Abschluss der Leipziger Buchmesse: Eingeschneit zwischen Kleingeistern
Übel, die Gefolgschaft sogenannter Rechtsintellektueller. Herrlich dagegen der Schnee. Und bei „Antaios“ gibt's ein Gerangel.
Die rechte Ecke ist abgesperrt
Am Samstag lud die Zeitschrift Sezession auf der Leipziger Buchmesse zu einer Diskussion über „Hegung und Enthemmung“. Subversive Aktionen dagegen seien geplant, keinesfalls wolle man die Fehler der Frankfurter Messe wiederholen, war aus aktivistischen Kreisen zu hören gewesen.
Ein Besuch der Veranstaltung auf der Leseinsel in der rechten Ecke von Halle 3 war aber trotz leerer Plätze nicht möglich, weil die Polizei sie schon eine Stunde vorher wegen Überfüllung geschlossen habe, wie Ordner erklärten.
Identitäre hatten sich sich unter einem Banner gegen „Politische Korrektheit“ und „Kulturmarxismus“ versammelt. Diese Kombination kann einem bekannt vorkommen aus dem Pamphlet des norwegischen Massenmörders Anders Breivik, der Europa eben davor zu retten behauptete, indem er Dutzende von jungen Sozialdemokraten erschoss.
Vor der Leseinsel drängelte derweil Antifa, die einmal mehr den Rechten die gewünschte Publicity verschaffte. Angeblich kam es später zu Zusammenstößen. Da waren wir aber schon weg. Denn nachdem wir die Gefolgschaft jenes Verlags, der als „rechtsintellektuell“ etikettiert wird, kennengelernt hatten, hatten wir entschieden, wieder zu gehen.
Der ältere Begleiter einer jungen blonden Frau hatte einer Kollegin demonstrativ enthemmt vor die Füße gespuckt – vermutlich, weil er ihre Hautfarbe für zu dunkel befand, um sich damit auf einer deutschen Buchmesse aufhalten zu dürfen. Eine anderer hegte seine Projektionen auf einem Schild: „Antifa. Schon unsere Großeltern waren Geschwister.“ Wie der Herr, so’s Gscherr, sagt man in Bayern.
Bemerkenswerter war da doch der herrliche Winter, der plötzlich wiedergekommen war. Am Morgen war man aufgewacht in weißer Pracht. Leipzig war eingeschneit. Google Maps war wie so oft nicht zu gebrauchen, keine Tramlinie auf der Karte zu finden. Weswegen man sich abends auf dem Rückweg entschied, ein Taxi zu nehmen. Die Schlange der Wartenden vor dem Hauptbahnhof disziplinlos, wohl keine Briten darunter.
Der Taxifahrer sagt, als er die Destination erfährt: „Wieso fahren Sie nicht mit der Tram? Das sind sechs Haltestellen und wäre viel billiger.“ Wir nähmen Leuten die Sitzplätze weg, die mit dem Taxi nach Berlin oder Hamburg wollten, mit ihren Vouchern von der Bahn. Vor kurzem habe er mal Voucherbesitzer nach Bremen gefahren. 2.300 Euro, die Uhr stelle man bei der Rückkehr ab.
Dann wendet sichdas Gespräch Fahrgästen zu, welche die Zeche prellen. Vor kurzem hätten Kollegen solche Delinquenten erwischt und krankenhausreif geschlagen. Etwas übertrieben wegen 7 Euro 60, das gibt er dann doch zu. Wir wollen wissen: Wie fängt man die? Für solche Fälle und für Überfälle habe man einen Alarmknopf im Auto, den ein Kollege vor kurzem aus Versehen gedrückt habe.
Als sein Wagen an der Ampel hielt, hätten herbeigeeilte Kollegen das Fahrgastpaar, das auf dem Weg zur Oper war, auf die Straße gezerrt. Das hätte dann doch eine Anzeige gegeben. Wir nicken, lächeln und versprechen, in Zukunft mit der Straßenbahn zu fahren.
Ulrich Gutmair
Vorwürfe gegen die Buchmessenleitung
Die Leipziger Buchmesse ging am Sonntag zu Ende, die Debatte über den Umgang mit rechten Verlagen, Autoren und ihren Anhängern ist es noch nicht. Am Samstag hatten zunächst bekannte Protagonisten der neuen Rechten wie Götz Kubitschek und Ellen Kositza versucht, eine Veranstaltung mit dem Titel „Über Rechte schreiben“ mit Zwischenrufen zu stören.
Am späten Nachmittag gab es dann Proteste bei einer Veranstaltung des rechten Antaios-Verlags. Lisa Mangold von der Initiative „Verlage gegen Rechts“ zog am Sonntag eine überwiegend positive Bilanz: „Unser Bündnis hat dazu beigetragen, dass sich nicht nur die Messe als Institution, sondern auch Verleger und Besucher aktiver mit der Präsenz rechter Verlage auseinandergesetzt haben.“
Gleichzeitig übte Mangold Kritik an der Buchmessenleitung: Diese habe ihr Versprechen, einzugreifen, falls es zu rechten An- oder Übergriffen komme, nicht eingelöst. „Wenn Holocaustleugner auf der Messe sprechen und Flugblätter verteilen, wenn Menschen bedroht und angegangen werden, dann erwarten wir, dass die Messeleitung dagegen vorgeht“, so Mangold.
Bis Sonntagmittag lag dazu keine Stellungnahme seitens der Buchmessenleitung vor. Zu den Ereignissen von Samstag erklärten die Veranstalter, die Messe gebe „bewusst Raum für friedliche Meinungsäußerung“.
Während der Veranstaltung des Antaios-Verlags hatten Protestierende ein Transparent entrollt und waren gewaltsam abgedrängt worden, unter anderem von einem Mitglied der Identitären. Es gab Sprechchöre von beiden Seiten und kleinere Rangeleien.
Das Leipziger Bündnis Buchmesse gegen Rechts hatte solche Szenen verhindern wollen und deshalb während der Antaios-Veranstaltung eine eigene Kundgebung in der Messehalle abgehalten. „Für uns ist die Buchmesse ein Ort des Austauschs und der Debatte. Diese endet aber da, wo sie die Grundsätze einer offenen Gesellschaft infrage stellt“, sagte Bündnis-Sprecherin Hannah Sandner.
Rechte beriefen sich nur so lange auf Meinungsfreiheit, wie sie sie für ihre eigenen Ziele nutzen könnten, an Austausch seien sie nicht interessiert. Dies habe sich schon bei der Veranstaltung am Vormittag gezeigt: Als die offene Diskussion begonnen habe, seien die Rechten längst wieder weg gewesen.
Malene Gürgen
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