Abkommen mit Hongkong gekündigt: Zu zahm, Herr Außenminister
Chinas KP betreibt die Auflösung der Demokratie in Hongkong. Ein Auslieferungsabkommen zu kündigen, ist keine adäquate Antwort.

W as vor wenigen Monaten kaum jemand für möglich gehalten hat, das peitscht Chinas kommunistische Führung nun in Rekordgeschwindigkeit durch. Ihr Ziel: die Auslöschung von Hongkongs Demokratie.
Die inzwischen völlig gleichgeschaltete Hongkonger Regierung lässt mit dem neuen Sicherheitsgesetz Demokratie-Aktivisten einsperren, verbietet pekingkritische Publikationen. Selbst Staatsbürger anderer Nationen trifft es. Die Hongkonger Polizei hat am Freitag die Festnahme eines in Washington lebenden US-Bürgers angeordnet, weil dieser sich für Hongkongs Freiheit einsetzt. Und nun hat die Hongkonger Regierungschefin auch noch die für September vorgesehenen Parlamentswahlen abgeblasen, offiziell unter dem Vorwand: Infektionsgefahr durch Corona. Jeder in Hongkong weiß, sie würde bitter abgewatscht werden, würden die Wahlen in einem Monat stattfinden.
Und wie reagiert die Bundesregierung? Erst hält sich ihr blasser Außenminister Heiko Maas wochenlang mit Kritik an Peking zurück und verweist auf eine gemeinsame Positionierung der EU. Diese bleibt aus. Nun hat er sich durchgerungen, das Auslieferungsabkommen mit Hongkong auszusetzen. Ein Witz – angesichts dessen, was in Hongkong passiert.
Maas scheint zu glauben: Was sich im Fernen Osten abspielt, ist für Deutschland nicht von Belang. Wen kümmert ein totalitäres Sicherheitsgesetz, solange deutsche Firmen in Hongkong weiter ihren Geschäften frönen können? China selbst ist schließlich auch kein Rechtsstaat. Trotzdem machen Deutsche dort Bombengeschäfte.
Ein verheerender Irrtum. China statuiert an Hongkong ein Exempel. Was es mit der Sonderverwaltungszone macht, droht auch Taiwan. Das Regime in Peking zeigt zudem seit einiger Zeit eine unheilvolle Neigung, sein System zu exportieren. Im Rahmen seiner Seidenstraßen-Initiative erhalten vor allem solche Staaten Vergünstigungen, die auf autoritärem Kurs sind.
Damit es nicht zum Dammbruch kommt, muss die Bundesregierung jetzt klare Kante zeigen. Die Zeit drängt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Wahlkampf in Deutschland
Rotzlöffeldichte auf Rekordniveau
Buch über Strategien von AfD und Putin
Vergangenheit, die es nie gab