Abschiebung in Brandenburg: Mit Zaun, aber ohne Gitter
Ab Juli bringt Brandenburg Flüchtlinge vor der Abschiebung in einer „Sammelstelle“ in Schönefeld unter. Für die Linke ist das ein Kompromiss.
Die Brandenburger Landesregierung eröffnet am Flughafen Schönefeld eine Sammelstelle für abgelehnte Asylsuchende. Dies bestätigte ein Sprecher des Innenministeriums. Ab Juli sollen dort abgelehnte Flüchtlinge bis zu zwei Tage lang untergebracht werden, um sie direkt aus der Sammelstelle abzuschieben. Vorgesehen sind 20 Plätze. In erster Linie werden wohl Flüchtlinge dort unterkommen, die als sogenannte Dublin-Fälle in ein anderes europäisches Land abgeschoben werden. Straftäter oder sogenannte Gefährder will die Landesregierung dort nicht unterbringen, sie sollen in Abschiebe-Haftanstalten in andere Bundesländer gebracht werden.
Für abgelehnte Asylsuchende aus Berlin ist die Stelle bisher nicht gedacht, Brandenburgs Innenministerium schließt die Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern aber nicht aus. Die Sammelstelle ist rechtlich keine Abschiebehaft, sie wird eingezäunt, aber nicht vergittert sein. Die Behörden brauchen eine richterliche Anordnung, um jemanden dort unterzubringen. Die abgelehnten Asylsuchenden haben dort den Angaben zufolge die Möglichkeit, sich beraten zu lassen und Kontakt zu Anwälten oder Unterstützern aufzunehmen, ein*e Ärzt*in und ein*e Sozialarbeiter*in sollen vor Ort sein. Außerdem könnten sie sich doch noch im letzten Moment für eine sogenannte freiwillige Rückkehr entscheiden und damit eine finanzielle Unterstützung und eine kürzere Einreisesperre für sich erwirken.
Für Andrea Johlige, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken im Landtag, ist die Regelung ein Kompromiss. „Wir wollen damit von den Nachtabschiebungen wegkommen“, sagte sie. „Wenn es schon Abschiebungen geben muss, sollen sie zumindest humaner ablaufen.“ Die meisten europäischen Länder bestehen darauf, dass Flüchtlinge aus sogenannten Dublin-Rückführungen bis 14 Uhr ankommen. Die Polizei holt Personen bei einer Abschiebung oft mitten in der Nacht aus ihrer Wohnung oder Unterkunft, um so sicherzugehen, dass sie sie dort antreffen und weil die Flüge entsprechend früh starten. In den Unterkünften lösen nächtliche Abschiebungen bei sämtlichen Bewohnern oft große Unruhe und Ängste aus, dies soll mit der Sammelstelle gemindert werden.
„Wir haben nur wegen der Nebenbedingungen zugestimmt“, sagte Johlige. „So hat uns die Landesregierung unter anderem im Gegenzug zugesichert, dass niemand mehr aus Schulen, Bildungseinrichtungen oder Krankenhäusern abgeschoben wird. “Da in der Sammelstelle Männer und Frauen nicht getrennt voneinander untergebracht werden können, rechnet Johlige nicht damit, dass alle 20 Plätze gleichzeitig belegt sind. „Sobald eine Familie dort untergebracht ist, kann schon niemand anderes mehr dorthin gebracht werden“, sagte sie.
Ivana Domazet vom Flüchtlingsrat Brandenburg kritisiert die Pläne. „Menschen, insbesondere Familien, vorübergehend in Haft zu nehmen ist keinesfalls ein milderes Mittel“, sagte sie. „Im Erlass des Landes ist bereits formuliert, dass es keine Nachtabschiebungen geben soll, das könnte man einfach verstärken und umsetzen.“ Das Land sollte sich stattdessen besser um Bleiberechtsregelungen bemühen.
In Brandenburg sind laut Innenministerium derzeit 6.777 Personen ausreisepflichtig. Allerdings sind 5.556 von ihnen geduldet, etwa weil sie krank sind, eine Ausbildung machen oder keine Reisedokumente haben. 2018 wurden aus Brandenburg 273 Personen abgeschoben. Jeder zweite Abschiebeversuch sei gescheitert, etwa weil die Betroffenen untergetaucht waren. Der Landtag hatte Anfang Juni entschieden, dass künftig die zentrale Ausländerbehörde Abschiebungen durchführt, um die Kommunen zu entlasten.
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