Änderungen der Agenda 2010: Q wie Qualifizierung
Die SPD beschließt die Forderung nach Verbesserungen beim Arbeitslosengeld I. Weiterbildungen sollen früher und länger möglich sein.
Ein Kernpunkt der SPD ist das Arbeitslosengeld Q. Arbeitslose, die sich weiterbilden, sollen künftig nicht weniger Anspruch auf den Bezug von Arbeitslosengeld haben. Derzeit gilt: Wer ein halbes Jahr eine Weiterbildung macht, bekommt drei Monate weniger Arbeitslosengeld, was in der Regel 60 Prozent des letzten Nettoverdienstes sind. Nach dem SPD-Vorschlag soll es künftig möglich sein, dass Ältere in Extremfällen bis zu vier Jahre Arbeitslosengeld beziehen – erst zwei Jahre ALG Q, dann ALG 1.
Die Union lehnt Nahles’ Arbeitslosengeld Q schroff ab. Der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs sprach von einem „gigantischen Frühverrentungsprogramm, das sehr teuer“ werde. Die Arbeitgeberverbände klingen ähnlich. Eine Befürchtung lautet: Weil Ältere bis zu vier Jahre Arbeitslosengeld beziehen könnten – zwei Jahre Arbeitslosengeld Q, dann Arbeitlosengeld I –, könnte es Firmen leicht gemacht werden, ältere Arbeitnehmer vor die Tür zu setzen. Nahles kündigt indes an: „Wir wollen damit keine Brücke in die Rente bauen“. Die Kritik sei „Gerede aus den 90er Jahren“. Damals habe Massenarbeitslosigkeit geherrscht, heute habe man Facharbeitermangel. Deshalb brauchen, so Nahles, „auch 60-Jährige Qualifizierung“.
Dass ausgerechnet die Arbeitgeber, die die Rente mit 67 am liebsten noch ausweiten würden, sich gegen die Weiterbildung von Älteren sperren, sei inkonsequent: „Man kann doch von den Leuten nicht verlangen, dass sie länger arbeiten, aber ihnen die Qualifizierung bei Arbeitslosigkeit verwehren.“ Auch Zweifeln an der Praxistauglichkeit widersprach Nahles. Die Idee, dass über 60-Jährige, falls die SPD ihre Pläne umsetzen kann, „eine grundsätzliche Umschulung“ bekämen, sei unrealistisch. Die Kosten für das Arbeitslosengeld Q beziffert Nahles auf 600 Million Euro im Jahr. Das sei aber nur eine „grobe Schätzung“.
SPD im Offensivmodus
Zudem will die SPD die Hürde für Arbeitslosengeld senken. Wer in den letzten drei Jahren 10 Monate beschäftigt war, soll Arbeitslosengeld bekommen – derzeit muss man dafür in den letzten zwei Jahren ein Jahr gearbeitet haben. Geschätzte Kosten: 400 Millionen Euro. Laut SPD-Kalkulation würden von dieser Neureglung etwa 100.000 Arbeitslose profitieren. Diese Lockerung soll, so die Begründung, besonders Arbeiternehmern in Kultur- und Medienberufen helfen und die „Übergänge zwischen Erwerbstätigkeit und Phasen der Arbeitslosigkeit“ abfedern. Das sei nötig, weil es in der digitalen Ökonomie immer mehr flexible Beschäftigungsverhältnisse gebe.
Drittens strebt die SPD ein Recht auf Weiterbildung nach dreimonatiger Arbeitslosigkeit an. Bisher kann die Bundesagentur Arbeitslosen Qualifizierungsmaßnahmen anbieten, laut SPD-Plänen wäre sie in der Zukunft dazu verpflichtet. Außerdem soll das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger auf bis zu 18.000 Euro steigen.
Die SPD ist, seit der Nominierung von Martin Schulz, im Offensivmodus. So versucht sie die Union bei der Begrenzung der Managergehälter und der Ehe für alle, der völligen Gleichstellung homosexueller Paare, vor sich herzutreiben. Mit Erfolg. Denn bei beiden Themen ist die Union selbst zerstritten. Beim „Arbeitslosengeld Q“ sieht das anders aus. Die Union lehnt Nahles’ Konzept unisono ab, wenn auch mit verschiedenen Begründungen. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt warf der SPD vor, die Bundesrepublik „zum kranken Mann Europas zu machen“. Pragmatischer klingt die Kritik von Peter Weiß, Chef der Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion. Schon derzeit würden die Fördermittel der Bundesagentur für Arbeit zu wenig abgerufen – will sagen: Für mehr Weiterbildung gebe es gar keine Nachfrage.
Differenzierte Kritik kommt von den Grünen. Brigitte Pothmer, Arbeitsmarktexpertin der grünen Bundestagsfraktion, hält es für „richtig, mehr als bisher in Arbeitslose und ihre Qualifikationen zu investieren“. Allerdings würde davon nur eine Minderheit der Arbeitslosen profitieren – nämlich jene, die noch das ALG l beziehen. „Damit werden“ so Pothmer, „alle Arbeitslosengeld-II-Bezieher und damit fast zwei Drittel der Arbeitslosen ausgeschlossen. Sie passen offenbar nicht ins SPD-Schema vom „hart arbeitenden Menschen“.
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