AfD Bremen verklagt sich selbst: Führerprinzip greift noch nicht
In Ungnade gefallene Mitglieder der AfD klagen gegen den Landesvorstand um Frank Magnitz. Dabei treten Demokratiedefizite offen zutage.
![Eine Hand greift in Richtung Kameralinse, respektive Betrachter*in Eine Hand greift in Richtung Kameralinse, respektive Betrachter*in](https://taz.de/picture/3021169/14/magnitz-by-heidelberger-afd-parteitag-hb.jpeg)
Am Montag und am Dienstag ging es um wahrscheinlich rechtswidrige Parteiausschlussverfahren, am Donnerstag (9:15 Uhr, Saal 117) klagt die AfD auf Unterlassung einer Äußerung eines unliebsamen Mitglieds, das gesagt hatte, dass die Partei mit Personen zusammenarbeite, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Am Dienstagnachmittag, als es um zwei Parteiauschlussverfahren geht, stehen einige Herren mit überwiegend schütterem weißen Haar vor dem Gerichtssaal 115. In kleinen Grüppchen warten sie auf Einlass in den Gerichtssaal. Fast alle bekannten Gesichter der AfD Bremen sind da: Frank Magnitz, der im Bundestag sitzt und Landesvorstand ist, sein Stellvertreter Thomas Jürgewitz, aber auch Gerald Höns warten auf Einlass.
Auf der Gegenseite: der aufmüpfige Kreisverband Mitte-West, der mitten im Bundestagswahlkampf 2017 die Fahnen gestrichen hat, weil ihnen die AfD mittlerweile zu weit rechtsaußen gewesen war und der Bürgerschaftsabgeordnete Alexander Tassis zudem der rechtsextremen Identitären Bewegung zu nahe stehe. In Folge klagten mehrere Mitglieder gegen ihren Landesvorstand und dessen Beschluss, sie auszuschließen und ihrer Ämter zu entheben. Ihre Namen: Peter Scharlau und Heinrich Rauch.
In einem weiteren Verfahren wiederum klagt die AfD auf Unterlassung gegen den inzwischen ausgetretenen Frank Regener, der unter anderem gesagt hatte, dass er es als unerträglich empfinde, “dass sich der Landesvorstand mit Gruppierungen gemein macht, die vom Verfassungsschutz als demokratiefeindlich eingestuft werden.“
Gegenseite nicht gehört
Richtig lange dauert die Güteverhandlung bezüglich der Ausschlussverfahren an diesem Dienstag nicht: Die Rechtslage ist einigermaßen eindeutig, wie das Gericht vor allem dem AfD-Landesvorstand klarmachen muss. Man müsse sich bei Parteiordnungs- oder Ausschlussverfahren an gewisse Formalia halten und auch die Gegenseite anhören. Das aber habe der Landesvorstand einfach ignoriert. Das Gericht attestiert der Klage gute Erfolgsaussichten.
Der vorsitzende Richter Andreas Helberg wies darauf hin, dass das Rechtsverständnis des AfD-Landesvorsitzenden Frank Magnitz nicht „dem guten deutschen Grundsatz des rechtlichen Gehörs“ entspreche. In dem umstrittenen Beschluss, aus dem der Richter zitiert, wurde die AfD-Parteiführung überaus deutlich: Der Ausschluss sei beschlossen, mit sofortiger Wirkung dürfe keiner der Betroffenen Mitgliedsrechte ausüben oder an Parteitagen teilnehmen.
Scharlau und Rauch legten Widerspruch ein und beantragten für den Parteitag im Dezember 2017 erfolgreich eine einstweilige Verfügung, weil sie ihren sofortigen Ausschluss für rechtswidrig hielten. Das sah auch das damals zuständige Gericht so, die unliebsamen Mitglieder durften teilnehmen.
Auch bei der heutigen Güteverhandlung wird klar: Schon über grundlegende Formalia hat sich die AfD-Führung hinweggesetzt: Sie hätte die ausgeschlossenen Mitglieder informieren, Ordnungsmaßnahmen schriftlich begründen, sich zudem zu dem Widerspruch verhalten müssen – all dies aber taten Magnitz und Kameraden nicht.
Urteil fällt wohl zu Ungunsten der Parteiführung aus
Die Prozessstrategie des Landesvorstands wirkt konfus bis unverständlich. Eine gute dreiviertel Stunde erklärte der vorsitzende Richter dem Landesvorstand, wie der deutsche Rechtsstaat funktioniert. Den Großteil davon nahmen die Beklagten schweigend zur Kenntnis.
Erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung hat sich der Landesvorstand gegenüber dem Gericht geäußert. Man sei sich bewusst, dass die Ordnungsmaßnahmen nicht standhalten würden. Deswegen habe man die betroffenen Mitglieder ja auch per Rundschreiben zum Parteitag im Dezember eingeladen. Warum er dann nicht die Ordnungsmaßnahmen widerrufen habe, die Frage des Gerichts kann Magnitz nicht beantworten. Wie aus Trotz besteht er am Ende der Verhandlung darauf, ein schriftliches Urteil zu bekommen – obwohl die drei Richter mehrfach klar durchscheinen lassen, dass dieses wohl nur zu Ungunsten der Parteiführung ausfallen könne.
Einer der Kläger, Peter Scharlau, gibt sich nach der gescheiterten Güteverhandlung zuversichtlich. Man könne den Rechtsaußen in der AfD nicht einfach so kampflos das Feld überlassen, sagt er. Warum er noch etwas mit der Partei zu tun haben wolle? „Ich will mich einklagen, weil ich Kassenwart war. Ich will in meine Funktion zurückkommen und sehen, wofür die Rechtsaußen Geld ausgegeben haben.“ Alles Weitere werde man dann sehen.
*In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass Frank Regener ebenfalls gegen sein Ausschlussverfahren klagt. Er streitet sich mit der AfD vor Gericht allerdings wegen einer von ihm getätigten Äußerung. Das wurde in dem Artikel berichtigt und ergänzt. Gegenüber der taz sagte Frank Regener, er hätte nicht gegen seinen Parteiausschluss geklagt, weil er nicht weiter Mitglieder dieser Partei sein wolle.
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