Abschiebung nach Afghanistan: Karlsruhe prüft
Vor Rückführungen nach Afghanistan müssen immer wieder neue Erkenntnisse über die aktuelle Sicherheitslage gesammelt werden.
Am 14. Dezember gab es erstmals seit 12 Jahren wieder einen größeren Abschiebeflug nach Afghanistan. 50 ausreisepflichtige Afghanen sollten per Sammelabschiebung in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden. 34 Personen saßen am Ende im Flugzeug. Pro Asyl kritisierte die Abschiebung als verantwortungslos. „Die dort angeblich sicheren Gebiete sind nicht erreichbar, und was heute angeblich sicher ist, ist es morgen nicht mehr“, sagte Pro-Asyl-Chef Günter Burkhardt.
Insgesamt sechs Betroffene erhoben Rechtsmittel gegen die Abschiebung. In drei Fällen wurden die Rechtsmittel abgelehnt, insbesondere wenn kurzfristig beauftragte Anwälte fast gar nichts Konkretes über ihren Fall sagen konnten. Drei Rechtsmittel waren dagegen erfolgreich, davon zwei beim Bundesverfassungsgericht.
Konkret hat Karlsruhe im Fall von zwei abgelehnten afghanischen Asylbewerbern die Abschiebung per einstweiliger Anordnung gestoppt. Das Gericht wollte aufgrund einer Folgenabwägung verhindern, dass mit der Abschiebung vollendete Tatsachen geschaffen werden. Das heißt: Über die Verfassungsbeschwerde wurde noch nicht inhaltlich entschieden.
Neue Erkenntnisse muss man berücksichtigen
Es ist nicht zu erwarten, dass die Verfassungsrichter am Ende Abschiebungen nach Afghanistan generell verbieten. Die Prüfung, ob es in Afghanistan sichere Gebiete gibt, werden sie voraussichtlich den Verwaltungsgerichten überlassen. Was die Verfassungsrichter aber wohl einfordern werden, ist jeweils immer neu eine Prüfung der aktuellen Lage in Afghanistan durch das Bundesamt für Migration und die Verwaltungsgerichte. Die Verfassungsrichter werden kaum akzeptieren, dass Asylfolgeanträge einfach mit dem Argument abgelehnt werden, dass sich die Lage in Afghanistan seit der Ablehnung des ersten Asylantrags nicht verändert habe. Wenn es neue Erkenntnisse gäbe, müssten sie auch berücksichtigt werden, heißt es in der Begründung einer der beiden einstweiligen Anordnungen.
In beiden Fällen haben die Richter die Abschiebung zunächst nur bis zum 26. Januar ausgesetzt. Das heißt aber nicht, dass die endgültige Entscheidung bis dahin erfolgen muss. Die Frist soll nur sicherstellen, dass die Anwälte bis dahin eine Vollmacht ihrer jeweiligen Mandanten vorlegen. Nach Beibringung der Vollmacht wird die Frist vermutlich deutlich verlängert.
Das Bundesinnenministerium will mit neuen Sammelabschiebungen nicht auf die Karlsruher Entscheidung warten. Betroffene müssen also auch künftig kurzfristig individuell klagen. Den Termin des nächsten Abschiebeflugs will das Ministerium nicht ankündigen, „da dies den Erfolg der Maßnahme gefährden könnte“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“