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Abriss des Nationaltheaters in TiranaSchock in Albanien

Am frühen Sonntagmorgen kamen die Polizei und die Bagger: Der Abriss des Nationaltheaters in Tirana begann. Protestierende wurden verhaftet.

Aktivisten protestieren am Sonntag gegen den Abriss des Theaters in Tirana Foto: Florion Goga/reuters

Berlin taz/dpa | In der Nacht auf Sonntag begannen Bagger mit dem Abriss des historischen Nationaltheaters von Tirana. Videos zeigen, wie sich ein Baggerarm am Portal des Theatergebäudes zu schaffen macht und es zum Einsturz bringt. Sonntagmittag war bereits die komplette Fassade weg, teilte Linda Komani, Autorin und Besetzerin des Theaters, der taz mit. „Um 4.30 Uhr morgens stürmten etwa 1.500 Polizisten den Platz vor dem Theater. Sie nahmen etwa 20 Personen fest. Sie setzten Tränengas ein. Es war schrecklich“, erzählte sie.

Komani ist Sprecherin einer Initiative, die seit Februar 2018 das Gebäude schützt. An die Stelle des Theaters mitten im Stadtzentrum Tiranas soll laut Plänen von Premierminister Edi Rama ein Shopping-Komplex treten. Das löste Proteste aus. Seit Juli 2019 hält Komanis Gruppe das Theater besetzt und organisiert einen Spielplan (taz berichtete). „Während der Pandemie haben wir die Besetzung im Schichtbetrieb mit jeweils zwei Leuten aufrechterhalten“, berichtete Komani.

Der handstreichartige Abriss überraschte aber auch sie. „Wir hatten zuvor zwar von einem bevorstehenden Einsatz erfahren. Deshalb versammelten sich mit uns gegen 2 Uhr morgens auch Oppositionspolitiker auf dem Platz vor dem Theater. Als aber nichts geschah, verließen die Politiker gegen 4 Uhr den Platz. Um 4.30 Uhr kamen dann Polizei und Bagger“, schilderte Komani die Dynamik.

Ein juristisches und moralisches Verbrechen

Auslöser ist, dass vor einer Woche das Theater aus dem Besitz des Kulturministeriums an die Stadtverwaltung von Tirana überging. Anders als das Ministerium, das in europäische Verträge zum Schutz von Kulturgütern eingebunden sei, müsse sich die Stadtverwaltung daran nicht halten, vermutet Komani als Motiv des Wechsels. Die Denkmalschutzorganisation Europa Nostra führt das Nationaltheater Tirana auf der Liste der sieben am stärksten gefährdeten Kulturstätten in Europa. Zu Recht, wie sich jetzt zeigt.

Albaniens Staatspräsident Ilir Meta nannte den Abriss auf Facebook „ein juristisches und moralisches Verbrechen“. Die Verteidiger des Theaters hoffen nun auf Reaktionen aus Europa. Sie sind schockiert, wollen aber auch nicht aufgeben. „Wir haben das Gebäude vermessen und können es auch wieder aufbauen, wenn es die Unterstützung dafür gibt“, sagte Komani.

Dutzende Kulturschaffende begannen gegen den Abriss des Nationaltheaters zu protestieren. Die Polizei brachte nach eigenen Angaben 37 Künstler und Aktivisten weg, die sich in dem Theater verschanzt hatten. Eine Demonstration auf der Straße löste die Behörde auf. Unter anderen wurde auch Monika Kryemadhi, die Ehefrau von Präsident Ilir Meta, festgenommen. Sie steht an der Spitze einer kleinen Oppositionspartei.

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