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Äußerungen über GasprioritätenHabecks Kommunikations-Fauxpas

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Laut Robert Habeck könnte die Bevorzugung von Privathaushalten kippen. Debattenanstöße können klug sein – in diesen Zeiten funktionieren sie nicht.

Der Wirtschaftsminister am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien Foto: Leonhard Foeger/reuters

D as gibt es auch nicht alle Tage: einen Kommunikationsfehler von Robert Habeck. Eigentlich punktet der Vizekanzler momentan als rhetorische Ausnahmefigur; als Politiker, der erklärt, mitnimmt, öffentlich abwägt und damit Vertrauen aufbaut. Insofern hatten seine Auftritte der vergangenen Tage Seltenheitswert: Erst im Deutschlandfunk und dann noch während einer Pressekonferenz in Wien regte er Änderungen an der geltenden Gesetzeslage an, derzufolge bei Gasknappheit erst die Industrie verzichten muss, während Krankenhäuser, Kindergärten und Wohnungen besonders geschützt sind. „Niemand sollte frieren“, sagte Habeck zwar auch noch.

Welche Regeländerungen ihm genau vorschweben, führte er aber nicht aus.

Solche Vorstöße ins Ungefähre können sinnvoll sein, um Debatten in Gang zu bringen. Die Leerstelle bietet dann Raum für krea­ti­ve Gedanken. In so existenziellen Fragen wie der nach der Gasversorgung im Winter funktioniert das aber nicht; der leere Raum füllt sich dann eher mit Horrorszenarien. Im konkreten Fall mit der Sorge, in einem halben Jahr eben doch zu Hause zu bibbern, damit sich gasintensive Unternehmen nicht einschränken müssen.

Der Boden ist im Moment ja auch fruchtbar für solche Befürchtungen. Erstens besteht die reale Gefahr der Energieknappheit. Zweitens führten die verständlichen und sinnvollen Bemühungen zur Prävention nun ohnehin zum Denken in Worst-Case-Szenarien: Obwohl das Gas aus Russland nach den Wartungsarbeiten an der Nord-Stream-Pipeline wieder fließen könnte, ist die Vorstellung eines dauerhaften Lieferstopps derzeit dominant. Drittens ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse und der Erfahrungen der vergangenen Wochen eine Politik zulasten von Konzernen (Stichwort Übergewinnsteuer!) kaum vorstellbar.

Da hilft es dann auch nicht viel, dass Habecks Ministerium bemüht war, die Äußerungen schnell wieder einzufangen: Der Chef wolle ja niemandem das Gas abdrehen. Es gehe nur darum, dass auch Privatleute und Krankenhäuser die Energie nicht zum Fenster rausheizen sollten. Da gibt es tatsächlich noch Spielraum, die gesetzlichen Mindesttemperaturen für Wohnraum, die derzeit bei 20 bis 22 Grad liegen, könnten zum Beispiel um 2 Grad abgesenkt werden.

Solche nachträglichen Richtigstellungen dringen erfahrungsgemäß aber viel seltener durch als die ersten Schlagzeilen. Das hat zum einen mit der Funktionslogik der Medien zu tun. Zum anderen gibt es in politischen Debatten ohnehin den Hang dazu, das Gegenüber mit Freude misszuverstehen.

Wer in Beliebtheitsranglisten oben steht, hat es da besonders schwer: Für Konkurrenten wird Habeck zur Gefahr. Wohlwollen hat er von ihnen nicht zu erwarten.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.