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Abstimmung im EU-ParlamentKein Recht auf Abtreibung

Eine Vorlage des Frauenausschusses zu Abtreibung und Sexualerziehung ist im Europaparlament gescheitert. Die katholische Kirche hatte dagegen protestiert.

In Sachen Sexualität doch eher konservativ: das Parlament in Straßburg. Bild: dpa

STRASSBURG afp | Eine von katholischen Familienverbänden und Abtreibungsgegnern heftig bekämpfte Entschließung zum Thema Schwangerschaftsabbruch und Sexualerziehung ist im Europaparlament gescheitert. Die konservative Mehrheit der EU-Volksvertretung lehnte am Dienstag die Vorlage des Frauenausschusses ab, die unter anderem die Forderung nach einem Recht auf Schwangerschaftsabbruch und nach obligatorischem Sexualkundeunterricht enthielt.

Stattdessen verabschiedete das Straßburger Parlament mit knapper Mehrheit einen Alternativtext, den unter anderen die deutschen Abgeordneten Doris Pack (CDU), Christa Klaß (CDU) und Angelika Niebler (CSU) vorgelegt hatten. Darin heißt es lediglich, für Fragen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit sowie der Sexualerziehung seien die EU-Staaten zuständig.

Mit der ursprünglichen Entschließung, die die portugiesische Sozialistin Edite Estrela im Namen des Frauenausschusses erarbeitet hatte, sollten die EU-Staaten aufgefordert werden, Frauen das Recht auf „sichere und legale Schwangerschaftsunterbrechung“ zu gewähren.

Außerdem wurde ein obligatorischer Sexualkundeunterricht für Jungen und Mädchen in der Schule gefordert. Dieser Unterricht müsse „nicht diskriminierende Informationen“ enthalten und ein „positives Image“ von Homosexuellen, Lesben oder Bisexuellen vermitteln, hieß es in der Entschließung.

Der Bericht „Rechte auf dem Gebiet der sexuellen und reproduktiven Gesundheit“ enthielt lediglich Vorschläge, die für die 28 EU-Staaten keinesfalls verbindlich waren. Dennoch machten Vertreter der katholischen Kirche und konservativer Familienverbände seit Wochen gegen das Vorhaben mobil. Noch am Montag empfahl die Deutsche Bischofskonferenz den Europaabgeordneten die Ablehnung der Entschließung. In dem Text werde „ein vermeintliches Recht auf Abtreibung propagiert, hinter dem alle anderen Rechte zurückzutreten haben“, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch.

Estrela reagierte enttäuscht und verbittert auf das Scheitern ihrer Resolution. „Obskurantismus und Heuchelei haben die Oberhand gewonnen“, bedauerte die 64-jährige Portugiesin. Sie hoffe, dass sich bei der kommenden Europawahl im Mai viele Wähler an diese „schändliche Abstimmung“ erinnern werden. Dies sei ein „Tag der Trauer“ für die Frauen in der EU, betonte die französische Sozialistin Sylvie Guillaume.

Der Präsident der Vereinigung katholischer Familien in Europa (FAFCE), Antoine Renard, sprach hingegen von einem „Sieg für die europäischen Bürger“. Ihre Stimme sei stärker gewesen, als die von „Lobby-Gruppen“, etwa der internationalen Föderation der Familienplanungsstellen.

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9 Kommentare

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  • H
    Hollo

    "Solange das Kind noch kein menschliches Lebewesen ist" Danke für diesen in sich widersprüchlichen Satz. Ab der Befruchtung lebt eben ein Kind, ein Mensch in der Mutter, der ein Recht auf Leben hat.

     

    Und wie frei ist denn die Entscheidung der Mutter, ihr Kind zu töten? Wie Juanme richtig anmerkt, ist es doch allermeistens eine empfundene oder reale Notlage, die Mütter zur Abtreibung bringt.

    Wo bleibt denn die von linker Seite vielbemühte Solidarität der Gesellschaft mit der Mutter, um ihr das "ja" zu ihrem Kind zu erleichtern?

     

    Wie Kardinal Schönborn anmerkt: Abtreibung ist für das Umfeld der Mutter die bequemste Lösung. Für die Mutter ist die Schuld, das eigene Kind zu töten, eine irrsinnige Last (PAS-Post Abortion Syndrome).

    Abtreibung ist doch vielmehr eine Pflicht in unserer egozentrischen, hedonistischen, familienfeindlichen Gesellschaft statt ein Recht.

     

    Danke der taz für den neutralen Artikel!

  • Es mag ja naiv sein, aber ich hatte eigentlich immer die Erwartung, dass sich in Europa politisch & gesellschaftlich alles zum Besseren entwickeln würde, dass wir näher zusammenwachsen würden, dass Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit & die Rechte der Menschen hier schneller voranschreiten & mehr geschätzt werden würden als andernorts... Aber es gibt leider immer noch bestimmte Kreise, die mit aller Macht dagegen an arbeiten. Aber ok, is ja nicht so schlimm, dass immer noch nicht alle Frauen in Europa selbst über ihre Körper bestimmen können... In Indien ist Homosexualität jetzt wieder strafbar. Beschweren wir uns lieber über die. Die handeln menschenverachtend. Wir sind Europa. Wir sind die Guten.

    Ihr denkt, es gäbe vernünftige Gründe „gegen Abtreibung“? lol… Es ist wirklich vollkommen irrelevant, welche Argumente die sogenannte katholische Kirche & andere erzkonservativen Kräfte in dieser sinnlosen Debatte anbringen! Als Frau sage ich ganz deutlich: MEIN KÖRPER GEHÖRT MIR! Es ist eine unerträgliche Dreistigkeit, wenn einem gesunden & zurechnungsfähigen Menschen das Recht auf die Souveränität über den eigenen Körper beschnitten wird. Ich möchte aufschreien für die Frauen in Irland, Polen & allen anderen Ländern weltweit!

    Was mich ganz gewaltig stört: 1. dass man Frauen die Souveränität über ihren Körper nehmen oder gar nicht erst zugestehen möchte; 2. dass versucht wird, dieses Recht zu banalisieren - vonwegen das wäre kein „wichtiges“ Recht, bei allen "wichtigen" Rechten (wie dem Wahlrecht & sauberem Wasser, etc.) wären Frauen (in Europa) schließlich nicht benachteiligt; 3. dass ernsthaft bezweifelt wird, dass Frauen mit diesem Recht (wenn es denn alle hätten) vernünftig umgehen könnten... Ernsthaft? Glaubt wirklich irgendwer, dass Frauen mit einer solchen Entscheidung leichtfertig umgehen würden? Ich behaupte einfach mal, dass eine Abtreibung IMMER aus einer Notlage heraus geschieht & NIEMALS zum Spaß!

  • S
    Störtebekker

    Ich finde es ist Zeit auch mal auf die Befindlichkeiten der christliche Religion Rücksicht zu nemen. Gleiches Recht für alle Religionen nicht nur für speziell auserlesene.

    • H
      Hans
      @Störtebekker:

      Wieso?

      Sie als ChristIn können weiterhin sich gegenüber der Abtreibung verwehren, so rein aus Glaubensfragen. Aber wieso sollen Nicht- oder Andersgläubige das auch müssen. Wieso soll ich in einem säkularen Staat nach christlichen Regeln leben? Und ich möchte den christlichen Idealen nicht all ihre Sinnhaftigkeit absprechen, aber ich halte es da eher mit den (natürlich auch christlich beeinflussten) allgemeinen Menschenrechten. Und solange eine Frau durch die Abtreibung keinen Menschen tötet (weil kein entwickeltes Gehirn vorliegt), geht es ausschließlich um das Recht über ihren Körper zu entscheiden.

  • H
    Hans

    Ich möchte das ein postiives Image für Christen vermittelt wird, denn die verdienen das.

     

    Es gibt kein Menschenrecht darauf ungeborene Kinder zu töten. Das ist gut.

     

    Das in Zusammenhant mit der Trennung von Staat und Kirche zu bringen ist lächerlich.

    • H
      Hans
      @Hans:

      Solange das Kind noch kein menschliches Lebewesen ist, geht es ausschließlich um die Rechte der Frau über ihren Körper selbst entscheiden zu können.

  • H
    hanseburg

    Und wieder zeigt sich das die Trennung von Staat und Kirche nur auf dem Papier existiert. Die größte Schande ist aber das Männer vor allem aus religiösen gründen immer noch bestimmen ob eine Frau ein Kind zur Welt bringen muss oder ob sie über ihren Körper selbst entscheiden darf.

  • J
    John

    "ein „positives Image“ von Homosexuellen, Lesben oder Bisexuellen vermitteln, hieß es in der Entschließung."

     

    An Schulen sollte weder positiv noch negativ darüber berichtet werden, sondern wissenschaftlich neutral.

    • V
      velofisch
      @John:

      Es geht um Menschen und die verdienen (fast) immer ein "positives Image". "Postives Image" meint daher nicht "positiveres Image als ...".

       

      "Schwangerschaftsunterbrechung" ist sicher ein Euphemismus und ein Recht darauf kann auch nicht absolut sein, sondern hängt an Fristen und Bedingungen.

      Der Vorschlag sah vor, die Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs (unabhängig vom Zeitpunkt) abzuschaffen:

      "39. fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten und der Kandidatenländer auf, von einer strafrechtlichen Verfolgung von Frauen, die einen illegalen Schwangerschaftsabbruch haben vornehmen lassen, abzusehen"

      Also die alte 68er-Forderung nach Abschaffung des § 218 StGB und deutlich weitgehender als die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig verworfene Fristenlösung. Dabei muss allerdings gesagt werden, dass dies damals eine politische Entscheidung des Gerichts war, die in dieser Form wohl so nicht wieder passieren dürfte.