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Abtreibungsrecht in DeutschlandSollen sich doch die Länder kümmern

Die Ampel hatte versprochen, die Versorgung ungewollt Schwangerer zu verbessern. Für manche Vorhaben sieht sie sich nun aber nicht mehr zuständig.

Organisationen wie „Pro Familia“ fordern schon lange Schutzzonen

Berlin taz | Die Bundesregierung hat viel versprochen in Sachen Abtreibungsrecht. Ein ganzes Kapitel widmet der Koalitonsvertrag dem Thema „Reproduktive Selbstbestimmung“. Von den zahlreichen Vorhaben ist bislang aber nur ein Bruchteil umgesetzt: etwa die Streichung des Informationsverbots in Paragraf 219a StGB, oder das Verbot sogenannter Gehsteigbelästigungen, das gerade im parlamentarischen Verfahren ist. Weitere Ambitionen scheint die Ampelkoalition nun jedoch nicht zu haben. So liest sich die Antwort auf eine schriftliche Frage der Linken-Gruppe im Bundestag, die der taz vorliegt.

Die Abgeordnete Heidi Reichinnek wollte wissen, wie die Bundesregierung gedenke, „eine flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen sicherzustellen und Schwangerschaftsabbrüche zum Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung zu machen“. Beides will die Ampel laut Koalitionsvertrag, bei beidem gibt es Handlungsbedarf.

Reichinnek bezieht sich in ihrer Frage auch auf die Ergebnisse der noch von der Großen Koalition in Auftrag gegebenen Elsa-Studie. Diese hatte kürzlich gezeigt, dass die Versorgung ungewollt Schwangerer oft unzureichend ist und dass Ärzt*innen, die Abbrüche durchführen, oft Stigmatisierung erfahren. Sie zeigte zudem, dass längst nicht alle Ärz­t*in­nen die Durchführung von Abbrüchen erlernen – und wenn, dann häufig nicht alle Methoden.

In ihrer Antwort verweist die Bundesregierung nun darauf, dass die Elsa-Studie noch nicht abgeschlossen sei – und man deswegen offenbar auch noch keine Schlussfolgerungen aus den bisherigen Ergebnissen ziehen könne: „Über die weiteren Schritte wird nach Auswertung der Detailergebnisse des Projektes zu entscheiden sein.“ Jenseits dessen sieht man sich nicht zuständig: Das Frauenministerium unterstütze zwar Träger der Schwangerschaftskonfliktberatung durch Förderung. Aber das Beratungsangebot sicherzustellen sei Sache der Länder, heißt es in der Antwort.

Zuständig sind die anderen

Auch die Ausgestaltung der Lehrpläne für die ärztliche Ausbildung falle „in die Zuständigkeit der Länder“, heißt es weiter. Der nationale kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin (NKLM) enthalte Lernziele zum operativen wie medikamentösen Abbruch „und dessen ethischen, rechtlichen und psychischen Aspekten“. Sich daran zu orientieren sei bislang freiwillig, solle aber mit der geplanten Reform der Approbationsordnung für Ärz­t*in­nen verbindlich werden.

Diese Reform allerdings wird ebenfalls von der Ampel verschleppt: Im Februar hätte sie durchs Kabinett gehen sollen, flog dann wieder von der Tagesordnung. Zuletzt betont die Bundesregierung: „Für die ärztliche Weiterbildung sind die Länder zuständig, die ihre Zuständigkeit auf die Ärztekammern übertragen haben.“

Die Linke Heidi Reichinnek ist mit diesen Antworten nicht zufrieden. „Wenn die Bundesregierung sich schon einen Haufen Maßnahmen in den Koalitionsvertrag schreibt, für die sie sich im Endeffekt gar nicht zuständig fühlt, dann sollte sie vielleicht die eine Sache umsetzen, für die sie sehr wohl die Kompetenz hat – nämlich die Abschaffung von §218 Strafgesetzbuch.“

Paragraf 218 regelt, dass Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig sind – unter Bedingungen aber straffrei bleiben. Die Ampel hatte eine Kommission prüfen lassen, ob und wie Abbrüche außerhalb des Strafrechts geregelt werden können. Diese war zum Schluss gekommen, dass nach verfassungs-, völker- und europarechtlicher Prüfung die grundsätzliche Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten drei Monaten „nicht haltbar“ sei.

Nun stand im Koalitionsvertrag nicht zufällig nur ein Prüfauftrag: Zwar hatten SPD und Grüne die Abschaffung von Paragraf 218 im Wahlprogramm stehen, die FDP ist aber dagegen. Entsprechend verhalten reagierte die Ampel auf die Ergebnisse der Kommission: Dieses Ergebnis müsse man nun erst mal in Ruhe auswerten, hieß es. Passiert ist bislang nichts.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • FDP... " wir glauben das Deutschland freier werden muss"

    "Mit einer starken Demokratie und einem handlungsfähigen Rechtsstaat sichern wir Freiheit und Bürgerrechte."

    Aha... Das Recht auf Selbstbestimmung ueber den eigenen Koerper und eine vernuenftige Versorgung mit einer grundlegenden Gesundheitsleistung sind also keine Freiheit und keine Buergerrechte laut FDP.

    Also meint die FDP wohl nur die Freiheit von besserverdienenden Maennern.

    Zu Schwangerschaftsabbruechen sagt die FDP laut Wahlprogramm 21 im Detail.

    "Es ist wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte verlässliche Regeln haben, wie sie informieren dürfen und Frauen



    ein flächendeckendes und objektives Beratungsnetzwerk zur



    Verfügung steht. Eine Konfliktberatung soll auch online durchgeführt werden können."

    Warum werden nichtmal wenigstens erstmal die Sachen umgesetzt, bei denen sich alle 3 Parteien einig sind???

    Beratungen auch online zu erlauben geht doch wohl in ein paar Tagen maximal ne Woche und dann kann man ja noch weiter sehen.

    Lusitg finde ich uebrigens das die FDP zwar 600 Punkte im Wahlprogramm haben, aber eine eindeutige Positionierung zu Paragraph 218 fehlt hier.

  • "Bruchteil" klingt so negativ.

    Abschaffung des Informationsverbotes und Verbot der "Gehsteigbelästigungen" sind doch eine ganze Menge.

    Ok, 99 Hunderstel sind auch ein Bruchteil.

    Wenn ein Koalitionspartner nicht mitziehen, ist die Abschaffung des 218 nicht realistisch.

    Kein Wunder, dass diese Projekt nicht angegangen wird.

    Und ob das Bundesverfassungsgericht da mitziehen würde, ist komplett offen.

    Der Artikel zeigt gut, warum mir die Grünen leidtun.

    Sie haben ein extrem schwieriges Wahlklientel.

    Vor wenigen Monaten belegte eine Studie, dass Grünen-Wähler sich am zweitstärksten gesellschaftlich abschotten.

    Wer in Blasen lebt, ist fest von der Richtigkeit seines Standpunktes überzeugt.



    Die anderen bestätigen ihn ja auch.

    Ohne Umsetzung der Maximalforderung geht da gar nichts.

    Keine Regierungskoalition kann diese Erwartungen erfüllen.

    Da brauchen die Grünen keine Feinde mehr.

    • @rero:

      Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen ist keine Grüne Nische, sondern ein Grundrecht für jede Frau.

      • @Gärtnerin:

        Wie Sie oder ich das sehen, ist unerheblich.

        Das Bundesverfassungsgericht und die Koalitionspartner müssen mitziehen.

        Passiert das nicht, ist das nicht den Grünen anzulasten.

    • @rero:

      Es wurden ja nicht einmal alle Wuensche Forderungen der FDP zur Verbesserung der Situation umgesetzt, mit denen die anderen Koalitionspartner auch einverstanden gewesen waeren.

      Weder wird die Versorgung verbessert, noch der Inhalt des Studiums angepasst...

      Wenn bei 3 sehr unterschiedlichen Parteinen immer nur der absolut minimalste Konsenz umgesetzt wird und einer dieser Parteien die eigenen Positionen und Einwaende fast immer zu 100 Prozent durchsetzen kann... dann ist das kein Kompromiss.

      Und was Ihre Aussage zur Blase angeht... das passt besser zu den Politikern von CDSU, AFD, FDP.

      Weil die Mehrheit auch ausserhalb der Waehler der Gruenen will 218 reformieren oder ganz abschaffen,

      Sie meinen vermutlich nicht nur dieses Vorhaben sondern vor allem den Umweltschutz.

      Wegen der 5% Huerde waehlen ja nicht wenige das subjektive kleinste Uebel.

      vll. sehen viele Waehlerinnen der Gruenen deren Programm ganz nuechtern betrachtet bereits als zu wenig an da ist einfach kein Spielraum fuer weitere Kompromisse.

      Und wenn dann in Teilen die Realpolitik faktisch auch noch das genau Gegenteil vom Wahlprogramm ist... sollte nicht von undankbaren Waehlerinnen lamentiert werden.

      • @sociajizzm:

        Sie haben recht, ich bezog mich allgemein auf die Wahlversprechen der Grünen, auch Umweltschutz und verwandte Themen.

        Die Studie, die ich meinte, ist vom FGZ. Die taz veröffentlichte dazu am 8.11.2023 einen Artikel.

        Die größten Blasenfreunde sind danach die AfD-Wähler, auf Platz kommen gleich die Grünen.

        FDP und CDU erst später.