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Abschiebung auf UmwegenHauptsache, weg mit dem Syrer

Ein psychisch kranker, straffällig gewordener Flüchtling wurde behördlich „motiviert“, freiwillig nach Damaskus zurückzukehren.

Syrer im Auffanglager: Nur wenige kehrten bisher wieder ins Heimatland zurück Foto: dpa

Berlin taz | „Nach mehreren erfolglosen Versuchen der Rückführung“ sei mit der Ausreise des „vielfach straffälligen Syrers Herrn Z.“ dessen Aufenthalt „nunmehr endgültig beendet“. Mit dieser Erklärung sorgte der Landkreis Oberspreewald-Lausitz für Aufregung. Landrat Siegurd Heinze (parteilos) sagte, „mehrfach straffällig gewordene Asylbewerber“ würden nicht geduldet: Bei „einschlägig polizeibekannten Fällen“ sei eine Abschiebung „folgerichtig und zwingend“.

Was diese Aussage so bemerkenswert macht, ist der Umstand, dass es ins Bürgerkriegsland Syrien einen bundesweit geltenden Abschiebestopp gibt. Tatsächlich ist der vorbestrafte 38-jährige Syrer in der vergangenen Woche wohl nach einem Psychiatrieaufenthalt auf eigenen Wunsch nach Syrien zurückgekehrt.

Ein Sprecher des Landesinnenministeriums sagte der dpa, bei dem Flug habe es sich um eine „freiwillige geförderte Rückführung“ gehandelt. Der Mann sei „motiviert worden“, freiwillig zurückzureisen, und habe dafür Geld erhalten.

Merkwürdige Wortwahl

Bernd Mesovic von Pro Asyl kritisierte, die Wortwahl des Ministeriums sei „von bemerkenswerter Unschärfe“. Eine „freiwillige geförderte Rückführung“ gibt es im Ausländer­recht nicht. Während eine Rückkehr freiwillig sei, hätten Abschiebungen und Rückführungen stets Zwangscharakter.

„Nach den unsäglichen Äußerungen des Landrats wäre es Aufgabe des Innenministeriums gewesen, unmissverständlich klar zu machen, dass es weiterhin einen ausnahmslosen Abschiebestopp nach Syrien gibt“, sagte Mesovic. Alles andere führe zu einer „nicht zu rechtfertigenden Verunsicherung der syrischen Community in Deutschland“.

„Der Abschiebestopp nach Syrien gilt selbstverständlich auch im Land Brandenburg“, sagte Ursula Nonnemacher, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Brandenburger Landtag. Die Fraktion wolle kommende Woche nachfragen, ob sich aus der psychischen Erkrankung des Mannes nicht eine besondere Schutzbedürftigkeit ergeben hätte. Zudem stelle sich die Frage, inwieweit der Betroffene überhaupt in der Lage gewesen sei, einen klaren Willen zu äußern.

Rückkehrperspektive höchst unsicher

Der Brandenburger Flüchtlingsrat kritisierte zudem, dem Landkreis sei offenbar wichtiger gewesen, den in den Medien mehrfach als „Problem-Syrer“ bezeichneten Mann loszuwerden, als ihm mit Blick auf seine offenbar vorhandenen psychischen Erkrankungen Unterstützung zukommen zu lassen.

Die Zahl der freiwilligen Ausreisen nach Syrien nimmt trotz der unsicheren Lage im Land zu. Mit 437 Personen hat sich die Zahl nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Bamf, 2018 gegenüber dem Vorjahr (199) mehr als verdoppelt. Wegen der „vollkommenen Unberechenbarkeit des Regimes“ sei das Risiko sehr hoch, sagte Mesovic. Mehrere Rückkehrer gelten Medienberichten zufolge als verschollen.

Die Organisation für Migration (IOM) unterstützt die Rückkehr nach Syrien nicht. Das Bamf organisiert Zahlungen an diese Menschen deswegen selbst. Gründe für die Entscheidung seien „Heimweh, Erkrankung von Familienangehörigen im Herkunftsland oder der Wunsch, dass die eigenen Kinder im Herkunftsland aufwachsen sollen“, heißt es aus der Behörde. Viele in Deutschland lebende Syrer*innen warten Monate oder Jahre auf die Erlaubnis, ihre Angehörigen nachzuholen.

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7 Kommentare

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  • "Ich mach' mir die Welt, widde wie sie mir gefällt." Das hat ein bekanntes ideologielastiges Aushängeschild kürzlich von sich gesungen. Im Ernst lese ich nicht, was dem Syrer vorgeworfen wird. Trotzdem wird darüber diskutiert, als wüßten es alle. Vielleicht hilft dieser Link. www.lr-online.de/l...syrer_aid-35777835

  • Genfer Konvention, unveräußerliche Menschenrecht... alles lästig.



    1-2 mal im Jahr rituelles Gedenken an die Opfer des 3ten Reiches muss genügen. Dann handeln wir wieder wie jeder andere westliche Staat. So what?

  • Wir wissen nicht, was dem Geflüchteten genau vorgeworfen wird. Hat er immer wieder und wieder Autos zerkratzt oder ist er ein Sexualmörder? Ohne diese Information kann man nur vom jeweils Äussersten ausgehen.

    Im ersten Fall (Autos zerkratzt) sollte eine freiwillige Ausreise verunmöglicht werden, weil ihm in seinem Heimatland für ähnliche Verbrechen eine für einen psychisch Kranken ungerechte Strafe oder gar blutige Selbstjustiz droht. Dann sollte man Z. besser auch gegen seinen erklärten Willen bis zum definitiven Behandlungserfolg in der Psychatrie festhalten (also möglicherweise Jahrzehnte lang), damit ihm kein Leid geschieht.

    Im letzteren Fall (einzelner Sexualmord) hätte er ein schweres, aber nicht unentschuldbares Verbrechen begangen, das aus einer Laune heraus geschehen sein könnte. Dann sollte man Z. nicht zeitlich unbefristet in der Psychatrie festhalten, sondern ihn nach dem Verbüssen von zwei Dritteln seiner Haftstrafe ausreisen lassen, damit er in Syrien eine zweite Chance bekommt.

    • @Mareike:

      Ein Sexualmord ist "nicht unentschuldbar" und "könnte" aus einer Laune heraus geschehen sein.

      Das schreibt tatsächlich eine Frau in der "taz" im Jahre 2019.

      Meine Güte. So viel Masochismus von Seiten einer Frau hätte ich dann doch aktuell nicht für möglich gehalten.

      Traurig. Voll daneben. Übel. Toxischer, weiblicher Masochismus.

    • @Mareike:

      Autos zu zerkratzen, gerade bestimmte, die fett und ignorant mitten auf die Fahrbahn oder Fahrradwege "geparkt" werden, finde ich ganz persönlich nicht gerade so furchtbar kriminell.

      Es ist auch eine Art Notwehr gegen die Übermacht der Autos im Verkehr und gegen die Ignoranz ihrer Fahrer.

      • @cazzimma:

        Es ist zum Glück unerheblich, was Sie kriminell finden und was nicht. Wer so argumentiert, kann auch jegliche andere Form von Gewalt ideologisch rechtfertigen, z.B. dass der militante Kampf gegen die "Überfremdung" Notwehr ist. Ginge es nach privatem Rechtsempfinden hätte unsere Gesellschaft nicht lange Bestand. Deshalb: Autos zerkratzen ist auch kriminell.

    • @Mareike:

      Dann duckt man Problem-Syrer und Brandenburg und bekommt...

      www.lr-online.de/l...uehrt_aid-37750791

      "Seit seiner Ankunft in Deutschland im Jahr 2015 liefen gegen den Syrer 13 Ermittlungsverfahren. Die schwerste Straftat brachte ihn für anderthalb Jahre hinter Gitter, nachdem er bei einem Klinikaufenthalt in Lübben eine Krankenschwester mit einer Schere attackiert hat."

      www.lr-online.de/l...syrer_aid-35777835

      "[I]n Gesprächen mit Landsleuten habe sich herausgestellt, dass er schon in Syrien auffällig gewesen sein soll."

      Da hat ihn die Behörde wohl vor die Wahl gestellt: Entweder freiwillige Ausreise oder unbegrenzter Aufenthalt in der Psychiatrie...