Abstimmung über Gouverneur: Zitterpartie in Kalifornien
In Kalifornien könnte der demokratische Gouverneur Gavin Newsom am Dienstag abgewählt werden. Seine Gegner werfen ihm Scheinheiligkeit vor.
Kalifornien ist so linksliberal und so offen für Klimapolitik und für Geschlechtergleichheit, dass manche es das „Frankreich der USA“ nennen. Unter normalen Umständen haben Republikaner bei Wahlen in dem bevölkerungsreichsten Staat des Landes keine Chance auf ein Spitzenamt. Im letzten Herbst gewann Joe Biden Kalifornien mit fast 30 Prozent Vorsprung.
Dennoch ist der Abwahlantrag, der am Dienstag gegen den Gouverneur Gavin Newsom zur Abstimmung steht, eine Zitterpartie für die Demokratische Partei. Sie hat sämtliche Schwergewichte, von Barack Obama über die linke Senatorin Elizabeth Warren bis hin zu Vizepräsidentin Kamala Harris aufgeboten. Am Vorabend der Abstimmung reiste am Montag auch Biden an, um den Gouverneur in dem „Recall“-Verfahren“ zu unterstützen.
Sollte der 53-jährige Newsom trotzdem die 50 Prozent verfehlen, die er braucht, um im Amt zu bleiben, wird der nächste Gouverneur mit höchster Wahrscheinlichkeit Larry Elder heißen. Der rechte Rundfunkmoderator führt populistische Reden und ist auch politisch ein Klon von Donald Trump. Er teilt dessen Ablehnung einer Masken- und Impfpflicht. Und er lehnt es ab, den Expräsidenten für den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar verantwortlich zu machen.
„Soll Gavin Newsom vom Amt des Gouverneurs abberufen werden?“ lautet die zentrale Frage bei der Abstimmung. Wer „Ja“ antwortet, hat die Wahl zwischen 46 (!) Kandidaten, die sich als Alternative anbieten. Die Mehrheit sind Republikaner, darunter die Transgenderaktivistin und Reality-TV-Darstellerin Caitlyn Jenner, ein Morddetektiv und ein Sheriff. Wegen der Pandemie sind die Stimmzettel per Post an sämtliche 22 Millionen registrierten Wähler in Kalifornien gegangen.
Der Fauxpas des Hoffnungsträgers
Newsom hat eine solide Basis in dem Bundesstaat. Er war Bürgermeister von San Francisco, ist 2018 mit 62 Prozent zum Gouverneur gewählt worden, machte sich bereits Hoffnungen auf eine Präsidentschaftskandidatur und war seit dem Beginn der Pandemie ein Trendsetter bei der Gesundheitspolitik.
Sein Bundesstaat war der erste, der weitgehende Schließungen von öffentlichen Einrichtungen, Schulen und Geschäften verfügte. Im November 2020 leistete sich Newsom mindestens einen schweren Fauxpas in seiner Pandemiepolitik, als er mitten in der Krise ohne Maske in einer großen Menschenmenge in dem schicken Restaurant French Laundry in Kaliforniens Weinregion tafelte.
„Skandal“ und „Scheinheiligkeit“, so reagierten Kritiker auf die Fotos von dem feiernden Gouverneur. Doch die Pandemie kam erst spät zu der republikanischen Liste von Vorwürfen gegen den demokratischen Gouverneur hinzu. Als sie das Recallverfahren im Juni 2020 eröffneten, listeten sie alle möglichen anderen Unzufriedenheiten auf: von zu hohen Steuern über zu viele Obdachlose und schlechte Waldbrandbekämpfung bis hin zu einem zu liberalen Umgang mit langjährigen Gefängnisinsassen.
Es war mindestens der fünfte Anlauf, um Newsom per Recall aus dem Amt zu hebeln. Aber anders als die vorausgegangenen, die folgenlos blieben, bekam dieser mehr als 1.7 Millionen Unterschriften und damit die nötige Rückendeckung bei den WählerInnen. Schon einmal ist es den Republikanern in Kalifornien auf diese Art gelungen, einen unwahrscheinlichen Kandidaten an die Spitze ihres Staates zu hieven. Das war 2003, als der muskulöse Schauspieler Arnold Schwarzenegger Gouverneur wurde.
Biden muss um Newsom zittern
Der Trick bei einer Gouverneurswahl per Recallverfahren ist, dass wenn ein Gouverneur abgelehnt ist, automatisch diejenige Person seine Nachfolge antritt, die die meisten Stimmen bekommt. Am Dienstag wäre es denkbar, dass Newsom 49 Prozent erhält und zurücktreten muss und Elder mit nur 15 Prozent der Stimmen sein Nachfolger würde. Ein solcher Ausgang hätte weitgehende Konsequenzen. Der wegen Afghanistan und der Pandemie angeschlagene Präsident Biden benötigt positive Signale, zumal auch das Schicksal der demokratischen Mehrheit im Kongress im Herbst 2022 auf dem Spiel steht.
Doch nachdem Newsoms Schicksal eine Weile lang auf der Kippe stand, prognostizieren jetzt fast alle Meinungsforschungsinstitute seinen Sieg. Die Republikaner haben sich bereits auf ein Erklärungsmodell eingeschossen, das sie schon im November des vergangenen Jahres nach Trumps Niederlage angewandt haben: Wenn Newsom im Amt bleibt, wollen sie wegen Wahlbetrug vor Gericht ziehen.
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