Abgeordnetenhaus-Debatte: „In einer Liga mit Paris und Boston“
Die Koalition ermüdet im Parlament mit dem wenig strittigen Thema Wissenschaft. Regierungschef Müller sieht Forschung als Hauptmittel gegen Arbeitslosigkeit.
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Die einen blicken auf den Laptop vor sich, andere auf ihr Handy. Ruhig ist es an diesem Donnerstagmorgen in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses. Selbst in den Reihen der SPD-Fraktion wirkt man nicht wirklich gebannt vom Thema Wissenschaft, an dem sich die eigene Abgeordnete soeben am Rednerpult abarbeitet. Es ist nicht gerade das, wofür die „Aktuelle Stunde“ als Tagesordnungspunkt mit der längsten Redezeit erfunden wurde. Den AfD-Abgeordneten Martin Trefzer bringt das zu der Vermutung, die rot-rot-grüne Koalition habe bloß deshalb auf diesem Thema für die zentrale Debatte bestanden, weil man sich da ausnahmsweise mal nicht streite.
Andere Vorschläge hatte es gegeben – die CDU-Fraktion etwa hätte gern über das Thema Europa gesprochen, was angesichts der in wenig mehr als zwei Wochen anstehenden Wahl tatsächlich aktuell gewesen wäre. So aber musste als Aufhänger für Wissenschaft die sechs Tage alte Nachricht herhalten, dass die Bundesregierung die deutschen Hochschulen über den bisherigen Hochschulpakt hinaus dauerhaft unterstützen will. Und so mühen sich die wissenschaftspolitischen Sprecher der sechs Fraktionen, Konflikte auf Landesebene herauszuarbeiten.
Was aber merklich schwierig ist und weitgehend auf Kritik an nicht genug Wohnheimplätzen für Studierende und weiterhin befristete Stellen an den Hochschulen begrenzt bleibt. FDP-Mann Stefan Förster lobt sogar den zuständigen Staatssekretär Steffen Krach von der SPD und bittet die Koalition gar nicht mal scherzhalber, ihn von jüngst praktizierten Staatssekretärs-Wechseln auszunehmen. Hintergrund ist, dass der Senat seit Dezember vier Staatssekretäre ersetzte. Offiziell zuständig für Wissenschaft ist Regierungschef Michael Müller (SPD), der das Ressort zusätzlich übernahm, weil die Berliner Verfassung die Zahl der Senatoren auf zehn begrenzt. De-facto-Ressortchef aber ist Krach, weil Müller als Regierender Bürgermeister zu viele andere Dinge auf dem Schreibtisch hat.
Was nicht heißt, dass Müller nicht im Bilde ist: Als er am Ende einer zähen Rederunde für den Senat ans Mikrophon tritt, lässt sich von ihm lernen, dass er das Thema für den zentralen Wachstumsmotor in Berlin hält. Wenn die in den vergangenen zehn Jahren ohnehin schon auf aktuell 7,7 Prozent fast halbierte Arbeitslosenquote noch weiter sinken solle, „dann wird das im wesentlichen nur über Wissenschaft und Forschung gehen“, sagt Müller.
Der Regierungschef wendet sich auch gegen am Donnerstag bekannt gewordene Kritik des Bundesrechnungshofes am Umgang der Bundesländer mit den Hochschulgeldern. Er verweist darauf, dass die Zahl der Studienplätze in Berlin seit 2006 bis zum vergangenen Wintersemester um rund 60.000 von 132.000 auf 191.000 angestiegen sei: „Das ist gut angelegtes Geld.“
Müller sieht Berlin mit seinen elf staatlichen und 30 privaten Hochschulen sowie 70 außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf Augenhöhe mit London, Paris und Boston – „in dieser Liga spielen wir inzwischen.“ Boston ist Sitz der Harvard-Universität und des MIT, Nummer 2 und 5 unter den Top-Universitäten der USA.
„Ohne diese Wissenschaftslandschaft wäre Berlin nicht die Start-up-Hochburg“, sagt Müller – und das sei durchaus nicht trotz der Politik passiert, wie ein Zwischenrufer aus der Opposition behauptete, sondern aus Müllers Sicht mit deren kräftiger Unterstützung. Dass die Oxford-Universität in Berlin einen Ableger aufbaut, dass zwei weltweit führenden Stiftungen hier Niederlassungen eröffnen würden, „das war vor wenigen Jahren noch undenkbar“.
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