Abmahnungen beim FSV Frankfurt: Hungern verboten!
Der Fußball-Zweitligist FSV Frankfurt mahnt seine Spieler Soumaila Coulibaly, Pa Saikou Kujabi und Oualid Mokhtari ab, weil sie während des Ramadans gefastet haben.
Vor ein paar Tagen hatten ein paar nicht eben freundliche Aussagen des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin für eine Kontroverse gesorgt, die noch immer nicht abgeflaut ist: Der Fiskalpolitiker demagogisierte gegen in Deutschland lebende Türken und Araber, sprach ihnen Integrationswillen ab und mühte sich nach besten Kräften, die Überfremdungsängste des einen oder anderen zu kitzeln. Für seinen Auftritt gab es nicht nur Schelte, sondern auch Beifall, weswegen es nicht weiter verwundern würde, wenn auch die Macher des FSV Frankfurt bei dem einen oder andern Kameraden viel Anklang mit einer juristischen Maßnahme finden werden, die sie gegenüber drei ihrer Angestellten angewendet haben.
Der FSV ist ein Zweitligist in der Fußballbundesliga; ein Zweitligist allerdings, der deutlich näher an der dritten Liga ist als am Klassenerhalt; ein Klub, dessen Existenz außerhalb Frankfurts nur von den wenigsten bemerkt wird, denn das Kürzel FSV ist für den Nachbarn Mainz schon gebucht. Der FSV Frankfurt hat dreien seiner Spieler eine Abmahnung zukommen lassen. Soumaila Coulibaly, Pa Saikou Kujabi und Oualid Mokhtari fanden nach Informationen einer Zeitung ein solches Schreiben vor. Die drei sind Moslems, und der eine oder andere Moslem fastet im Fastenmonat Ramadan nun mal. Das ist in Deutschland kein sonderlich aufregendes Thema mehr, inzwischen sind beispielsweise die Fans des FC Bayern München bestens über die Essgewohnheiten des zum Islam konvertierten Franzosen Franck Ribéry informiert. In Frankfurt jedenfalls sah man es nicht so locker wie in München. Jens-Uwe Münker, Leiter der FSV-Abteilung Organisation und Recht, begründet den juristischen Schienbeintritt gegen das Trio so: "Der FSV Frankfurt muss als Arbeitgeber von Leistungssportlern zwingend Kenntnis darüber haben, ob ein Spieler fastet, da der Verein andernfalls bei voller Trainingsbelastung eine Gesundheitsgefährdung riskieren würde."
Ein entsprechender Passus scheint im Vertragswerk enthalten zu sein. Ob Hunger in Frankfurt zulässig ist, entscheidet demnach der Verein, der sich in einer Mitteilung rechtfertigte: "Der FSV Frankfurt hat in allen Arbeitsverträgen seiner Spieler lediglich geregelt, dass jegliches Fasten, sei es Fasten aus religiösen Motiven wie auch Heilfasten genauso wie alle Arten von Diäten, vor ihrer Durchführung mit dem Verein abzusprechen sind."
Experten zweifeln an der Rechtmäßigkeit. Angeblich habe die sportmedizinische Abteilung Bedenken signalisiert, dass "eine beim Fasten notwendige Aufnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit den Mannschaftsärzten koordiniert werden (müsse), da eine Vielzahl dieser Mittel im Hinblick auf Doping problematisch" seien. Und überhaupt: Fasten sei ein "Eingriff in die körperliche Leistungsfähigkeit, der bei Leistungssportlern nicht ohne vorherige Abstimmung mit dem Verein und insbesondere den Mannschaftsärzten durchgeführt werden kann".
Ganz wohl war den Leuten vom FSV dennoch nicht dabei. Denn sie wollten noch einmal betonen, dass die Abmahnung wegen der "nicht eingehaltenen Abspracheverpflichtung" der Spieler erfolgt sei, obwohl sie diese in ihren Verträgen unterschrieben hätten und zudem mündlich darauf hingewiesen worden seien. Das Vorgehen des FSV stelle somit in keiner Weise einen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, "die Regelungen gelten beispielsweise genauso für die christliche Fastenzeit vor Ostern".
Besonders der letzte Satz hat es in sich, denn die Frankfurter Darstellung ist schlicht falsch: Das Fasten in der Osterzeit stellt für den Gläubigen eine relativ handhabbare Selbstbeschränkung dar, tabu ist vor allem Fleisch. Er darf selber entscheiden, worauf er verzichtet während dieser Zeit. Hungern von morgens bis zum frühen Abend gehört nicht zum Programm. Die Frankfurter Reaktion jedenfalls ist und bleibt fragwürdig, zumal alle, wirklich alle Bundesligisten ohne großes Aufheben eine Regelung mit ihren Moslems haben finden können.
Aber vielleicht erklärt sich die Aktion ja aus dem Tabellenstand. Ein Abstiegskandidat kann vor allem eines gebrauchen, um nicht in Erklärungsnot zu geraten: Sündenböcke.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen