Abzug der US-Truppen aus Afghanistan: „Je früher, desto besser“

US-Präsident Biden bleibt dabei: Bis zum 31. August sollen die Evakuierungen in Afghanistan abgeschlossen sein. Jeder Einsatztag bringe Gefahren.

Joe Biden spricht ins Mikrophon und gestikuliert

„Wir liegen auf Kurs“: US-Präsident Joe Biden am 24. August im Weißen Haus Foto: Susan Walsh/ap

WASHINGTON taz | Für viele Menschen in Afghanistan, die nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban um ihr Leben fürchten, wird die Zeit knapp. Denn wie US-Präsident Joe Biden am Dienstag verkündete, gehen die USA davon aus, dass bis spätestens Ende des Monats die derzeitigen Evakuierungen in Kabul beendet sein werden.

„Wir liegen auf Kurs, bis zum 31. August alles abgeschlossen zu haben“, sagte Biden während einer Ansprache im Weißen Haus. „Je früher wir fertig sind, desto besser, denn jeder Einsatztag bringt neue Gefahren für unsere Truppen.“

Mehr als 70.000 Menschen haben Afghanistan mit Hilfe des US-Militärs seit dem 14. August bereits verlassen. Am Dienstag schafften es die Vereinigten Staaten in Zusammenarbeit mit Verbündeten, innerhalb von zwölf Stunden 12.000 Menschen aus Kabul herauszuholen.

Da die USA für eine erfolgreiche Durchführung der Evakuierungen jedoch auf die Hilfe der Taliban angewiesen sind, hat Biden eine Verlängerung der US-Militärpräsenz in Afghanistan über den 31. August hinaus noch nicht vollständig ausgeschlossen. „Der Abschluss unserer Mission bis zum 31. August ist davon abhängig, dass die Taliban weiterhin mit uns kooperieren und den Zugang zum Flughafen ermöglichen“, sagte Biden.

Ein Sprecher der Taliban erklärte in einem Interview mit dem Nachrichtensender Sky News, dass eine Überschreitung des Datums „Konsequenzen“ nach sich ziehen würde. Aus diesem Grund habe er sowohl die Militärführung im Pentagon wie auch die diplomatische Führungsriege im State Department (Auswärtiges Amt) damit beauftragt, Notfallpläne zu erstellen.

Sorge vor Terrorangriffen

Die US-Regierung ist allerdings fest entschlossen, keinen Tag länger als nötig in Afghanistan zu verweilen. Biden hatte in der Vergangenheit wiederholt betont, dass es für die USA kein nationales Interesse gebe, welches einen Verbleib von Truppen im Land rechtfertigen würde.

Zudem bestünde die akute und wachsende Gefahr eines Terrorangriffs, je länger die US-Streitkräfte in Kabul vor Ort wären, so Biden. Diese Sorgen brachte er laut dem Weißen Haus auch beim virtuellen G7-Gipfel am Dienstag deutlich zum Ausdruck.

„Jeder Tag, an dem wir vor Ort sind, ist ein weiterer Tag, an dem IS-K den Flughafen ins Visier nehmen wird, um US-amerikanische und verbündete Truppen sowie unschuldige Menschen zu attackieren“, beschrieb der US-Präsident die Gefahr, die von der IS-angehörigen Terrorzelle ausgehe.

Unklar ist derzeit aber, was genau die US-Regierung unter dem erfolgreichen Abschluss der Evakuierungsmission versteht. Neben US-Staatsbürgern priorisiert die amerikanische Regierung im Moment auch die Evakuierung von afghanischen Helfer*innen, Bür­ge­r*in­nen aus Drittstaaten sowie durch die Taliban Bedrohte, wie beispielsweise Frauen.

Doch sollte es beim momentan vorgesehenen Stichtag für den US-Truppenabzug bleiben, dann könnten unzählige Menschen aus den jeweiligen Gruppen in Afghanistan zurückbleiben. Der Sprecher des US-Pentagon, John Kirby, zeigte sich am Dienstag zuversichtlich, dass sieben Tage ausreichen sollten, um alle US-Staatsbürger aus Afghanistan auszufliegen. Bei den anderen Gruppen war es sich jedoch nicht ganz so sicher.

„Zu spät begonnen“

Kritik an der Regierungsstrategie gibt es weiterhin von allen Seiten. Zwei Kongressabgeordnete, die heimlich nach Kabul gereist waren, um sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort zu machen, erklärten, dass es unmöglich sei, alle hilfsbedürftigen Personen bis zum 31. August zu evakuieren.

„Wir haben mit der Evakuierung zu spät begonnen“, sagten der Demokrat Seth Moulton und der Republikaner Peter Meijer in einer gemeinsamen Stellungnahme. Auch eine Verlängerung des Einsatzes bis zum 11. September würde ihrer Meinung nach nicht reichen.

Das Flüchtlingshilfswerk Lutheran Immigration and Refugee Service sprach sich ganz klar für einen Verbleib von US-Truppen in Afghanistan aus. „Präsident Biden muss die Evakuierung so lange fortsetzen, bis alle US-Bürger*innen, afghanischen Hel­fe­r*in­nen und alle anderen gefährdeten Af­gha­n*in­nen in Sicherheit gebracht worden sind“, sagte die Vorsitzende Krish O’Mara Vignarajah.

US-Außenminister Antony Blinken wird am Mittwoch ein weiteres Update zur Lage in Afghanistan geben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.