Abstimmung im Parlament: Ukraine ist jetzt blockfrei frei
Das Parlament widerruft den Status der „Blockfreiheit“, um sich die Perspektive eines Nato-Beitritts zu öffnen. Russland findet das „vollkommen kontraproduktiv“.
KIEW/BRÜSSEL/MOSKAU rtr/dpa/afp | Die Ukraine hat mit der Aufgabe der Blockfreiheit erste Schritte in Richtung Nato-Mitgliedschaft unternommen. Das Parlament gab am Dienstag einen Tag vor erneuten Gesprächen zur Beilegung des Konflikts mit prorussischen Separatisten im Osten des Landes mit großer Mehrheit den „ungebundenen“ Status des Landes auf. „Dies wird zur Integration in den europäischen und euro-atlantischen Raum führen“, sagte Außenminister Pawlo Klimkin.
Im Kiewer Parlament stimmten 303 Abgeordnete für die Beendigung der Blockfreiheit, 77 mehr als nötig. Der im Mai gewählte prowestliche Präsident Petro Poroschenko hatte das Gesetz zur Aufhebung des Blockfreienstatus im Dezember eingebracht. Er begründete diesen Schritt mit der „Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine“ und der „ungesetzlichen Annexion der Autonomen Republik Krim“.
Bisher war der Status der Blockfreiheit in den Grundlagen der Innen- und Außenpolitik des Landes verankert. Diese Linie sei allerdings nicht „effektiv“ für die Sicherheit des Landes, heißt es in einer Erklärung zum Gesetz. „Das lange Verharren der Ukraine in einer grauen Pufferzone zwischen gewaltigen Systemen der kollektiven Verteidigung gilt als zusätzliche Herausforderung“, heißt es.
Die internationalen Verpflichtungen zur Achtung der Unabhängigkeit und Unantastbarkeit der Grenzen der Ukraine hätten sich als „unzureichendes Instrument“ erwiesen. Vor allem das Budapester Memorandum von 1994, mit dem die Ukraine gegen Garantien ihrer territorialen Integrität durch die USA, Russland und Großbritannien auf den Besitz von Atomwaffen verzichtete, habe sich als unwirksam erwiesen.
Nato begrüßt Entscheidung
Ein Nato-Sprecher begrüßte die Entscheidung: „Unsere Tür ist offen, und die Ukraine wird ein Nato-Mitglied werden, wenn sie einen Antrag einreichen wird und die Standards erfüllt und sich an die Prinzipien hält“, hieß es in Brüssel. Die Ukraine sei ein unabhängiges und souveränes Land und könne allein über ihre außenpolitische Ausrichtung entscheiden.
Die Nato-Staaten hatten 2008 der Ukraine und Georgien grundsätzlich die Mitgliedschaft versprochen, einen Beitritt der beiden Länder damals aber abgelehnt. Seitdem haben beide Teile ihres Staatsgebiets an von Russland militärisch unterstützte Separatisten verloren. 2010 hatte sich die Ukraine unter Druck Russlands für blockfrei erklärt.
Russland sprach jetzt in Reaktion auf den Beschluss der Ukraine von einem „unfreundlichen Schritt“. Dieser werde dazu beitragen, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern weiter zu belasten, sagte Russlands Vertreter bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Andrei Kelin. Außenminister Sergei Lawrow nannte die Entscheidung „vollkommen kontraproduktiv“. Sie trage dazu bei, „das Klima der Konfrontation weiter anzuheizen“. Ministerpräsident Dmitri Medwedjew hatte am Montag gewarnt, die Aufgabe des Blockfreienstatus mache die Ukraine „zu einem potenziellen militärischen Gegner Russlands“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken