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Abtreibungen in KolumbienLebensrettende Legalisierung

Katharina Wojczenko
Kommentar von Katharina Wojczenko

Die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Kolumbien ist ein Schritt gegen Diskriminierung. Weniger Abtreibungen werden die Folge sein.

AbtreibungsgegnerInnen protestieren mit einer Figur der schwangeren Maria: ohne Erfolg Foto: Luisa Gonzalez/reuters

E s ist eine historische Entscheidung: Das kolumbianische Verfassungsgericht hat am Montag Schwangerschaftsabbrüche bis zur 24. Woche legalisiert. Danach sind sie in drei Ausnahmen erlaubt: wenn die seelische oder körperliche Gesundheit der Mutter gefährdet, der Fötus schwer missgebildet oder die Schwangerschaft Folge von Vergewaltigung ist. Das konservative, katholische Kolumbien ist damit moderner als Deutschland.

Der lateinamerikanische Kontinent verändert sich – auch dank der grenzüberschreitenden Solidarität der Frauenbewegung. Mit Mexiko und Argentinien legalisieren in kurzer Zeit drei der vier bevölkerungsreichsten Länder Lateinamerikas Abtreibungen. Das Verfassungsgericht bringt die Regierung in Zugzwang, Schwangerschaftsabbrüche zu erleichtern. In der Praxis war die Ungleichheit bei den bisher legalen Ausnahmen groß.

Auf dem Land ist die medizinische Versorgung schlecht. Kliniken weigern sich, den Eingriff vorzunehmen; juristische und medizinische Bestätigungen ziehen sich so lange hin, dass es zu spät für einen Abbruch ist. Wer Geld und Bildung hat, findet immer einen Weg – und sei es im Ausland. Laut einer Umfrage des Gesundheitsministeriums vor einigen Jahren waren die Hälfte der Schwangerschaften im Land unerwünscht.

Die Zahl der Mädchen unter 14 Jahren, die ein Kind zur Welt bringen mussten, hat sich von Januar bis Oktober 2021 im Vergleich zum Vorjahr um fast 20 Prozent erhöht – im letzten Jahresdrittel sogar um fast 32 Prozent. Die Traumata dahinter mag man sich nicht ausmalen. Die massive Gewalt gegen Frauen und Mädchen hat mit dem verbreiteten Machismo zu tun und einem über 50 Jahre andauernden bewaffneten Konflikt. Die Legalisierung ist in vieler Hinsicht lebensrettend.

Vor allem auf dem Land ist es überfällig, die Debatte zu liberalisieren. Je offener über Sex, Schwangerschaft und Verhütung geredet wird, desto seltener wird es zu ungewollten Schwangerschaften kommen.

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Katharina Wojczenko
Freie Korrespondentin
stammt aus dem Bayerischen Wald und berichtet seit 2017 überwiegend aus Kolumbien. Sie ist Mitglied des Reporterinnen-Teams von #tazFolgtDemWasser und Mitgründerin des Magazins „Südamerika+Reporterinnen“ auf der genossenschaftlichen Journalismus-Plattform-„RiffReporter“.
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1 Kommentar

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  • Von "erlaubten" Schwangerschaftsabbrüchen auf nun folgende offene Debatten über Sex, Schwangerschaft und Verhütung zu schließen, ist aber sehr optimistisch gedacht.