■ Mit nützlichen Aufwendungen auf du und du: Absolut unbestechlich
Freiburg (taz) – Bei der Hälfte aller öffentlichen Bauausschreibungen kommt es zu rechtswidrigen Absprachen, schätzte das Bundeskartellamt vor einigen Jahren. Der Frankfurter Wirtschaftsstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner beziffert den Anteil der Betrugsfälle sogar auf 90 Prozent. Durch überhöhte Preise entsteht der öffentlichen Hand dabei Jahr für Jahr ein Schaden von mehreren Milliarden Mark.
Meist sind in die Machenschaften auch Mitarbeiter der Bauverwaltung verwickelt, neben dem Betrug liegt also auch Bestechnung vor. Die strafrechtliche Ahndung solcher Netzwerke wird aber dann schwierig, wenn die Behörden in die Auftragsvergabe private Architektur- oder Ingenieurbüros einschalten. Diese sind nämlich keine Amtsträger, auch wenn sie im Auftrag der öffentlichen Hand agieren – so entschied am Donnerstag abend der Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
Die Folge: Eine Bestrafung wegen Bestechung ist in derartigen Fällen künftig nicht mehr möglich. Als erste profitieren von dieser höchstrichterlichen Klarstellung fünf Siemens-Manager, die 1995 unter anderem wegen Bestechung eines unabhängigen Prüfingenieurs verurteilt worden waren.
Der Mann hatte in den 80er Jahren rund 200.000 Mark dafür erhalten, daß er den Siemens- Mafiosi Bieterlisten für die Ausschreibung mehrerer Kläranlagen zukommen ließ. Das Landgericht München hatte den Ingenieur als Amtsträger eingestuft, weil er von den Städten München und Kaufbeuren mit der Vorbereitung der Ausschreibung beauftragt worden war.
Der Prozeß gegen die fünf Siemens-Manager muß nun teilweise neu aufgerollt werden. Neben der vom Bundesgerichtshof bestätigten Verurteilung wegen Betruges könnten sie nun aber immerhin noch wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Untreue bestraft werden.
Dem Gesetzgeber legte der Bundesgerichtshof eine Anpassung des Strafgesetzbuches nahe, schließlich würden inzwischen immer mehr öffentliche Aufgaben auf Privatpersonen und Unternehmen übertragen werden (Az: 1 StR 233/96). Christian Rath
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