Abschied von Thomas Gottschalk: Als Gott den Schalk verlor
„Wetten dass..?“ war in besten Momenten inklusiv. Bei der letzten Sendung ging leider vieles daneben. Thomas Gottschalks Abgang war traurig.
E s hätte ein schöner, versöhnlicher, ja sogar zauberhafter Abschied werden können. Die nun aber wirklich letzte „Wetten, dass..?“-Show mit Thomas Gottschalk war eine Chance, zu zeigen, dass auch im Jahr 2023 noch geht, was in den besten Momenten dieser Sendung manchmal funktioniert hat: weite Teile der Gesellschaft zusammenzubringen, die sonst nicht viel miteinander zu tun haben und die wenigstens für ein paar Stunden ein Gefühl der Gemeinsamkeit spürten. Jung und alt, mehr und weniger akademisch, Nerds aus der Provinz und Weltstars aus Hollywood. Inklusiv und divers statt polarisierend.
Hätte, hätte, Fehlerkette.
Gottschalks trauriger Abgang fing schon damit an, dass er nicht die Größe hatte, beim großen Rückblick auch an die Schattenseiten seiner Schaffenszeit zu erinnern. An das Unfallopfer Samuel Koch, an den Buntstift-Schummler Bernd Fritz oder wenigstens an die langjährige Comoderatorin Michelle Hunziker, die ihn beim Moderieren zuletzt oft überstrahlte.
Alles sollte sich zum Schluss nur noch um ihn, den großen Gottschalk, drehen und ging gerade deshalb nach hinten los. Weil er am Ende auch noch lamentierte, dass er heutzutage im Fernsehen nicht mehr wie zu Hause reden könne und deshalb lieber gar nichts mehr sage, dreht sich die öffentliche Nachbetrachtung nicht um seine unbestreitbare Lebensleistung, sondern um den angeblich bösen Zeitgeist, der ihm das Wort verbiete.
Diese Mär vom politisch korrekt durchzensierten Fernsehen ist heillos übertrieben, wie nicht nur Dieter Nuhr beweist. Gottschalks Selbstmitleid zerstört auch sein Image. Denn sein Name war Programm: Er war ein Fernsehgott, weil er den Schalk im Nacken hatte. Jetzt bleibt er als verbitterter Alter in Erinnerung, der nicht einsehen will, dass seine zunehmenden Aussetzer und sexistischen Geschmacklosigkeiten einfach nicht mehr lustig sind, und deshalb wütend aufhört. So bleibt vom viel gerühmten Lagerfeuer, an dem sich das Fernsehvolk versammelte, nur noch Asche. Das ist schade, weil wir ein Gefühl der Gemeinsamkeit gerade dringend bräuchten. Es wäre schön, wenn es jemand neu entzünden könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Hamburg und die Kühne-Oper
Als das Wünschen noch geholfen hat