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Abgeschobener Islamist muss zurückHeftige Diskussionen zum Fall Sami A.

Die Grünen fordern den Rücktritt des NRW-Integrationsministers. Dieser hatte die rechtswidrige Abschiebung nicht gestoppt.

Joachim Stamp hätte die rechtswidrige Abschiebung stoppen können, so das Oberverwaltungsgericht Münster Foto: dpa

Freiburg taz | Der Fall Sami A. sorgt weiterhin für politische Verwerfungen. Monika Düker, die Chefin der NRW-Landtagsgrünen, hat den nordrhein-westfälischen Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) zum Rücktritt aufgefordert. Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) forderte von Stamp dagegen nur eine Entschuldigung. Der CDU-Ministerpräsident Armin Laschet stellte sich vor seinen Regierungspartner.

Am Mittwoch hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in zweiter Instanz entschieden, dass der am 13. Juli nach Tunesien abgeschobene islamistische Gefährder Sami A. von Deutschland wieder zurückgeholt werden muss. Die Abschiebung sei „offensichtlich rechtswidrig“ gewesen. Eine vom Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen geforderte diplomatische Zusicherung Tunesiens, dass A. dort nicht gefoltert wird, habe nicht vorgelegen. Stamp hätte die Abschiebung, die er nur wegen irreführender Auskünfte an das VG überhaupt einleiten konnte, noch stoppen können, aber darauf verzichtet, so die Richter.

Die OVG-Präsidentin Ricarda Brandts forderte inzwischen Gerichte auf, aus dem Fall Lehren zu ziehen. Richter sollen sich auf Zusagen von Behörden vorerst nicht mehr in jedem Fall verlassen. Im konkreten Fall hatte das VG auf einen Zwischenbeschluss verzichtet, nachdem das Land auf Nachfrage mitteilte, ein zunächst geplanter Abschiebetermin sei entfallen. Was das Land nicht mitteilte: Am folgenden Morgen war ein neuer Abschiebeflug geplant.

Stamps Statement

NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) Versäumnisse in der Abstimmung zwischen Verwaltung und Justiz eingeräumt. Vorwürfe, sein Ministerium habe Gerichte getäuscht, wies er jedoch am Donnerstag in Düsseldorf zurück. Sein Ministerium habe nicht die Abschiebung von Sami A. gegenüber dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verschleiern wollen.

Gleichwohl räumte der Minister ein, dass es offenbar „Informationsdefizite“ zwischen der Verwaltung und der Justiz gegeben habe. Stamp betonte, dass von Sami A. eine „ernsthafte Gefahr“ ausgegangen und seine Abschiebung aus Deutschland dringend geboten gewesen sei. (dpa)

Die Bochumer Ausländerbehörde will das Urteil nun umsetzen. Sie hat A.s Anwältin eine Zusage zur Übernahme der Rückreisekosten gegeben. A. ist noch in Tunesien. Er ist nicht in Haft, es gibt auch keine Ausreisesperre. Allerdings hat Tunesien A.s Pass eingezogen, weil noch Ermittlungen laufen. Eine Rückkehr ist unmittelbar also nicht möglich.

Marco Buschmann, Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, forderte die Bundesregierung auf, sie möge endlich die geforderte diplomatische Erklärung von Tunesien beibringen. Zuständig wären Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Außenminister Heiko Maas (SPD). Dann entfalle auch der Grund für die Rückholforderung.

Für Empörung hatte unterdessen NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) gesorgt, indem er das OVG Münster kritisierte. „Richter sollten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidungen dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen.“ Der Deutsche Richterbund protestierte: „Es ist nicht zuträglich, wenn die unabhängige Justiz durch Aussagen eines Innenministers angegriffen wird.“

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21 Kommentare

 / 
  • "Richter sollen sich auf Zusagen von Behörden vorerst nicht mehr in jedem Fall verlassen."

    Na da ist aber jemand mies drauf.

    • @Gerhard Krause:

      Nö.

      Nich immer von sich auf andere schließen. Das bekommt meist nicht.



      So auch Ihnen erkennbar nicht.

      & Überraschung! Däh!



      Es gibt halt Menschen -



      Die wissen - Wovon sie sprechen!



      Schonn & Nich normal. Ich weiß.

      unterm——mal so!



      Nach 30Jährchen mit AuslR/AsylR -



      Sie - reden - wie‘n Blinder von der Farbe. Peinlich. Aber. Da mähtste nix.



      Normal.

  • Ein Aspekt, der noch nicht aufgegriffen wurde: Unlängst stand in der TAZ eine Liste von Maßnahmen, die jeder Fluggast unternehmen könne um eine Abschiebung zu verhindern. Ich war immer Logiker und will auch hier wieder Logiker sein: Diese Maßnahmen dürften auch bei einer Rückholung funktionieren, wenn man als Fluggast mit der Rückholung nicht einverstanden ist.

  • Irre. Ist ja schön, daß der deutsche Rechtsstaat hier auf einmal in höchsten Weihen gefordert wird. Bei den x Verbrechen, die dieser Typ da schon auf dem Kerbholz hat, war die Unterstützung da eher gering. Erklär mir einer bitte mal, wann was denn mal so und wann das anders zu sein hat.

  • Was für ein Aufheben für einen bin-Laden-Jünger. Lasst ihn in Tunesien und gut ist. Die wissen selber wie sie mit ihren Landsleuten umzugehen haben.

    • @Hugo Sanddorn:

      Letzteres - Mr Tubbes - befürchten!

      Die zuständigen Richter.



      &



      Die sind - anders als Sie - gemäß der Verfassung - Grundgesetz - an



      Recht&Gesetz gebunden!



      Wozu - Ihnen & den übrigen staatlichen Gefährdern offensichtlich entfallen!



      Die Menschen&Grundrechte in dieser Republik - diesem demokratisch verfaßten sozialen Rechtsstaat unverzichtbar gehören.

      Ja - Sicher. Gerndannichfür.



      Normal ……servíce.

  • Sehr geehrter Herr Reul,

    „Richter sollten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidungen dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen.“

    Das Sie sich mit dieser Äußerung außerhalb der ALLGEM. GÜLTIGEN Auffassung zur freiheitlich demokratischen Rechtsord. befinden, ist Ihnen VIELLEICHT mittlerweile aufgefallen!?

    Mit Übernahme Ihres politischen Amts wohl noch nicht ganz begriffen, dass Sie jetzt in anderen Kategorien gemessen werden, kann ich die Empfehlung des Richterbundes nur bestätigen, dass bei Ihnen offensichtlich Defizite in Sachen Staats- u. Rechtskunde wie (z.Zt.) ALLGEM. GÜLTIGER Rechtsordnung bestehen.

    Es gibt genügend polit. Bildungseinrichtungen....

    Bei einem Kabinett jedoch, dem jemand wie Herrn Laschet vorsitzt, der vor Wochen, nach der Abschiebung von Sami A., sich nicht zu blöde war öffentlich zu bekunden, dass bei allen Zweifeln, Sami A. sei ja ein gefährlicher gefährlicher Gefährder (?), er froh sei, dass Sami A. Deutschland verlassen habe, ist Ihr Handeln fast zwangsläufig (Rudelverhalten?).

    Bei der Vorstellung, dass SIE „Oberkommandierender“ der Sicherheitskräfte in NRW sind, wird mir allerdings bei der Gemengelage schlecht und mich beschleicht Angst!

    Der Landtag NRW sollte vielleicht mal eine „Inventur“ im Regierungslager ins Auge fassen!?

    Im Übrigen Herr Reul, als oberster Wächter der ALLGEM. GÜLTIGEN Rechtsordnung AUCH in NRW, als Teil der Bundesrepublik Deutschland,



    „Richter sollten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidungen dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen.“

    Wenn Bürger /-innen die Rechtsprechung nicht verstehen sollten, haben Sie doch in drei Teufels Namen - gerade kraft Ihres Amtes - die OBERSTE Pflicht, diese Rechtsprechung so zu ERKLÄREN, dass es verstanden wird und nicht durch Ihren fragwürdigen Erguss an der ZUR ZEIT ALLGEM. GÜLTIGEN Rechtsordnung mit den Presslufthammer anzulegen!!



    Sollten SIE die Rechtsprechung auch - nach Weiterbild - nicht mehr verstehen, wird´s doch Zeit, zu gehen?

    B.B.

  • "Richter sollten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidungen dem [gesunden Volksempfinden] entsprechen."



    Wir sind tief gefallen.

    • @hedele:

      Schon alleine dafür gehört er aus dem Amt getreten und zwar hochkant. Von welchem Volk redet er denn überhaupt? Ich gehöre wohl nicht dazu, sondern nur die redlichen und besorgten Bürger.

      • @Hampelstielz:

        Jau. Amtseid NRW gilt noch. Woll.

        “Ich schwöre, daß ich meine ganze Kraft dem Wohle des Landes Nordrhein-Westfalen widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch verwalten, Verfassung und Gesetz wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

        Irgendwas hat der unsäglich feine Herr grundsätzlich mißverstanden.



        & btw —wider die Verluderung —



        Herr Thomas Kutschaty - als exJuMi -



        “Entschuldigung*¿*“



        Sie werrn - Verzeihn. Woll.



        “Politiker sind keine Juristen!



        Auch wenn sie zwei juristische Staatsexamen haben!“



        (Bernhard Schlink)

        Derart hatte ich Sie - face to face - auch Bisher nicht wahrgenommen.



        Sollte ich mich derart getäuscht haben?



        Bitter.



        Normal.



        Njorp.

  • "Richter sollten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidungen dem [Volksempfinden] entsprechen."



    Wir sind tief gefallen.

  • Nun bleibt nur zu hoffen, dass Tunesien eine dauerhafte Ausreisesperre verhängt.

    • @Nicolai Nikitin:

      Oh Schreck - Niki is back.



      &*¿*



      Normal.



      Njorp.

      • @Lowandorder:

        Sie hatten sich bereits gefreut, Sie wären mich endlich los, Herr OutOfOrder ?

        • @Nicolai Nikitin:

          Nö. Soooo leicht - bin ich ja nun doch nicht zu unterhalten! Newahr



          Sie schlautrauwem Ablenker!;)

          Aber gewisser schlichtumschlicht - gell!



          Wiedererkennungswert - Putzt! Woll.



          Motto - “No! Er nu wieder*¡*“ - wa.



          & Däh! Normal.



          Njorp.

          • @Lowandorder:

            Sorry, Herr OutOfOrder. Ihre Ausführungen sind mir tendenziell schleierhaft. Ich gehe also weiterhin davon aus, dass Sie nicht gerade erfreut darüber sind, wieder Kommentare von mir zu lesen.

  • Mal ganz ehrlich: Wer glaubt denn ernsthaft, dass zwischen 17.00 und 9.00 Uhr beim BAMF oder bei einer Ausländerbehörde noch jemand am Faxgerät steht, eingehende Schreiben liest und irgend etwas veranlasst? In diesen Behörden gibt es weder Schicht- noch Nachtdienst. Insofern ist es schnurz, darüber zu diskutieren, ob das Fax nun besser um 19.30 oder um 18.00 Uhr des Vortages hätte abgesandt werden können. Vor Dienstbeginn am nächsten Morgen hätte es ohnehin niemand gelesen.

    • @Cristi:

      Zu diesem Zeitpunkt wäre diese Abschiebung noch zu revidieren gewesen.

      • @Frau Kirschgrün:

        Wirklich? Es geht um 15 Minuten zwischen Eingang des Fax' und Übergabe des A. an die tunesischen Behörden. Im BAMF und in der ABH gehen etliche Faxe ein. Da soll also eine Geschäftszimmermitarbeiterin das Fax des VG umgehend aus einem Wust von Papier rausklauben - so es überhaupt zur Eingangszeit sofort vom Faxgerät ausgespuckt wurde und nicht erst einmal im dortigen Speicher landet, weil das Gerät vorher früher eingegangene Faxe zuerst ausdruckt - , den Inhalt erfassen, einen Vorgesetzten finden (Beginn der Kernarbeitszeit in Behörden ist 9.00 Uhr), dieser soll jemanden auftun, der in der Lage ist, einen Funkspruch an das Flugzeug abzusetzen - das BAMF war ja über die Abschiebung nicht einmal informiert worden, konnte also nicht wissen, dass A. schon außer Landes ist -. und das alles in 15 Minuten??? Wer so etwas für möglich hält wie VG Gelsenkirchen und OVG NRW, der ist mehr als weltfremd.

  • Korrekt. But. In diesem Zusammenhang - werter Herr Rath.

    Sollten Sie doch nochmals Ihre Sentenz:



    ”…Dass die Abschiebung geglückt ist, beruhte nur teilweise auf der Täuschung. Der Abschiebeflieger war zwar schon in der Luft, weil sich die getäuschten Richter gefährlich lange Zeit mit der Übermittlung des Abschiebehindernis-Beschlusses ließen. Aber er kam eigentlich nicht zu spät, wie das OVG jetzt feststellte.…“

    Mal ab von - “ein bißchen schwangerGewaber“ - wg Ihrs - im “gefährlich lange Zeit ...ließen“ enthaltenen - aber ersichtlich unzutreffenden Vorwurf überdenken!



    Sorry. Aber solches derart Rumschwadronieren - ist Verlaub.



    Journaille. Nothing else.



    &



    Die sollten Die (auch) weiterhin gern anderen - Überlassen! Woll.



    Newahr. Besser ist das.



    Normal.

    unterm——



    Nur zur Erinnerung - gell!



    www.taz.de/!5528649/



    Njorp.

    • @Lowandorder:

      Korrektur - Statt 'Die' - 'Sie‘ muß es heißen.