Adil Yiğit nach Protest gegen Erdoğan: Journalist will kein Flüchtling sein
Der Regimekritiker wurde aus der Pressekonferenz von Erdoğan und Merkel gezerrt. Nun gibt es Streit um seine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland.
Er protestierte leise gegen den Besuch von Recep Tayyip Erdoğan. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Staatspräsidenten trug er nur ein zweisprachiges T-Shirt mit der Aufschrift: „Pressefreiheit für Journalisten in der Türkei“. Der leise Protest war schon zu viel. Zwei BKA-Beamte zerrten den oppositionellen Journalisten und Hamburger taz-Autoren Adil Yiğit Ende September aus dem Konferenzraum. Erst da wurde er laut. Nach dem Vorfall fragten kritische Stimmen: Welches Signal sendet Deutschland an die türkischen Regierenden, wenn es Journalisten abführen lässt?
Diese Frage stellte sich in den vergangenen Tagen umso mehr. Denn in einem Schreiben vom 22. Oktober teilte die Ausländerbehörde von Hamburg-Mitte Yiğit mit, dass sein Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis abgelehnt worden sei – und er die Bundesrepublik bis zum 22. Januar 2019 zu verlassen habe. Sollte er dem nicht Folge leisten, wird ihm laut Bescheid „die Abschiebung ins Heimatland (Türkei) angedroht“.
Doch am Montag rudert die Hamburger Ausländerbehörde zurück. Ein Sprecher sagt der taz, dass es ein „Missverständnis“ sei, dass Yiğit am 22. Januar abgeschoben werden solle. „Tatsächlich ist dieses Datum im Bescheid als Frist für das Verlassen der Bundesrepublik angegeben. Allerdings handelt es sich dabei um eine Formalität, die bei der Ablehnung eines Aufenthaltstitels angegeben werden muss.“ Yiğit könne bleiben, da die Behörde ihm statt des bisherigen Status eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen angeboten habe. Mit dem neuen Status ändere sich für Yiğit nur, dass er keinen Antrag auf Einbürgerung stellen könne.
Yiğit führt diese Erklärung der Behörde auf öffentlichen Druck zurück. Er sagt der taz, dass er Widerspruch gegen den Bescheid einlegen werde und auf eine unbefristete Genehmigung bestehe. Er wolle nicht alle drei Monate zum Amt: „Ich bestehe auf mein Recht, ich möchte keine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen.“
Status änderte sich oft
Er will seinen alten Status zurück haben. Er will auch kein Flüchtling mehr sein. Yiğit lebt schon seit mehr als 35 Jahren in Deutschland. Er heiratete hier, bekam Kinder und damit zunächst eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung – wie viele Türkeistämmige, die mit türkischem Pass in Deutschland leben. Sein Aufenthaltsstatus änderte sich mit den Jahren immer wieder. Richtig bedrohlich wurde es ab November 2017: Damals teilte die Ausländerbehörde ihm mit, sie wolle seinen Antrag auf eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung ablehnen. Und dann, an ebenjenem 22. Oktober, knapp einen Monat nach der Protestaktion in der Pressekonferenz, kam die nächste Schocknachricht: Yiğit sollte abgeschoben werden. Die Begründung: Er erfülle die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nicht mehr. Denn er lebe in keiner „familiären Lebensgemeinschaft“ mehr, also nicht mit seinen Kindern zusammen. Auch gehe er keiner Beschäftigung nach.
Tatsächlich leben zwei seiner Kinder mit ihrer Mutter im Ausland, als Journalist findet Yiğit derzeit keine Beschäftigung. Dass er die regimekritische Onlineplattfom Avrupa Postası betreibt, gilt für die Behörde nicht, weil er damit kein Geld verdient.
Adil Yiğit, Journalist
Seit Yiğit die drohende Abschiebung bekannt gemacht hat, erfährt er große Solidarität. PolitikerInnen zeigen sich bestürzt über seine Geschichte. „Jede Abschiebung in die Türkei für einen solchen Menschen bedeutet Gefängnis und potentiell Folter“, sagt Christiane Schneider von der Linksfraktion der Hamburgischen Bürgerschaft der taz. Rebecca Harms von der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament sagt: „Das wäre verheerend, wenn der Mann abgeschoben werden würde oder keine Aufenthaltsgenehmigung bekäme. Das würde bedeuten, dass er direkt ins Gefängnis abgeschoben werden würde.“
Dazu wird es nun voraussichtlich nicht kommen.
Anm. d. Red.: Am 28.10. meldete die taz, dass der Journalist Adil Yigit abgeschoben werden soll. Der taz ist hier ein Fehler unterlaufen. Warum die Geschichte so kompliziert ist, wieso es zu diesem Fehler kam und welche Rolle die Infos der Hamburger Behörden dabei spielen, steht in unserem Rechercheprotokoll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen