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Abschiebungen nach Sri LankaIns Land der Folterpolizei

In Sri Lanka ist die tamilische Minderheit alltäglicher Repression ausgesetzt. Die Bundesregierung weiß das – und schiebt trotzdem dorthin ab.

Verteidigungsminister, seit 2019 nun Präsident von Sri Lanka: Gotabaya Rajapaksa Foto: Krishan Kariyawasam/imago-images

Berlin taz | An diesem Montag schiebt Deutschland Asyl­be­wer­ber:in­nen der tamilischen und muslimischen Minderheit nach Sri Lanka ab. Das berichtet die internationale Menschenrechtsorganisation IMRV Bremen. Von welchem Flughafen der Abschiebe­flug starten und wie viele Personen ausgeflogen werden sollen, ist der Organisation nicht bekannt.

Das Bundesinnenministerium wollte den Abschiebeflug auf Anfrage der taz nicht bestätigen. Fakt ist: Im Jahr 2021 haben Bund und Länder bislang 42 Asyl­be­wer­be­r:in­nen in das jahrzehntelange Bürgerkriegsland (1983–2009) abgeschoben – und damit bereits jetzt deutlich mehr als in den vergangenen Jahren.

„Ich halte Abschiebungen nach Sri Lanka, wie sie jetzt geplant sind, für völlig inakzeptabel angesichts der schwersten Menschenrechtsverletzung im Land“, kritisierte der linke Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko am Freitag in einer Videobotschaft und forderte den sofortigen Stopp der Abschiebungen.

Im März hatte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine Zunahme der Gewalt und Repression unter anderem gegenüber ethnischen und reli­giö­sen Minderheiten festgestellt und eine juristische Aufarbeitung der Bürgerkriegsverbrechen beschlossen – ein Affront gegen Präsident Gotabaya Rajapaksa, dem sowohl als damaliger Kriegsherr als auch als späterer Verteidigungsminister Kriegsverbrechen zur Last gelegt werden. Be­ob­ach­te­r:in­nen zufolge verfolgt Rajapaksa einen radikalen singhalesisch-buddhistischen Nationalismus.

Präventive Haft seit 1978

Auch Lisa Skender vom IMRV Bremen kritisiert die geplante Abschiebung. „Seitdem Rajapaksa im Amt ist, hat sich die Menschenrechtslage vor allem für Ta­mi­l:in­nen drastisch verschlechtert.“ Im Mai nahm Skender selbst an einer Fact Finding Mission in Sri Lanka teil. Ta­mi­l:in­nen und Mus­li­m:in­nen hätten von willkürlichen Verhaftungen, Bedrohungen gegen sich und Familienangehörige sowie engmaschiger Überwachung vonseiten der Sicherheitsbehörden berichtet.

Das Team wollte auch dokumentieren, wie Abgeschobene aus Deutschland behandelt werden. Von den 22 Personen, die Ende März von Düsseldorf nach Sri Lanka gebracht wurden, hat das fünfköpfige Team jedoch keine Person ausfindig machen können. „Wir haben nicht herausfinden können, was aus ihnen geworden ist“, so Skender. Ihre Vermutung: Dass sie unter dem Vorwand Terrorismusverdacht weggesperrt worden sein könnten. Tatsächlich bietet der 1978 eingeführte Prevention of Terrorism Act (PTA) auch heute noch die Grundlage, Personen monatelang „präventiv“ und ohne Gerichtsprozess festzusetzen.

Wie es um die Menschenrechte in Sri Lanka steht, weiß auch die Bundesregierung. Das bezeugt der aktuelle Lagebericht des Auswärtiges Amts von 2021, der der taz in Auszügen vorliegt. Darin heißt es unter anderem: „Autoritäre Muster nehmen zu. Minderheiten (insbesondere Muslime und Tamilen) sehen sich marginalisiert und Anfeindungen ausgesetzt. Festnahmen unter dem drakonischen PTA finden weiterhin statt, NROs fühlen sich eingeschüchtert und in den Medien herrscht teilweise wieder Selbstzensur.“

Dass die Bundesregierung trotz der deutlichen Wortwahl im Lagebericht bereit ist, Angehörige der nachweislich gefährdeten Minderheiten der staatlichen Willkür in Sri Lanka auszusetzen, ist Skender „absolut unverständlich“. Ebenso, wieso die Bundesregierung Anfang des Jahres erst die Resolution des UNHCR unterstützt, eine Woche später aber dennoch einen Sammelabschiebeflug durchführt.

Bericht weist Folter nach

Nach einem aktuellen Bericht des International Truth and Justice Project (ITJP), das Menschenrechtsverbrechen in Sri Lanka dokumentiert, drohen Ta­mi­l:in­nen in dem Land willkürliche Verhaftungen und schwere Folter.

In 15 Fällen sei nachgewiesen, dass Angehörige von Militär und Polizei 14 Männer und eine Frau in Gewahrsam verprügelt, ihnen Brandwunden zugefügt, mit Plastiktüten über dem Kopf die Luft genommen oder sie mit Eisenstangen vergewaltigt haben. Die Regierung bestreitet die Vorwürfe.

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