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Ärztliche Versorgung von GeflüchtetenDarf’s ein bisschen weniger sein?

Die Hamburger Innenbehörde will bei der ärztlichen Versorgung von Geflüchteten Kosten sparen. Kritiker halten dagegen Investitionen für notwendig.

Gesundheitscheck für Geflüchtete im Schnellverfahren: Ankunftszentrum Rahlstedt Foto: Markus Scholz/dpa

Hamburg taz | Maximal 20 Minuten soll die Erstuntersuchung im Ankunftszentrum Rahlstedt dauern. In dieser Zeit müssen die Geflüchteten auf ansteckende und chronische Krankheiten sowie Vorerkrankungen untersucht werden. Ausstehende Impfungen müssen durchgeführt, Röntgenaufnahmen gesichtet und ein Bericht geschrieben werden. „Diese Zeit reicht vorne und hinten nicht, um die Menschen richtig zu untersuchen“, sagt Franz Forsmann vom Flüchtlingsrat Hamburg. Vieles bleibe einfach unentdeckt.

Dass in diesen Schnellverfahren psychische Belastungen und Traumata festgestellt werden, ist äußerst unwahrscheinlich. Dabei sind diese ausschlaggebend für das anstehende Asylverfahren. Laut der EU-Richtlinie 2013/32/EU haben psychisch kranke oder traumatisierte Personen Anspruch auf eine besondere Unterstützung, damit alle diese Aspekte im Asylverfahren berücksichtigt werden können.„Hier werden EU-Richtlinien unterlaufen“, sagt Forsmann.

Das sieht auch Ingrid Andresen-Dannhauer so. Sie ist Ärztin für Psychotherapeutische Medizin und engagiert sich im Arbeitskreis „Flucht und Bleiben“ des Bündnisses Hamburger Flüchtlingsinitiativen (BHFI). „Die Erstuntersuchung ist eine Seuchenabwehr für die heimische Bevölkerung, dient also der Diagnose körperlich erkennbarer Krankheiten“, sagt sie. In diesem Rahmen finde kein Screening auf traumatische Belastungen statt. „Und es soll auch nichts gefunden werden“ ist Andresen-Dannhauers Eindruck.

„Die Leute werden durch die Asylverfahren durchgepeitscht“, kritisiert Forsmann. Schon nach wenigen Tagen finden die Anhörungen statt, die über die Zukunft der Menschen entscheiden. „Und das alles, um Kosten zu sparen“, sagt Forsmann.

Offenbar sieht die Innenbehörde auch bei der Gesundheitsversorgung der Geflüchteten Sparpotenzial. Denn an einem Kostenstreit scheiterte aktuell die Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Altona, das seit 2015 die hausärztliche Versorgung in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Stadt gewährleistet und seit 2018 die Erst­untersuchung in der Zentralen Erstaufnahme durchführt.

Monatelang hätten die „außerordentlich zähen“ Verhandlungen gedauert, sagt Imogen Buchholz, Dezernentin für Soziales-, Jugend und Gesundheit im Bezirksamt Altona. Es ging dabei um administrative Kosten. „Und wenn man dachte, jetzt haben wir uns doch geeinigt, kamen wieder Nachfragen seitens der Innenbehörde“, sagt Buchholz. Dass zwei Behörden über Kostenfragen verhandeln, sei normal, das allerdings nicht: „So etwas habe ich in den 28 Jahren, in denen ich in dieser Stadt beschäftigt bin, noch nicht erlebt.“

Aus der Innenbehörde heißt es, die zusätzlichen allgemeinen Stellenforderungen und begleitende Gemeinkosten seien nicht nachvollziehbar gewesen.

Bis zum 30. Juni läuft der Vertrag noch. Eine Ausschreibung läuft. Carola Ensslen, Fachsprecherin für Flucht und Migration bei der Linken, betrachtet die Entwicklung mit Skepsis. Eine Ausschreibung bedeute immer Preiskampf und der Schritt Richtung Privatisierung sei damit gemacht. Ensslen befürchtet, „dass die Innenbehörde sich aus dem Angebot der allgemeinmedizinischen Versorgung herausschleichen will“.

Dem widerspricht die Innenbehörde: „Eine Einschränkung der bisher angebotenen medizinischen Leistung gibt es nicht.“ Carola Ensslen bleibt skeptisch: „Wenn die Zusammenarbeit doch so gut war, wie die Innenbehörde behauptete, frage ich mich, wieso gerade jetzt in Coronazeiten diese nicht fortgeführt wird.“

Bliebe die Frage, wie hoch eine Kosteneinsparung für die Innenbehörde sein kann, wenn man den Aufwand mit Ausschreibungen und Vertragsverhandlungen hinzurechnet. Über Kosten könne man in einem laufenden Ausschreibungsverfahren, das bis zum 8. Juni geht, keine Auskunft geben, heißt es dazu aus der Behörde.

Über die Motivation der Innenbehörde will Dezernentin Buchholz nicht spekulieren. Es könne sein, dass eine niedergelassene Arztpraxis die Leistungen günstiger anbieten könne, da diese anders abrechne als eine Behörde, die weniger flexibel ist. Dies aber gegeneinander aufzurechnen, sei ein Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen. „Wir haben ein hoch motiviertes, gut eingearbeitetes Team zusammen und hätten sehr gerne weitergemacht“, sagt sie.

Statt auf die Kostenbremse zu treten, müsse die Stadt Geld in die Hand nehmen, findet Franz Forsmann. Es müsse ein Sozialmanagement im Ankunftszen­trum und den Erstaufnahmeeinrichtungen aufgebaut werden. Dazu brauche es Sozialpädagogen und Fachkräfte für die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung der Geflüchteten. Zudem müsse den Menschen Zeit gegeben werden, um anzukommen. „Das kostet natürlich alles Geld und die Stadt ist nicht bereit, das auszugeben“, sagt Forsmann.

Auch Ingrid Andresen-Dannhauer ist pessimistisch. Für das BHFI versuche sie seit 2017 mit der Innenbehörde zu verhandeln. „Ich habe keine Hoffnung mehr, dass da von der Innenbehörde noch etwas kommt; das Problem wird einfach ausgesessen“, befürchtet sie.

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