AfD Berlin mit Regierungsverantwortung: Die mit der AfD tanzen

In Spandau lässt die CDU ein Bündnis mit der SPD platzen – profitieren könnte die AfD. In sieben Bezirken erhält die Partei zudem Ämter.

AfD-Wahlplakate vor Plattenbau

Qualität oder nicht – das wird sich bald herausstellen Foto: dpa

BERLIN taz | Lässt sich ein CDU-Kandidat mit den Stimmen der rechtspopulistischen AfD zum Bezirksbürgermeister wählen? Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen SPD und CDU in Berlin-Spandau glaubt der Chef der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Raed Saleh, der hier seinen Wahlkreis hat: Ja.

Zwar hatte Kai Wegner, CDU-Generalsekretär und Kreischef in Spandau, am Wahlabend gesagt, seine Partei werde nicht mit der AfD zusammenarbeiten. Nun aber befürchtet Saleh eine 180-Grad-Wende: „Die CDU hat es von Anfang an auf das Scheitern der Verhandlungen mit der SPD angelegt.“ Um das Amt zu bekommen, könnte der CDU-Mann Gerhard Hanke darauf bauen, dass ihn die AfD in geheimer Wahl mitwählt – und dann die Verantwortung von sich schieben, fürchtet Saleh.

Die AfD ist in alle zwölf Bezirksverordnetenversammlungen eingezogen. In sieben Bezirksämtern wird sie Regierungsverantwortung übernehmen und jeweils einen von fünf Stadtratsposten stellen. IN Spandau etwa steht der Offizier und ehemalige CSU-Angehörige Andreas Otti für die Partei bereit.

Neu aber wäre es, wenn die AfD nicht nur Stadträte stellt, sondern auch Bündnisse mit der CDU schmieden würde. Hintergrund des Spandauer Gerangels ist das Ende des bisherigen Bündnisses: Rot-Grün fehlt eine Stimme zur Mehrheit. Daraufhin begannen die Gespräche zwischen SPD und CDU. „Wir waren sogar bereit, einen CDU Kandidaten für das Amt des Bezirksvorstehers mitzuwählen“, betont Saleh. Dass die CDU die Gespräche platzen ließ, habe ihn enttäuscht.

Fraglich ist, ob nach mehreren erfolglosen Wahlgängen des SPD-kandidaten Kleebanks die CDU das Vorschlagsrecht bekäme – dann aber bräuchten die Christdemokraten für ihren Kandidaten auch die Stimmen von AfD und FDP. Die Wahl des Spandauer Bezirksamts am 30. November könnte so zu einem stadtweiten Novum werden.

Rand-Ressorts für die AfD

In einigen Bezirken werden die Bürgermeister und Stadträte bereits am Donnerstag gewählt. Dabei zeichnet sich ab, dass die AfD in den Bezirksämtern besonders unbeliebte Ressorts sowie solche mit möglichst wenig Bürgerkontakt bekommen soll.

In Neukölln etwa hat die Zählgemeinschaft aus SPD und Grünen beschlossen, der AfD das Umwelt- und Naturschutzamt zu übertragen. Wer das Amt übernehmen soll, ist noch immer nicht bestätigt, Gerüchten zufolge könnte es der Fremdsprachenkorrespondent Roland Babilon werden. Der Neuköllner AfD-Spitzenkandidat Jörg Kapitän hatte vor der Wahl freimütig erklärt, er habe „gar keine Vorstellung, was so ein Stadtrat macht“.

In Pankow wollen Linke, SPD und Grüne der AfD das Ordnungsamt sowie den Umwelt- und Naturschutz überlassen. Die AfD hatte ihren Kandidaten, den Unternehmensberater Nicolas Seifert, erst am Montagabend bekannt gegeben. Die Grünen-Fraktionschefin Daniela Billig sagte der taz: „Wir können niemanden wählen, den wir überhaupt nicht kennen.“ Das Verhalten der AfD nennt sie „ausgesprochen unkollegial und überheblich“. Auch der designierte Pankower Bürgermeister Sören Benn (Linke) kündigte an, den AfDler unter diesen Umständen nicht wählen zu können.

Der Stadtratskandidat der AfD in Lichtenberg, den die Partei erst am Mittwoch benannte, heißt Wolfgang Hebold. Gegen ihn wird derzeit wegen des Verdachts auf Volksverhetzung ermittelt. In seinem Blog hatte er sich fremdenfeindlich geäußert und in seiner Funktion als Lehrbeauftragter an drei Berliner Hochschulen soll er seinen Studierenden tendenziöse Fragen mit islamfeindlichem Hintergrund gestellt haben. Im Frühjahr verlor Hebold daraufhin seine Lehraufträge. Welches Ressort er übernehmen wird, steht noch nicht fest, Lichtenberg will seine Stadträte erst am 17. November wählen.

In Reinickendorf will Sebastian Maack Stadtrat für die AfD werden. Der 47-jährige IT-Berater war mehr als drei Jahrzehnte lang Mitglied der CDU. Die regierenden Christdemokraten im Bezirk haben sich mit der SPD darauf geeinigt, ihm die Bürgerdienste und das Ordnungsamt zu überlassen, trotz „großer Bauchschmerzen“, wie SPD-Fraktionsvorsitzender Thorsten Koch der taz sagte.

Gegen den Einzug der AfD in die BVVen wird zeitgleich vor mehreren Rathäusern und Bezirksämtern protestiert. Die Termine im Überblick:

Pankow: 16.30 Uhr, Fröbel­straße 17

Mitte: 17 Uhr, Karl-Marx-Allee 31

Lichtenberg: 16 Uhr, Schottstraße 6

Spandau: 16 Uhr, Carl-Schurz-Straße 2

Charlottenburg-Wilmersdorf: 16 Uhr, Otto-Suhr-Allee 100

Neukölln: 16.30 Uhr, Karl-Marx-Straße 83

Friedrichshain-Kreuzberg: 16.30 Uhr, Yorckstraße 4 (mgu)

In Marzahn-Hellersdorf wird der AfD-Stadtrat gleichzeitig auch stellvertretender Bezirksbürgermeister. Benannt hat die Partei Thomas Braun. Laut Parteiangaben war er einst für das Leipziger Jugendamt tätig und habe auch ein Berliner Sozialamt geleitet. Welches, verriet die Partei nicht. Nach dem Willen der Zählgemeinschaft aus Linken, SPD und Grünen erhält Braun die Zuständigkeit für die Bürgerämter. Gewählt wird hier erst am 10. November. Dass die linken Fraktionen Braun direkt wählen, gilt als unwahrscheinlich. Diskutiert werden Möglichkeiten der Nichtteilnahme oder Enthaltung.

Auch in Treptow-Köpenick geht ein politischer Neuling für die AfD ins Rennen. Stadtrat soll der 49-jährige Bernd Geschanowski werden. Naturschutz ist eines meiner Lieblingsthemen“, sagt der Kandidat, „ich habe ein grünes Herz.“ Gut für Geschanowski, dass Gesundheit und Umwelt die kleinsten Ressorts im Bezirk sind – er wird sie übernehmen dürfen.

Rechte Verstrickungen

Währenddessen gelangen immer mehr Informationen an die Öffentlichkeit, die die Rechtsoffenheit des AfD-Personals auch in den Bezirken belegen. Die Einstellungen des künftigen Lichtenberger Stadtrats etwa haben sich seit seinem Uni-Rausschmiss im Frühling offenbar kaum geändert: So hetzt er in einem Eintrag vom Dienstag dieser Woche gegen Flüchtlinge mit der Behauptung, diese könnten den öffentlichen Nahverkehr „nach Lust und Laune“ ohne Ticket benutzen, in einem anderen Eintrag behauptet er, der einzige Weg gegen abgelehnte Asylbewerber sei „der gewaltsame.“

In Pankow zieht mit Thomas Weisbrich ein rechter Liedermacher in die BVV ein, der noch bei den Wahlen 2006 für die Republikaner antrat. Laut Recherchen der Gruppe Antifa Nordost ist Weisbrich „seit fast zwei Jahrzehnten in der extremen Rechten aktiv. In Marzahn-Hellersdorf pflegen Medienberichten zufolge mehrere Fraktionsmitglieder Kontakte zur NPD oder der Identitären Bewegung.

In Neukölln gibt es nach Angaben des Antifaschistischen Recherchekollektivs mehrere Verbindungen ins Spektrum rechtsextremer Hooligans. „Die Recherche hat gezeigt, dass man auch bei einem vermeintlich unauffälligeren Bezirksverband der AfD wie dem Neuköllner nach kurzem Wühlen die Verbindungen in die Nazi-Szene offensichtlich werden“, sagt Liane Wilz, Sprecherin des Recherchekollektivs.

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