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Abschaltung von KohlekraftwerkenErdgas und CO2 gleichzeitig sparen

Eine Studie zeigt, wie der Verzicht auf russisches Gas und mehr Klimaschutz vereinbar wären: mit einer geänderten Reihenfolge beim Kohleausstieg.

Kohle ist nicht ganz gleich Kohle: Steinkohlekraftwerk Reuter West in Berlin Foto: Paul Langrock

BERLIN taz | Es ist keine leichte Alternative, vor der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) derzeit steht: Wegen des Ukrainekriegs will Deutschland so schnell wie möglich auf Erdgasimporte aus Russland verzichten. Doch weil weder Flüssiggas-Terminals noch erneuerbare Energien als Alternative kurzfristig ausreichend zur Verfügung stehen, müssten dafür Kohlekraftwerke länger am Netz bleiben – was schlecht für die Klima­bilanz ist.

Mit dem Konzept müssten wohl keine weiteren Dörfer abgebaggert werden.

Eine neue Studie des Beratungsunternehmens Brainpool Energy, die der taz vorliegt, zeigt nun einen möglichen Ausweg auf. Denn neben den beiden schlechten Alternativen – weiterhin Gas aus Russland oder mehr CO2-Ausstoß aus Kohlekraftwerken – gibt es nach Auffassung der Autoren eine weitere Möglichkeit, die Klimaschutz und Versorgungssicherheit gleichermaßen gewährleistet.

Zum einen sei es dafür erforderlich, den Gasverbrauch schneller zu senken als derzeit geplant, etwa durch eine Verlagerung der gas-intensiven Ammoniakproduktion zur Düngerherstellung oder durch einen schnelleren Ersatz von Gasheizungen. Zum anderen kann auch der zeitweilige Ersatz von Gaskraftwerken durch klimaschädlichere Kohlekraftwerke der Studie zufolge zur Verringerung der Gasnachfrage beitragen, wenn auch nur in sehr geringem Ausmaß.

Dies müsse aber nicht zu einem höheren CO2-Ausstoß führen, schreiben die Autoren. Bedingung dafür sei, dass der Kohleausstieg nicht nur, wie von der Bundesregierung angestrebt, von 2038 auf 2030 vorgezogen werde, sondern dabei zugleich die Reihenfolge der Abschaltung verändert wird. Statt besonders klimaschädliche Braunkohlekraftwerke als Letztes abzuschalten, die flexibleren und weniger schädlichen Steinkohlekraftwerke dagegen früher, schlägt die Studie vor, die Reihenfolge zu ändern: Der Braunkohleausstieg wäre dann schon 2027 abgeschlossen, Kraftwerke wie Neurath, Boxberg oder Schwarze Pumpe würden damit mehr als zehn Jahre früher stillgelegt als derzeit geplant. Steinkohlekraftwerke dürften dagegen bis 2029 laufen – und damit teilweise länger als derzeit geplant.

Rettung für Braunkohledörfer

In Auftrag gegeben hat die Studie das Ökostrom-Unternehmen Green Planet Energy. Dessen Vorstand Sönke Tangermann sieht in der geänderten Abschaltreihenfolge noch weitere Vorteile. „Weil in diesem Fahrplan zuerst zahlreiche Braunkohlemeiler stillgelegt werden, lassen sich außerdem Tagebaue so beenden, dass dort keine weiteren Dörfer mehr abgebaggert werden müssen“, erklärte er – und forderte von der Regierung entsprechendes Handeln: „Die neue Studie zeigt, wie wir auch angesichts des Ukrainekrieges das nötige Tempo halten können – und den Klimaschutz sogar noch verstärken können.“

Inwieweit die Studie in der anstehenden politischen Debatte aufgegriffen wird, bleibt aber abzuwarten. Habecks Wirtschaftsministerium hat vergangene Woche einen Gesetzentwurf in die Ressortabstimmung gegeben, der Steinkohlekraftwerke in eine Reserve überführen soll, statt sie wie geplant abzuschalten. Trotzdem soll dabei am Kohleausstieg bis 2030 festgehalten werden.

Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP geeingt, dieses Ziel „idealerweise“ zu erreichen. Wie genau es umgesetzt werden soll und inwieweit die Abschaltreihenfolge dabei verändert werden soll, ist aber unklar. Eine deutlich frühere Abschaltung der Braunkohlekraftwerke gilt als politisch schwierig, weil dort – und vor allem in den dazugehörigen Tagebauen – deutlich mehr Menschen arbeiten als in Steinkohlekraftwerken.

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10 Kommentare

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  • Geänderte Reihenfolge wäre also zuerst Ausstieg aus Braunkohle und dann aus der Steinkohle - das ist ja schon einmal ein Lernzuwachs.

    Begriffen hätte es Herr Kreutzfeldt aber erst, wenn fordern würde, die letzten AKW weiterlaufen zu lassen und die zuletzt stillgelegten AKW zu reaktivieren bis durch Ausbau der EE und verändertes Verbraucherverhalten Kohle und Atom auch ersetzen werden könnte.

  • "Verlagerung der gas-intensiven Ammoniakproduktion" ist ja eine ganz tolle Idee.



    Wir waschen unsere Hände in Unschuld und bezahlen einfach andere Länder für die Drecksarbeit. Dass die Klimaerwärmung ein globales Phänomen ist und Verlagerungen absolut nichts bringen (tendenziell sogar schlechter sind) scheint immer noch nicht jedem klar zu sein...

  • Ja der große Haken an der Sache ist halt, dass wir 50% unserer Steinkohle bisher auch aus Russland bezogen haben. Die Pläne der Bundesregierung jetzt mehr aus Kolumbien zu importieren, wo das Zeug unter Missachtung von Menschen- und Umweltrechten abgebaut wird, wurden ja in der taz auch schon problematisiert: taz.de/Umstrittene...olumbien/!5851664/

    Außerdem sind die Emissionsunterschiede gar nicht so groß: Braunkohle 1100g/kWh, Steinkohle 1000g/kWh

    Es gäbe ja da auch noch die AKW mit 12g/kWh. Aber da steckt wohl noch zu viel Greenpeace in Greenpeace Energy, als dass man diese Option überhaupt in Betracht ziehen würde. Klimawandel scheint dann doch nicht sooo ernst zu sein.

  • "durch eine Verlagerung der gas-intensiven Ammoniakproduktion zur Düngerherstellung"



    Mit anderen Worten: man schiebe die CO2-Emissionen ins Ausland. Das ist so hervorragend wie die polnische Kohle und die französische Kernkraft, die uns rettet, wenn weder Wind weht noch Sonne scheint.

  • "Doch weil weder Flüssiggas-Terminals noch erneuerbare Energien als Alternative kurzfristig ausreichend zur Verfügung stehen, müssten dafür Kohlekraftwerke länger am Netz bleiben – was schlecht für die Klima­bilanz ist."

    CCS wäre die Lösung gewesen. Diese Brückentechnologie wurde ja von Greenpeace - die Heilsbringer - tot gemacht.

  • 2G
    27814 (Profil gelöscht)

    Steinkohle als Lösung ist in der aktuellen Situation der Abhängigkeit vonEnergieexporten und den steigenden Preisen auf dem Weltmarkt eher zweifelhaft.

    Für das Klima gäbe es eine dritte Alternative, die im Moment einfach durch Untätigkeit unmöglich wird: Weiterbetrieb der AKWs.

    • @27814 (Profil gelöscht):

      Leider ist der Weiterbetrieb nicht möglich, wegen Versicherung, Endlager, Uranabbau, Tsunami und und und...



      Ich bin jedes Mal überrascht, was alles wichtiger ist als Klimaschutz, sobald der Begriff AKW fällt.



      Wenn sogar die größten Klimaschützer lieber Braunkohle verbrennen als bestehende AKWs laufen zu lassen, frage ich mich schon, wie ernst der Klimawandel genommen wird.

  • Hm, wo kommt denn die Steinkohle für die Kraftwerke jetzt eigentlich her, bei uns wird ja keine mehr gefördert…aus Polen? Das wäre bezüglich Transport (per Binnenschiff & Eisenbahn) noch okay, aber bitte nicht aus Australien oder ähnlich weit entfernten Gefilden!

  • Die Rede von Arbeitsplätzen in der Braunkohleindustrie ist doch völlig lächerlich; die paar Hanseln kurz vor der Rente können wir aber mal locker abfinden.

    www.wissenschaft.d...stet-der-ausstieg/

    Man will einfach nicht eingestehen dass man sich von der fossilen Stromerzeugung langfristig abhängig gemacht hat: mit Windrädern ohne Speicher, ohne Netzausbau, ohne CO2-armes Backup.