Abgasskandal bei Daimler: Verboten – na und?
Daimler handelt illegal, findet der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags. Minister Dobrindt ist das egal, die Aktionäre werden trotzdem nervös.
Dem widerspricht nun der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags. In einem Gutachten für die Grünen-Fraktion, über das zuerst das ZDF-Magazin „Frontal 21“ berichtet hatte, zerlegen die unabhängigen Juristen die Argumentation von Daimler. Der Schutz des Motors dürfe „grundsätzlich keine taugliche Rechtsgrundlage dafür sein“, um eine Abschalteinrichtung auch bei Bedingungen greifen zu lassen, die bei normalem, bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Personenkraftwagens typischerweise eintreten“. Die Temperaturen von 7 bis 10 Grad, bei denen weit überhöhte Abgaswerte gemessen wurden, rechtfertigten keinesfalls eine Ausnahme.
Als Konsequenz aus dem Gutachten forderte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auf, „sofort für die Beendigung dieser skandalösen Praxis zu sorgen“. Doch Dobrindt sieht keinen Handlungsbedarf, sagte sein Sprecher Ingo Strater auf Anfrage. Auch einen inhaltliche Einschätzung zum Gutachten lehnte er ab. Rechtliche Fragen wie diese würden erst im Bericht erörtert, den das Ministerium veröffentlichen will, wenn die selbst vorgenommenen Abgastests ausgewertet sind. Einen Termin gibt es dafür weiterhin nicht.
Das Kraftfahrtbundesamt lehnte einen Kommentar zum Bundestags-Gutachten ebenfalls ab. Nach Informationen der taz hat die Behörde, die Dobrindt untersteht, auch einen Antrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) noch nicht beantwortet: Der Umweltverband hatte Anfang Februar beantragt, einem Mercedes C220, der in einem Test weit überhöhte Abgaswerte gezeigt hatte, die Typgenehmigung wieder zu entziehen. In einem ähnlichen Fall, in dem es um einen Opel ging, hatte das Kraftfahrtbundesamt den Antrag mit der Begründung abgelehnt, es mangele „an der notwendigen Antragsbefugnis“. Dagegen hat die DUH Widerspruch eingelegt, um eine Klärung zu erzwingen.
Drohende Prozesse in den USA
DUH-Anwalt Remo Klinger hat keinen Zweifel, dass die zuständigen Behörden die Zulassung für die betroffenen Fahrzeuge nicht nur widerrufen können, sondern sogar müssen. Anderenfalls bestehe „der begründete Verdacht, dass sie an gegebenenfalls erfüllten Straftatbeständen bei Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen Beihilfe leisten“, schreibt er in einem Gutachten, das der taz vorliegt.
Daimler selbst bleibt hingegen bei der Einschätzung, nicht illegal zu handeln. „Diese Vorwürfe weisen wir entschieden zurück“, sagte Vorstandschef Dieter Zetsche am Mittwoch bei der Hauptversammlung in Berlin. Doch obwohl sich die Aktionäre über eine deutlich gestiegene Dividende freuen dürfen, werden sie teilweise nervös – was sich auch am Aktienkurs zeigt, der in den letzten Monaten trotz guter Unternehmenszahlen kräftig gesunken ist. Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment sprach bei der Hauptversammlung von „enormen Klage- und Reputationsrisiken“. Auch andere Aktionäre forderten eine verstärkte Aufklärung.
Denn zumindest in den USA droht dem Konzern eine juristische Auseinandersetzung. Eine Anwaltskanzlei hat bereits eine Sammelklage eingereicht; die Umweltbehörde EPA prüft die überhöhten Abgaswerte ebenfalls. Und auch in Deutschland wird das Thema so schnell nicht verschwinden: Die Umwelthilfe reichte am Mittwoch eine Klage wegen irreführener Werbung gegen Daimler ein, und die Grünen im Bundestag denken laut über einen Untersuchungsausschuss zum Abgasskandal nach.
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