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Abstimmung im Bundestag am FreitagAuf zur Blitz-Hochzeit

Nach jahrelangem Gezerre um die Ehe für alle geht es jetzt ganz schnell. Schon am Freitag soll das Parlament entscheiden. Ein Affront gegen die Union.

Willst du mich Freitag heiraten? Foto: dpa

Berlin dpa | Der Bundestag wird noch in dieser Woche über die Ehe für alle entscheiden – gegen den Willen der Unions-Spitze. SPD, Linke und Grüne setzten am Mittwoch im Rechtsausschuss des Bundestages mit knapper Mehrheit durch, dass das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung des Parlaments kommt – an diesem Freitag. Ein solches rot-rot-grünes Votum gegen die Stimmen der Union ist ein bemerkenswerter Vorgang und bedeutet eine offene Konfrontation zwischen den Koalitionspartnern.

Die Spitzen der Unions-Fraktion hatten sich gegen eine Abstimmung vor der Bundestagswahl ausgesprochen. Im Bundestag gilt eine Mehrheit für die Ehe für alle als sicher.

Dem Parlament liegen bereits seit längerem drei Gesetzentwürfe für die uneingeschränkte Homo-Ehe vor – von Linken, Grünen und vom Bundesrat. Über den Antrag der Länderkammer soll nun abgestimmt werden. Die große Koalition ist in der Frage gespalten und hat bislang eine Abstimmung dazu verhindert, indem sie das Thema im Rechtsausschuss 30 Mal vertagte.

Die jahrelange Debatte gewann plötzlich enorm an Tempo, nachdem Kanzlerin Angela Merkel am Montag überraschend vom klaren Nein der CDU in dieser Frage abgerückt war und öffentlich von einer Gewissensentscheidung gesprochen hatte. Die SPD nahm das zum Anlass, eine schnelle Parlamentsabstimmung durchzusetzen und die Union damit drei Monate vor der Bundestagswahl in die Enge zu treiben.

SPD, Linke und Grüne votierten im Rechtsausschuss geschlossen dafür, das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung des Parlaments zu hieven. Abgeordnete der drei Fraktionen äußerten sich zufrieden. Der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner sagte: „Es darf in Deutschland keine Liebe erster und zweiter Klasse geben.“ Die Union stimmte im Ausschuss gegen das Vorhaben.

Es darf in Deutschland keine Liebe erster und zweiter Klasse geben.

SPD-Rechtspolitiker Fechner

Die Unions-Spitze hatte sich gegen eine Abstimmung vor der Bundestagswahl gesperrt – und wirft der SPD wegen ihres Vorstoßes „Vertrauensbruch“ vor. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nannte das Vorgehen der Sozialdemokraten „unwürdig“ und beschuldigte sie, das Thema als „Wahlkampfmunition“ zu missbrauchen. Merkel selbst hatte das Vorgehen der SPD in der Unionsfraktion am Dienstag laut Teilnehmerkreisen als „überfallartig“ kritisiert.

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn beklagte ein Eiltempo bei dem Thema. Im ARD-„Morgenmagazin“ kritisierte er, die Sozialdemokraten hielten sich nicht an die ursprüngliche Absprache der Koalition, zu dem Thema keine Beschlüsse zu fassen. Spahn bemängelte jedoch nur das Verfahren. In der Sache ist er dafür und kündigte an, für die Öffnung der Ehe zu stimmen.

Andere Unions-Politiker lehnen das Vorhaben dagegen vehement ab und haben bereits ein Nein bei der Abstimmung im Parlament in Aussicht gestellt – unter anderen Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU).

Oppermann fordert namentliche Abstimmung

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann kündigte an, bei der anstehenden Entscheidung im Bundestag eine namentliche Abstimmung zu beantragen, um offenzulegen, welche Abgeordeneten hinter der Ehe für alle stehen.

Mehrere Abgeordnete aus dem Rechtsausschuss sagten, die Abstimmung werde voraussichtlich am Freitag zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden – als einer der letzten Tagesordnungspunkte vor der parlamentarischen Sommerpause. Die CDU/CSU-Fraktion hat die Entscheidung zur Gewissensfrage erklärt. Damit entfällt der sogenannte Fraktionszwang, der Abgeordnete an eine vorgegebene Linie binden soll.

Die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast (Grüne), sagte, sie rechne am Freitag mit einer „überwältigenden Mehrheit“. Am 7. Juli soll sich der Bundesrat abschließend damit befassen. Künast sagte, die Regelung könne wohl ein paar Wochen später in Kraft treten. „Ab da kann geheiratet werden“, sagte sie. „Ich rate schon mal allen Standesämtern in der Bundesrepublik, ihr Personal aufzustocken.“

In Deutschland gibt es für schwule und lesbische Paare seit 2001 die Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen. Die ist aber rechtlich nicht mit der Ehe gleichgesetzt. Künast sagte, wer eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sei, könne künftig beim Standesamt beantragen, dass diese in eine Ehe umgewandelt werde.

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23 Kommentare

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  • @DIMA etc.

    Unsinn! Was in einer Koalition vereinbart wurde, kann doch jedermann jederzeit im Koalitionsv e r t r a g nachlesen. https://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/2013/2013-12-17-koalitionsvertrag.html

     

    Ich zitiere hier nur mal aus der Präambel:

    „Wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen, wollen wir sie unterstützen.

    Unsere Gesellschaft braucht starke Familien. Deshalb wollen wir Ehe und

    Familie stärken. In einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft wollen wir gleiche Rechte

    für alle Bürgerinnen und Bürger.“

    • @Rainer B.:

      Sorry, Vereinbarungen zwischen den Koalitionären werden nicht nur im Koalitionsvertrag geregelt. Aus der von Ihnen zitierten Fundstelle sowie dem übrigen Koalitionsvertrag ergibt sich gerade nicht die Einführung der Ehe für Alle.

       

      Im Übrigen: http://www.queer.de/detail.php?article_id=28923

      • @DiMa:

        Was denn sonst soll damit wohl gemeint gewesen sein? Die Anhebung aller Managergehälter auf Weltspitzenniveau?

        • @Rainer B.:

          Selbst die SPD Spitze ist nie soweit gegangen und hat behauptet, dass die Ehe für alle im Koalitionsvertrag verankert gewesen wäre.

          • @DiMa:

            Wieso sollten die auch etwas behaupten, was ohnehin für alle offensichtlich ist?

      • @DiMa:

        Auch in der heutigen Bundestagsdebatte hat Herr Oppermann betont, dass eine Abstimmung bisher aufgrund der Koalitionsvereinbarungen nicht möglich war. Solche Koalitionsvereinbarungen sind bis zuletzt nicht aufgehoben worden. (Ein Statement in einer Talk-Runde ist dazu sicherlich nicht geeignet).

        • @DiMa:

          Eben - was in interministeriellen Talk-Runden nebenbei so gedealt wird, ist gegenüber anderslautenden Vereinbarungen im Koalitionsvertrag bedeutungslos.

          Mittlerweile doch sowieso alles kalter Kaffee von vorgestern.

          • @Rainer B.:

            Wenn das gemeint gewesen wäre, hätte die SPD viel früher auf die Durchsetzung bestanden und wäre anders vorgegangen. Schnee von gerstern ist lediglich die zivilrechtlich Unterscheidung. Eine verfassungsrechtliche Gleichstellung steht noch aus. Der erneute Wortbruch von Schulz dürfte alles andere als "Schnee von gestern" sein.

            • @DiMa:

              Kappes! Herr Schulz war doch noch gar nicht im Spiel als der Koalitionsvertrag geschlossen wurde, kann schon allein deshalb auch beim besten Willen jetzt keinen „Wortbruch“ begangen haben. Warum die SPD nicht viel früher auf einer Abstimmung bestanden hat, das müssen sie schon die SPD fragen. Die Mehrheiten dazu waren von Beginn der Legislaturperiode an vorhanden. Die ganze Angelegenheit wurde allerdings schon 30 (!) mal vertagt.

              Einer gesonderten „verfassungsmäßigen Gleichstellung“ bedarf es hier gar nicht. Das BVerG hat dem Gesetzgeber die rechtliche Ausgestaltung der Ehe bereits 2002 überlassen.

              „Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen.“

               

              BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 17. Juli 2002

              • @Rainer B.:

                Nein, Herr Schulz war nicht "im Spiel" als der Koalitionsvetrag geschlossen worden ist. Er hat jedoch höchst medienwirksam als Vorsitzender der SPD bekannt gegeben, dass die SPD die Abstimmung noch in der laufenden Legislaturperiode durchführen werde. Erst damit hat er den Affront losgetreten und zu verantworten.

  • In der Koalition war vereinbart, dass in dieser Legislaturperiode nicht mehr über diese Frage abgestimmt wird. Den plötzlichen Bruch dieser Vereinbarung muss man wohl als "überfallartig" bezeichnen. Das sich Herr Schulz nicht an getroffene Vereinbarungen hält, durfte die CDU ja bereits zu dessen EU-Parlamentszeiten leidlich erfahren, als es um die Besetzung der Position des Parlamentsvorsitzes ging.

     

    Insoweit ist Herr Schulz Wiederholungstäter. So ein durchsichtiges Manöver bringt sicher keine Punkte.

  • Ein sehr guter Coup von Kanzlerin Merkel: in dem Moment in dem die AfD Stimmenverluste zu vermuten hat bzw. sich einige Konservative von der Alternative abwenden, weil sie ihnen zu rechtsradikal ist/ wird, gibt es damit auch keine sofort verwendbare Partei, die man wählen kann, um gegen diesen nichtkonservativen Schritt zu protestieren.

  • Mit „überfallartigem“ Vorgehen bei Gesetzesvorhaben kennt sich doch niemand besser aus, als die CDU/CSU-Fraktion. Da wird dann notfalls auch kurz vor Mitternacht mal eben über Grundlegendes abgestimmt, wenn eh kaum noch einer im Bundestag sitzt. Wie man nach 12 Jahren Debatte und 30 (!) Vertagungen hier jetzt von einem „Überfall“ und einem „Vertrauensbruch“ der SPD reden kann, das weiß allein Ludwig Thoma noch halbwegs plausibel zu erklären.

    http://gutenberg.spiegel.de/buch/-718/5

    • @Rainer B.:

      Da hätte man die Abstimmung ja auch gleich auf Donnerstagabend (Halbfinale Confed-Cup Deutschland-Mexiko) vorverlegen können...

      • @cursed with a brain:

        Hätte, hätte ... jetzt nicht mehr.

  • Ich finde die Ehe für alle ist zu wichtig um sie für wahltaktischen Überlegungen zu mißbrauchen wie es die SPD meiner Meinung nach jetzt tut.

    Was ist denn wenn die christdemokratischen Abgeordneten aus Trotz geschlossen dagegen stimmen und die Stimmen vielleicht nicht reichen oder es sehr knapp wird?

    Besser wäre eine einvernehmliche Abstimmung nach der Bundestagswahl mit voraussichtlich überwältigender Mehrheit dafür.

    Auf die paar Monate kommt es jetzt auch nicht mehr an.

    • @Suchender:

      Weiß, männlich?... Die Aussage „ auf ein paar Monate kommt es auch nicht mehr an“ wäre dafür jedenfalls typisch. Es gibt Menschen, die seit langer Zeit um jedes einzelne ihrer Rechte kämpfen müssen!! Wir haben keine „paar Monate“ mehr, wir wollen einfach nur das die Grundrechte auch für uns gelten!

      • @Henry vom Deich:

        Ich glaube Sie lesen zu häufig die Kolumne "böse weiße Männer".

        Bedenken Sie bitte, daß in den Ländern in denen weiße Männer Entscheidungsträger sind Homosexuelle die meisten Rechte und Freiheiten haben.

        Aber ich denke meine Aussage, daß es auf ein paar Monate nicht ankommt war falsch und hoffe, daß es am Freitag klappt.

    • @Suchender:

      Nachdem ich Ihre Beiträge zu dem Thema schon ein paar Tage verfolgt habe, bin ich mir sicher, dass Sie die Ehe für alle vehement ablehnen, das aber nie so zugeben würden. Dieses Suchen nach Ausreden ist typisch.

       

      Die Union verhindert seit Jahren eine einvernehmliche Abstimmung. Den Gesetzesentwurf gibt es schon längst, die Mehrheit dafür auch. Es wurde Zeit, dass die falsche Rücksicht auf ein paar ewig Gestrige fallen gelassen wird. Die Betroffenen warten schon sehr lange. Nicht wenige sind darüber verstorben. Nein! Die Menschen können (und müssen) nicht länger warten.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Sie sollten wirklich Ihren Mitmenschen gegenüber weniger mißtrauisch sein und erstmal ihren Worten grundsätzlich glauben schenken.

        Würde mir nur in dieser Frage eine möglichst breite Zustimmung wünschen auch als Signal Richtung Osteuropa.

        Wenn es denn so ist, daß die Betroffenen nicht mehr warten wollen soll es nächste Woche beschlossen werden.

        • @Suchender:

          Sie sagen, Sie sind dafür, finden aber immer mehr Ausreden, warum jetzt ein ungünstiger Zeitpunkt ist. Das machen Menschen, die verschleiern wollen, dass sie dagegen sind.

           

          Es handelt sich um einen Variante der schönen Aussage: §Ich bin ja tolerant, aber..."

           

          "...Signal Richtung Osteuropa..."

           

          Welches? Das in D nur geredet und nicht gehandelt wird? Den Menschen in Osteuropa ist es völlig Wurst, wie die "Ehe für alle" in D beschlossen wird.

  • mal ehrlich: mir als verklemmtem hetero war/ist die schwule art (sic!) eines rosa von praunheim immer sympathisch gewesen - beim westerwelle zum beispiel hatte ich vorstellungsprobleme.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Gion :

      Klar.

      Und bei Alice?

       

      Der Schwabe sagt: Au onder dene gibt 's sodde ond sodde.