AfD-Bürgerschaftsfraktion in Hamburg: So gar nicht bieder und hanseatisch
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Geschäftsführer der AfD-Fraktion in Hamburg. Tondokumente offenbaren die Radikalität der Fraktion.
Häufiger schon musste die Staatsanwaltschaft Anzeigen nachgehen, die den Fraktionsgeschäftsführer betreffen. „Ich kann bestätigen, dass bei der Staatsanwaltschaft eine anonyme Anzeige gegen Herrn Prenzler erstattet wurde“, sagte die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft, Liddy Oechtering, der taz. Zu den konkreten Vorhaltungen darf Oechtering nichts sagen. Denn „der Sachverhalt wird nunmehr geprüft“.
An der Elbe ist Prenzler in der AfD einer von denen, die im Hintergrund der Fraktion um Dirk Nockemann und Alexander Wolf die Politik der Landes-AfD gestalten. Er ist auch Vertretungsberechtigter der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung Hamburg, die staatliche Mittel anstrebt. Es sind wichtige Funktionen im Parteigefüge, die Prenzler nicht nur Freunde in der Partei bescheren.
Im Januar vergangenen Jahres hatte die AfD-Bürgerschaftsabgeordnete Olga Petersen Anzeigen gegen ihren Geschäftsführer erstattet wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung und auch wegen des Verdachts auf Missbrauch des akademischen Grades Magister Artium.
Entlarvende Zustände
In einem anonymen Schreiben an die taz und andere Redaktionen behaupteten die Verfasser*innen damals zudem, dass „Urkundenfälschung und Betrug in mehreren Fällen“ im Raum stünden. Es gehe um „hohe Summen“ sowie um das „Fälschen von Arbeitsverträgen“. Einzelne AfD-Mandatsträger*innen sollen von den Straftaten gewusst haben, Prenzler aber schützen.
In einem Schreiben mit dem Vermerk „Persönlich/Vertraulich“ von Wolf an Prenzler, dass nun der taz vorliegt, werden Fragen zu dessen Arbeitsvertrag gestellt. Wolf wollte bereits 2020 wissen, warum der Vertrag lange Zeit nicht auffindbar gewesen war, und bat um Vorlage der Magister-Urkunde.
Für eine Law-and-Order-Partei, die für Sauberkeit und Ordnung steht, sind das entlarvende Zustände und Verhältnisse. Bilder und Tondokumente, die der taz jetzt mit zugespielt wurden, offenbaren den Zustand der Fraktion und der Mitarbeitenden.
In einem Tondokument weist Nockemann die Vorwürfe von Petersen deutlich von sich. Und der AfD-Bürgerschaftsabgeordnete und freigestellte Offizier der Bundeswehr, Marco Schulz, erklärt, dass die Reihen fest geschlossen werden müssten. In seiner Logik sei ein Vorwurf geklärt, wenn die Offiziere – als solche sieht er die Abgeordneten – entschieden hätten.
Die Untergebenen müssten nicht in die Details eingeweiht werden, wüssten aber Bescheid, ob die Vorwürfe zutreffend seien oder nicht, wenn „der Betroffene“ noch da sei oder nicht – „ganz einfach“. Heißt also: Da Prenzler noch da sei, könnten die Vorhaltungen nicht zutreffend sein.
Über den Gegenprotest der „Omas gegen rechts“ äußeren sich Fraktionsangehörige in einer weiteren Tonaufnahme. Die „Omas“ seien nett, wird darin gesagt, und dann empfohlen, einige „Problem-Nafris“ auf die „Omas“ loszulassen und mal zu gucken, was sie danach für eine Meinung hätten.
Das Kürzel „Nafri“ verwendete die Polizei Nordrhein-Westfallen nach den sexuellen Übergriffen in Köln in der Silvesternacht 2015 für „Nordafrikanische Intensivtäter“. Unter Kichern wird in der Tonaufnahme darüber nachgedacht, die „Omas“ zu „Ficki-Ficki-Seminaren“ mit „Nafris“ zu verpflichten.
Dass nicht jede Aussage und Wortwahl der AfD auch öffentlich fallen soll, belegen andere Tondokumente. In einer größeren Runde legt eine Person dar, dass eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz (VS) der „Worst Case“ sei. Die Fraktion könne bis 2025 noch bestehen, die Partei werde aber großen Schaden nehmen. Die anderen Parteien hätten sich den VS – der auch als „Schmutz“ bezeichnet wird – zur Beute gemacht und setzten ihn gegen die AfD ein.
Eine andere Person wirft ein, dass einige von ihnen selbst die Partei in diese Sackgasse geführt hätten. Gemeinsam überlegen die Sprecher*innen, wer aus der Partei herausmüsse, um eine Beobachtung abzuwenden, eine Liste mit Namen gebe es aber nicht.
Wolf zeigt ein taktisches Verhältnis zum Verfassungsschutz, es sei ein „Thema von klug und dämlich“. Wolf sagt, dass man so gut wie alles so sagen könne, dass der VS es nicht in seine Akten aufnehme, ein Sprechen mit Übertreibungen und Pauschalisierungen jedoch führe zu einem Vermerk in den Akten. Wenn eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz komme, versichert Wolf, werde er nicht austreten. Dann heiße es „kämpfen“. Eine andere Person sagt lapidar, dass die Partei dann eben eine „rechtsextreme Partei“ sei.
Verdacht erhärtet
Die zugespielten Unterlagen legen nahe, dass die aktuell erstattete Anzeige die bereits erwähnten alten Vorhaltungen gegen Prenzler betrifft. Das Verfahren wurde damals eingestellt, da der ehemalige AfD-Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende Jörn Kruse angab, den Arbeitsvertrag unterzeichnet zu haben. Nach einem Schriftgutachten soll die Unterzeichnung mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ aber nicht echt sein.
Eine E-Mail von Prenzler an den Direktor der Bürgerschaftskanzlei könnte diesen Verdacht weiter erhärten. Darin schreibt er 2017 dass er sich „endlich einmal vertraglich mit der AfD-Fraktion binden“ wolle. Der vermeintliche Vertrag ist aber auf den 10. 10. 2016 datiert und unterschrieben worden.
Glaubt man Gerüchten, bemüht sich Prenzler gerade bei der AfD Niedersachsen um eine Mitarbeit in der möglichen Fraktion nach der Landtagswahl.
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