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Abstimmung über EnteignungAuf in die nächste Runde

Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ setzt ihr Volksbegehren fort: Ab dem 26. Februar will sie trotz Corona wieder Unterschriften sammeln.

So eng wie hier am Alexanderplatz 2019 kann die Sammlung in Coronazeiten nicht weiter gehen Foto: Stefan Boness/Ipon

Berlin taz | Das Volksbegehren zur Enteignung des Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen und weiterer Unternehmen mit jeweils mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin geht am 26. Februar in die nächste Runde. Das bestätigte der taz am Mittwoch der Sprecher der dahinterstehenden Initiative, Rouzbeh Taheri. Einen dazu nötigen Antrag werde man übernächste Woche stellen. Wenn binnen der folgenden vier Monate rund 175.000 gültige Unterstützerunterschriften zusammenkommen, könnte es parallel zu den Wahlen zu Bundestag und Abgeordnetenhaus am 26. September einen Volksentscheid über die Enteignung geben. Zwei Gespräche mit der rot-rot-grünen Koalition hatten nicht zu einer Übernahme der Forderung durch das Abgeordnetenhaus geführt.

Am Montag hatten Vertreter der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ und der Koalitionsfraktionen zum zweiten Mal zusammengesessen. Ein erstes Treffen gab es im Dezember. Linkspartei und Grüne hatten zuvor zu erkennen gegeben, dass sie sich mit einer Enteignung anfreunden könnten. Auch die SPD konnte man zwischenzeitlich überraschenderweise so verstehen, als ob sie das nicht ausschließen würde. Daraus schien sich die Möglichkeit zu ergeben, das Volksbegehren nicht weiterführen zu müssen und stattdessen ein entsprechendes Gesetz im Parlament zu beschließen.

Am Montag aber machten die Sozialdemokraten laut Taheri klar, dass sie vor den Treffen nicht Ja zu einem Vergesellschaftungsgesetz gesagt, sondern lediglich Gesprächen mit der Initiative zugestimmt hätten. Man sei zudem zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zeit zu knapp sei, sagte Taheri, „da wären noch viele Punkte zu klären gewesen“. Damit es den Volksentscheid aber am Wahltag im September geben kann, was mutmaßlich zu einer höheren Beteiligung führt, muss das Verfahren nun in die zweite Stufe gehen.

Eine möglichst große Beteiligung ist deshalb für jedes Volksbegehren von Interesse, weil es am Tag der Abstimmung nicht allein reicht, mehr Ja- als Neinstimmen zu bekommen: Die Zahl der Befürworter muss zudem mindestens 25 Prozent der rund 2,5 Millionen Abstimmungsberechtigten ausmachen – was rund 625.000 Menschen entspricht.

Linkspartei: SPD zögerte zu lange

Bei der Linkspartei, die in der Koalition die Enteignung am meisten unterstützt, löste die Ankündigung, weiter zu sammeln, keine Enttäuschung aus. „Es ist völlig richtig, wenn die Berliner das direkt entscheiden“, sagte Landeschefin Ka­tina Schubert der taz. Wenn das Parlament das Anliegen an diesem Donnerstag übernommen hätte, „hätte bis zur Wahl ein Gesetz nicht nur erarbeitet, sondern verabschiedet werden müssen, denn das nächste Parlament ist nicht verpflichtet, das wieder aufzunehmen“, sagte sie. „Vor einem halben Jahr hätte man das noch schaffen können, aber die SPD hat das zu lange hinausgezögert.“

Die Initiative will sich auch mit der Frage beschäftigt haben, ob eine Unterschriftensammlung in Coronazeiten angesagt ist – 175.000 Unterstützer zu finden, könnte im Maximalfall 175.000 Kontakte bedeuten. „Das ist ein Problem, aus Pandemiegründen wie auch aus technischen Gründen“, sagt Taheri. Zum einen sind auf der Straße weniger Menschen anzutreffen, zum anderen ist Abstand einzuhalten. Taheri verweist auf ein Hygienekonzept, das in Arbeit sei. Nötigenfalls werde man die Liste zum Unterschreiben mit einer Zange übergeben, um den Abstand zu vergrößern. Die Sammler würden zudem stets mit Maske unterwegs sein.

Das Verfahren wegen der Pandemie zu unterbrechen, wie es jetzt die FDP wie bei ihrem Volksbegehren getan hat (siehe dazu Text unten), sei in der jetzigen Phase rechtlich nicht möglich – dann hätte man wieder ganz von vorne in der ersten Stufe anfangen müssen. Abzubrechen kam nicht infrage: „Man kann in der Pandemie nicht das ganze demokratische System auf Eis legen“, sagt Taheri.

In der ersten Stufe waren wie jetzt bei der FDP binnen sechs Monaten 20.000 Unterschriften zu sammeln. Die Enteignen-Initiative reichte bereits im Juni 2019 rund vier Mal so viele ein, 77.000. Danach stockte das Verfahren, weil die Senatsverwaltung für Inneres sich gut 15 Monate Zeit ließ, um die Zulässigkeit des Anliegens zu prüfen.

Volksentscheid hat mehr Gewicht

Theoretisch könnte die Initiative sich trotz anlaufender Sammlung doch noch mit der Koalition auf ein Gesetz einigen und das Verfahren stoppen – indem sie gesammelte Unterschriften nicht bei der Wahlleitung einreicht. Aus Taheris Sicht ist das ein reines Gedankenspiel: „Dafür gibt es keinen Präzedenzfall“, sagt er und sieht in einem Volksentscheid zudem mehr Gewicht: „Ein Direktvotum bei diesem kontroversen Thema wäre wichtig.“

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12 Kommentare

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  • Vor dem Hintergrund, dass eine Enteignung nur mit einer entsprechenden Entschädigung des Enteigneten möglich ist, frag ich mich etwas nach dem Sinn des Ganzen... wäre es nicht wesentlich zielführender, das Entschädigungsgeld zum Bau von Wohnungen zu verwenden? Das würde mittelfristig die Gesamtlage verbessern und auch die Situation der derzeitigen Mieter verbessern.

    Oder verstehe ich was nicht?

    • @Encantado:

      Das ist falsch. Bei einer Enteignung nach Art. 15GG muss nicht zum Marktwert entschädigt werden, so dass diese haushaltsneutral erfolgen kann. Bauen, bauen, bauen macht Mieten nicht günstiger, siehe auch andere Metropolen.

      • 2G
        27871 (Profil gelöscht)
        @Marcus Stein:

        Auweia, ist das naiv.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ich unterschreibe sofort!



    Kerle in feinen Anzügen, die sich auf die nächste Boni-Zahlung freuen müssen gefeuert werden.



    Uns gehört die Stadt!

    • 2G
      27871 (Profil gelöscht)
      @17900 (Profil gelöscht):

      ja, die haben feine anzüge, die müssen schlecht sein, und wer schlecht ist, hat schlechtes verdient. bei so viel kurzsicht mir wird schlecht.

      • 1G
        17900 (Profil gelöscht)
        @27871 (Profil gelöscht):

        Ja, bei der Auspressung der Mieter kann einem tatsächlich schlecht werden. Ein Geschäftsmodell, dessen Profit möglichst hohe Mieten impliziert, muss aufs Äußerste bekämpft werden. Sollen diese Typen doch andere Aktien kaufen und spekulieren.



        Das ein "sozialer" Staat dies überhaupt zulässt, ist ein Skandal.



        Ich erinnere mich, in den 80er Jahren wurde kurzfristig auch die Luftqualität für die Höhe der Mieten in Betracht gezogen. Ich meine, das war die FDP.

        • 2G
          27871 (Profil gelöscht)
          @17900 (Profil gelöscht):

          Ich erinnere mich auch an die 80er, also so richtig, ich habe sie erlebt, in einem Land, wo es als Alleinstehender fast unmöglich war, sich frei eine Wohnung zu suchen, und wenn man dann eine fand, kostete sie 17 Mark und sah aus wie eine Baustelle.

  • 2G
    27871 (Profil gelöscht)

    Meiner Meinung nach eine total populistische Aktion!

    Anstatt sich auf Bundesebene für Gesetzesänderungen einzutreten, die den Mieterschutz über das hinaus verbessern, was er derzeit schon hergibt, tritt man für Enteignungen ein, ohne klar zu formulieren, wie das rechtmäßig vonstatten gehen und finanziert werden soll. Denn gratis werden Berlin die Wohnungen nicht zufallen, in Interviews wird dies jedoch von Rouzbeh Taheri suggeriert, klare Antworten dazu gibt er ja leider nie.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @27871 (Profil gelöscht):

      Es geht nicht darum den Mieterschutz zu verbessern. Es geht darum, dass diese..... ihre Profite nicht aus den Mietern herauspressen dürfen.



      Das ist unmoralisch.

      ...."ohne klar zu formulieren, wie das rechtmäßig vonstatten gehen und finanziert werden soll."



      Dazu wurden Vorschläge gemacht. Man wird nicht auf einen Schlag alle Wohnungen, die bislang in den Händen dieser Miethaie sind, zurückkaufen können. Es geht darum ein Zeichen zu setzen, damit nicht auch ausländische "Investoren" hier eine profitable Spielwiese vorfinden.

      Nochmal, es geht darum, dieses unsoziale Geschäftsmodell zu zerstören. Es gibt im Kapitalismus genügend andere Möglichkeiten, um Profite zu machen, die auch genutzt werden.

      So wie sie, denken viele. Man hat den Bürgern erfolgreich Stück für Stück eingeimpft, dass Kapitalismus was Gutes ist - "Geh doch rüber" hieß es früher und die Diskussion war beendet.



      Warum erklären Sie sich selbst zum Opfer anstatt zu kämpfen?

      ..."klare Antworten dazu gibt er ja leider nie."



      Klare Erklärungen, warum wir Mieter für die Profite diese Immobilienkonzerne geradestehen sollen, gibt es auch nie, jedenfalls nicht von den Verteidigern dieses Systems! Vernebelungstaktik ist angesagt.

      • 2G
        27871 (Profil gelöscht)
        @17900 (Profil gelöscht):

        "RKEs geht nicht darum den Mieterschutz zu verbessern. Es geht darum, dass diese..... ihre Profite nicht aus den Mietern herauspressen dürfen."



        Es gibt für das ganze also keine sachliche Grundlage? Sehe ich übrigens genau so und verabscheue deshalb auch Menschen, die ihre eigenen subjektiven Empfindungen (hier: die dürfen pressen, ich nicht) über alles andere stellen. Man nennt das Egoismus.

        • 1G
          17900 (Profil gelöscht)
          @27871 (Profil gelöscht):

          "Es gibt für das ganze also keine sachliche Grundlage?"

          Unverständlich! Die sachliche Grundlage ist, dass das unwürdige und unsoziale Geschäftsgebaren der Konzerne gestoppt wird.

          • 2G
            27871 (Profil gelöscht)
            @17900 (Profil gelöscht):

            Sie scheinen ja noch nicht einmal zu wissen, was eine sachliche Grundlage ist. Was Sie als solche bezeichnen, ist eine Forderung. Auf welcher sachlichen Grundlage Sie diese aufstellen, wissen Sie vermutlich selber nicht. Und das ist mir unverständlich!