaft denkbare Option sein.

      • @Ingo Bernable:

        ...Zivilcourage ist doch am schnellsten umzusetzen - wir z. B. machen keine Geschäfte mehr mit AfD Sympathisanten - seit dem sich das in unsere Stadt und im Umland herumgesprochen hat, haben wir doppelt soviele Neukunden dazugekommen...geht ganz einfach und ist auch Wirkungsvoll....



        Wir leben allerdings auch im Westen ..

    • @Klaus Waldhans:

      Ein AfD-Verbot hat einen ganz entscheidenden Vorteil:

      Entfernung der Parteimitglieder aus Verwaltung, Justiz, Polizei, Militär und Schuldienst.



      Mit anderen Worten: aus all den Positionen, über die die Hauptarbeit in Sachen Rekrutierung, Indoktronation, sowie Geld- und Waffenbeschaffung läuft.

    • @Klaus Waldhans:

      ...Berlin muss tätig werden - ohne Frage - wie ...mein Beitrag oben.



      Ich habe ja den unguten Verdacht, man will unser Deutschland spalten...von außen- wer hat daran Interesse - ich weis es nicht...es liegt irgendwie auf der Hand...

      • @Alex_der_Wunderer:

        Wieso von außen? Die meisten gezielten Spaltungen einer Gesellschaft, um daraus einen politischen Vorteil zu erlangen, erfolgen von innen. Von denen, die mit Demokratie nicht klarkommen, und sich für etwas Besseres halten.

        War ja bei der NSDAP nicht anders. Wer hat die finanziert? Irgendjemand aus dem Ausland? Nö, die Eliten der Kaiserzeit waren das.