piwik no script img

Abschiebungen nach GriechenlandDeutschland weist auch weibliche Geflüchtete ab

Die Situation für anerkannte Geflüchtete in Griechenland ist übel. Trotzdem will die Bundesregierung wohl auch Frauen bald dorthin zurückschicken.

Ein Flüchtlingslager auf Samos, Griechenland Foto: Nicolas Economou/imago
Frederik Eikmanns

Von

Frederik Eikmanns aus Berlin

taz | Die deutschen Behörden verweigern nicht mehr nur jungen Männern, sondern auch geflüchteten Frauen Schutz in Deutschland, wenn diese bereits ein Asylverfahren in Griechenland durchlaufen haben. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Grünen-Abgeordneten Filiz Polat betrifft dies auch ältere Menschen bis 62 Jahre. „Die Bundesregierung muss ihre Praxis der Unzulässigkeitsentscheidungen und Abschiebungen nach Griechenland sofort aussetzen“, fordert sie deswegen.

Die Abschiebungen betreffen Geflüchtete, die in Griechenland Asyl beantragt und Schutz erhalten haben. Fast alle von ihnen ziehen nach der Anerkennung in andere EU-Länder und stellen dort erneut Asylanträge, da die Lebensbedingungen in Griechenland katastrophal sind.

Das ist von der griechischen Regierung auch beabsichtigt. Indem Geflüchtete nach der Anerkennung etwa unverzüglich die staatlichen Unterkünfte verlassen müssen, sollen sie verelenden und damit zur Weiterreise gezwungen werden. Zuletzt strich die griechische Regierung auch das Helius-Programm, das Geflüchteten zumindest geringe Mietzuschüsse gewährt.

Wegen der prekären Lage in Griechenland schob Deutschland lange Zeit niemanden dorthin ab, obwohl das Dublin-System dies vorsieht. Stattdessen erhielten fast alle ein neues Asylverfahren und bei positivem Bescheid eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland.

Offenbar schon 2.100 Frauen abgelehnt

Im Frühjahr 2025 entschied jedoch das Bundesverwaltungsgericht, dass Abschiebungen nach Griechenland für arbeitsfähige junge Männer wieder möglich seien. Zwar gebe es dort weder staatliche Unterstützung, noch viele reguläre Jobs, doch könnten die Betroffenen in der „Schattenwirtschaft“ Arbeit finden, so das Gericht. Gemeint ist Schwarzarbeit. Seitdem lehnt Deutschland die Asylanträge junger Männer mit Schutzstatus aus Griechenland fast immer als unzulässig ab.

Am Donnerstag bestätigte das Bundesverwaltungsgericht diese Linie im Fall eines 29-jährigen Geflüchteten aus Syrien, der gegen seine drohende Abschiebung nach Griechenland geklagt hatte. Es sei nicht zu erwarten, dass er dort in eine extreme materielle Notlage gerate, so die Richter*innen.

Aus der Antwort auf Polats Anfrage geht hervor, dass diese Praxis längst nicht nur junge Männer betrifft. Stattdessen sei eine Ablehnung als unzulässig auch möglich in allen Fällen von „arbeitsfähigen, gesunden und alleinstehenden weiblichen Schutzberechtigten sowie der arbeitsfähigen, gesunden und kinderlosen Ehe- bzw. Lebenspartner mit internationalem Schutzstatus in Griechenland, die das 62. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.“

Kein Konsens zwischen BAMF und Gericht

Die Zahlen bestätigen dies. Von den rund 17.000 Asylanträgen, die in diesem Jahr als unzulässig abgelehnt wurden, stammten etwa 2.100 von Frauen mit griechischem Schutzstatus.

Demnach schätzt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Lage in Griechenland noch positiver ein als das Bundesverwaltungsgericht, das ja explizit nur über die Situation junger geflüchteter Männer entschieden hatte. Grünen-Abgeordnete Polat dazu: „Diese Politik verweigert sich der Realität. Sie ignoriert die humanitäre Not – mitten in Europa.“

Wie viele Frauen oder ältere Geflüchtete tatsächlich nach Griechenland abgeschoben wurden, bleibt unklar. Auch unabhängige NGOs haben dazu bisher keine Berichte vorgelegt. Die Bundesregierung verweist auf die Zuständigkeit der Länder und drückt sich um eine Antwort. Sicher ist jedoch, dass die Zahl der Abschiebungen nach Griechenland rapide steigt. In der ersten Jahreshälfte 2025 wurden bereits 388 Menschen dorthin zurückgeschickt, wo sie nun durchschlagen müssen.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare