Abschaffung von Paragraf 219a: Bundestag für Recht auf Information
Der Bundestag hat die Abschaffung des Informationsverbots für Abtreibungen beschlossen. Die Urteile gegen Ärzt*innen werden aufgehoben.
Es ist der vorläufige Schlusspunkt einer etwa fünfjährigen Debatte über die Frage, wer in welcher Form über Schwangerschaftsabbrüche informieren darf.
Angestoßen wurde diese, als im November 2017 die Gießener Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil auf ihrer Webseite stand, dass und wie sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt – nach damaliger Rechtslage eine Straftat. Angezeigt hatten sie Abtreibungsgegner*innen, die systematisch das Internet durchforsteten, um Ärzt*innen zu drangsalieren.
Mit der Abschaffung sei „ein wichtiger Schritt zur Informationsfreiheit für Betroffene beim Schwangerschaftsabbruch getan“, erklärte Hänel. Die Medizinerin verfolgte die Debatte zusammen mit anderen angezeigten und verurteilten Ärzt*innen von der Besuchertribüne des Bundestags.
Bis zum Bundesverfassungsgericht
Allzu oft hätten sich ungewollt Schwangere auf der Suche nach Informationen im Netz „durch die irreführenden Seiten der Abtreibungsgegner mit widerlichen Bildern und unsäglichen Holocaustvergleichen quälen“ müssen. Gemeint ist unter anderem die Webseite „Babykaust“, die Abtreinungen mit dem Holocaust gleichsetzt und Ärzt*innen, die diese durchführen, namentlich anprangert.
Gegen ihre Verurteilung zog Hänel durch die Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht. Ihre Verfassungsbeschwerde ist dort anhängig. Nun ist die Politik einer Entscheidung zuvorgekommen: Das am Freitag beschlossene Gesetz sieht eine Aufhebung der ergangenen Urteile vor. Hänel will sich derzeit nicht dazu äußern, ob sie ihre Verfassungsbeschwerde zurückzieht.
Nach Paragraf 219a in seiner ursprünglichen Fassung wurde bestraft, wer „öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften“ seines „Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ Abtreibungen „anbietet, ankündigt“ oder „anpreist“.
Die Große Koalition reformierte das Gesetz Anfang 2019. Es war ein Minimalkonsens zwischen der SPD, die eine Abschaffung wollte, und der Union, die am Paragrafen unbedingt festhalten wollte: Seither dürfen Ärzt*innen darüber informieren, dass sie Abbrüche durchführen. Alle weiteren Informationen aber, etwa zur angewandten Methode, bleiben verboten. Hänel und mehrere ihrer Kolleg*innen wurden seither erneut verurteilt.
Versorgung verbessern
Außerdem führt die Bundesärztekammer aufgrund des reformierten Gesetzes eine öffentlich einsehbare Liste mit verfügbaren Ärzt*innen. Auf dieser stehen aber bis heute nur 268 Ärzt*innen bundesweit. Das ist gerade mal ein Drittel der ohnehin nur rund 1.100 Einrichtungen im Land. Viele scheuen die Liste aus Sorge vor Diffamierung.
Der Koalitionsvertrag sieht weitere Maßnahmen im Bereich Schwangerschaftsabbruch vor, die unter anderem die mitunter sehr schlechte Versorgungslage verbessern sollen. So sollen Schwangerschaftsabbrüche künftig kostenfrei sein und verstärkt Thema der medizinischen Aus- und Weiterbildung werden. Auch will die Ampel gegen die sogenannte Gehsteigbelästigung vorgehen – also gegen Abtreibunsgegner*innen, die vor Arztpraxen und Beratungsstellen stehen und Beschäftigte wie auch ungewollt Schwangere belästigen und einschüchtern.
Die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen hingegen steht nicht im Koalitionsvertrag, obwohl sowohl SPD als auch Grüne dies in ihren Programmen gefordert hatten. Lediglich eine Kommission soll prüfen, welche Regulierungen außerhalb des Strafrechts möglich seien. Die gleiche Kommission soll auf Druck der FDP auch die Legalisierung von Leihmutterschaft prüfen. Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland nach Paragraf 218 Strafgesetzbuch grundsätzlich verboten – oder eng gefassten Bedingungen werden sie aber nicht bestraft.
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