piwik no script img

Abgeordnetenhaus-Wahlkampf in BerlinEs wäre Zeit für den Angriff

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Bislang dominiert die SPD-Spitzenkandidatin den Wahlkampf mit frechen Forderungen. Linke und Grüne lassen sich düpieren. Warum reagieren sie nicht?

Wenn's ums Handy geht, passt kein Blatt zwischen die drei: Giffey, Jarasch und Lederer am Montag Foto: dpa

S o langsam hat man in diesem Wahlkampf das Gefühl, es gebe nur noch eine Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin: Franziska Giffey. Ungetrübt von allen Plagiatsvorwürfen und der Tatsache, dass ihre SPD seit Jahrzehnten mit an der Macht und damit auch verantwortlich für die aktuelle Lage in Berlin ist, haut die einstige Bundesfamilienministerin eine These nach der anderen raus und erntet entsprechende Beachtung in den Medien. Und die anderen Parteien schauen staunend zu.

Dabei betreffen diese Thesen durchaus auch sie, zumindest im Fall der Noch-Koalitionspartner Grüne und Linke. Denn Giffey arbeitet sich an der aktuellen Regierung ab, deren progressive Ziele sie offenbar nicht teilt. Das stellt zwar ihre Partei vor eine Belastungsprobe. Solange die Spitzenkandidatin am Ende aber liefert, sprich die Wahl gewinnt und – mit welcher Koalition auch immer – entsprechende Posten verteilen kann, dürfte das die SPD erst mal ruhigstellen.

Das zuletzt von Linken und Grünen immer wieder geforderte Bekenntnis Giffeys zu Rot-Rot-Grün läuft dabei ins Leere: Die Taktik des Co-Vorsitzenden und Strippenziehers Raed Saleh zielt ja gerade darauf ab, im Lager rechts von der Mitte Stimmen zu holen. Jede Koalitionsaussage würde dem widersprechen.

Stattdessen – und auch das gehört zu Giffeys Taktik – stellt sie lange vor dem Wahltag Bedingungen für eine Koalition. Ob es die erneute Übernahme des Stadtentwicklungs- und Bauressorts im nächsten Senat betrifft, dessen Verlust 2016 die SPD immer noch nicht verkraftet hat, oder, wie jetzt am Wochenende, die von der Spitzenkandidatin einfach mal so gesetzte „rote Linie“, dass mit ihr ein Enteignungsgesetz nicht zu machen sei, selbst wenn die Ber­li­ne­r*in­nen beim Volksentscheid dafür stimmen sollten.

Frech, um nicht zu sagen unverschämt

Das ist frech, um nicht zu sagen unverschämt: Zum einen, weil es potenziell den Willen der Wäh­le­r*in­nen missachtet (der sonst ja immer so wichtig ist, wenn man den Aussagen der Po­li­ti­ke­r*in­nen glaubt), und zum anderen suggeriert, dass die SPD auf jeden Fall Teil der nächsten Regierung ist. Aber muss das so sein? Und selbst wenn es wahrscheinlich ist: Wahlkampf ist doch die Zeit der Ungewissheiten. Warum stellt es niemand einfach mal in Frage?

Während die CDU entspannt an der Seitenlinie steht und genussvoll dem Treiben zuschaut, lassen sich Linke und Grüne diese permanenten Nadelstiche und die Präsenz Giffeys auf ihre Kosten gefallen.

Das mochte angehen, solang die SPD abgeschlagen in der Defensive war. Doch ausruhen dürfen sich die Noch-Koalitionspartner darauf nicht. Im Gegenteil: Es wird Zeit für den Angriff auf eine Kandidatin, die inhaltlich längst nicht so klar aufgestellt ist wie sie immer tut.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Was sollte daran unverschämt sein, von Anfang an zu sagen, dass man ein Enteignungsgesetz nicht machen werde. Ist halt eine klare Kante. Das Volksbegehren ist vor allem eines: unverbindlich.

    • @DiMa:

      Buschkowskys Lieblingskind Giffey war sogar gegen den Mietendeckel.



      Bei Klima- und Verkehrsthemen bräuchte sie eine ganze Armee von Beratern.



      Nein, die ehemalige SPD gibt es nur noch in Billigkopie, als Bonus-Doppel-CD für Doofe, bei der man nicht weiß, in welcher Tonne man sie entsorgen kann. Schade für jene SPD-Kandidatinnen, die noch was taugen.

  • Es ist zum Haareraufen!



    Meine Positiona zu Frau Giffey ist bekannt.



    ... Es wird Zeit für den Angriff auf eine Kandidatin, die inhaltlich längst nicht so klar aufgestellt ist wie sie immer tut...



    Ja, ja, wo!?



    Das Interview mit Tilo Jung ist ja nicht schlecht aber hier fehlt was. Espri, Begeisterung, ich will eingelullt werden von einem neuen Gefühl! Ein Paar kenne ich ja schon. Über die Zeit gesehen!



    Bettina Jarasch (Grüne)



    www.youtube.com/watch?v=jTM6S5LDLdY



    Übrigens T. Jung in der BPK immer ein Traum. Wenn vorne die Mimik und Visiere nach unten rasseln und so ein kollektives Podiumsstöhnen den Raum erfüllt.



    ..Leider geht es jetzt nur um die- harte Machtfrage-: Mit wem haben wir die besten Chancen?",.... "Es geht nicht um persönliche Sympathie, Vertrauen oder Charaktereigenschaften. Es hilft nichts, wenn jemand nach allgemeiner Überzeugung absolut RBm*in v. Berlin sein kann aber dieses Amt nicht erreicht, weil die Wählerinnen und Wähler sie nicht lassen."..



    Das ist doch nicht so schwer zu verstehen!



    Oh, Frau, et wird eng!