Abbruch trotz Kaufangebot: Bagger am Schumacher-Bau
Im 20er-Jahre-Ensemble am Elisabethgehölz in Hamm beginnt die VHW-Genossenschaft mit dem Abriss.
HAMBURG taz | Für Corinna Gülzow war es ein Schlag ins Gesicht: Das Gebäudeensemble in Hamm, in dem sie seit 18 Jahren lebt und für dessen Erhalt sich die 45-Jährige mit der Mieterinitiative „Rettet Elisa“ einsetzt, ist offenbar endgültig dem Abriss geweiht. Ein Bagger gräbt sich am Dienstagnachmittag in das erste Haus am Chapeaurougeweg, reißt Stücke der Backsteinmauern heraus und gibt den Blick ins unbewohnte Innere der Wohnungen frei.
Proteste, runde Tische, Klagen und eine Unterschriftenaktion richteten am Ende nichts aus: Die Vereinigte Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft (VHW) hat ihre Abrisspläne durchgesetzt. Dabei schien die Rettung des Wohnkomplexes aus den 1920er-Jahren für die Initiative „Rettet Elisa“ zuletzt zum Greifen nahe.
Mäzen im Urlaub
Ein zahlungskräftiger „Mäzen“ wolle das Gebäude kaufen, meldeten die Mieter noch am Montag. Es handele sich um einen prominenten Unternehmer aus der Schifffahrtsbranche, der anonym bleiben wolle. Sein Anwalt Detlev Broszehl von der Kanzlei Unverzagt von Have habe den Mietern in der vergangenen Woche das Kaufinteresse seines Mandanten unterbreitet. Doch sowohl der Reeder als auch sein Anwalt sind bis zum Wochenende im Urlaub und nicht zu erreichen.
„Leider ist die VHW nicht bereit, nur wenige Tage mit dem Abriss zu warten“, sagt Corinna Gülzow. Dass der Abbruch nun ausgerechnet an der aus Sicht der Mieter besonders schützenswerten Innenhof-Fassade begonnen wurde, deutet sie als klares Zeichen: „Die VHW will Fakten schaffen und den Abriss endgültig besiegeln“, sagt sie.
Zwei Wochen sollen die Abrissarbeiten dauern, auf dem Areal soll anschließend der Neubau „Elisa II“ mit 122 Wohnungen entstehen. Von einem vermeintlichen Mäzen weiß die VHW nichts: „Mit uns hat niemand Kontakt aufgenommen“, sagt Sprecherin Annika Patzelt. Ändern würde ein Kaufangebot ohnehin nichts mehr: „Wir bleiben bei Abriss und Neubau, weitere Verzögerungen können wir den vielen wartenden Mietern nicht zumuten“, sagt Patzelt. Mehr als 2.000 Interessenten und 50 ehemalige Bewohner warten bereits auf die 122 Wohnungen, die im Neubau entstehen sollen. Derzeit wohnen noch vier Mietparteien in dem „Elisa“-Komplex. „Zwei von ihnen haben bereits Mietverträge für Ersatzwohnungen unterschrieben, zwei weitere besichtigen derzeit Wohnungen aus dem Bestand der Genossenschaft“, sagt Patzelt.
Der Streit um „Elisa“ zieht sich bereits seit drei Jahren hin. Der Wohnkomplex ist ein Beispiel für den Baustil von Oberbaudirektor Fritz Schumacher. Um den Erhalt der Wohnanlage durchzusetzen, hatten einige Mieter und Unterstützer zuletzt eine eigene Genossenschaft gebildet. Deren Kaufangebot über drei Millionen Euro lehnte die VHW jedoch ab.
Kein Denkmalschutz
Das Denkmalschutzamt hatte es abgelehnt, das Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen. Die Architektenkammer, die Kurt-Schumacher-Gesellschaft und der Denkmalrat hatten sich indes für den Erhalt der Häuser ausgesprochen.
Die Kaltmieten im Neubau „Elisa II“ sollen laut VHW zwischen 5,90 und 8,20 Euro pro Quadratmeter liegen. Den Altmietern wird eine Rückkehr bei einer Kaltmiete von 5,90 Euro garantiert.
Fraglich ist jedoch, inwiefern diese Zusage rechtlich verbindlich ist. Für die „Elisa“-Bewohner“ könnte ein Rückzug trotz niedriger Mieten ohnehin schwierig sein: Die geplanten Wohnungen sollen größer sein als die bisherigen 102 Wohneinheiten in dem Altbau.
Mieterin Corinna Gülzow ist enttäuscht. „In all der Zeit wurde auf unsere Kritik kaum eingegangen. Die Politik und das Denkmalschutzamt haben den Protest einfach ausgesessen“, sagt sie. Am frühen Abend versammelten sich einige Mieter noch einmal vor dem Gebäude. Nicht nur, um noch einmal zu protestieren: „Wir wollen Abschied nehmen“, sagt Gülzow.
Leser*innenkommentare
Emma aus Hamburg
Sehr geehrteR UDU,
Wenn man sich auf der Webseite der Initiative einliest, die vorhandenen Dokumente studiert, dann kann man nicht zu Ihrer Einschätzung der Sache kommen.
Sie haben ein privates Problem mit der sich engagierenden Dame, denn Sie sprechen von angeblichen Behauptungen, Märchen etc.? In Anbetracht des Verbrechen an unserem Stadtbild, das hier gerade passiert, finde das unangemessen.
Es geht um das Backstein-Erbe, welches vielen Bürgern am Herzen liegt (s. vers.Unterschriftenlisten). Mir geht es als Hamburgerin um die identitätstiftenden Bauten meiner Stadt. Fachleute erklärten, warum dieses Gebäude erhaltenswert ist, meinen Sie, das sind Leute die sich Dinge ausdenken? Dass das Denkmalschutzamt diesen Bewertungen nicht folgt ist der eigentiche Skandal. Wir haben als Bürger nicht einmal die Chance dagegen gerichtlich anzugehen, dass zeigte nämlich das Urteil des Verwaltungsgericht das Sie ansprechen. Es urteilte nicht über die Frage des Denkmalschutzes.
Auch scheinen Sie sich nicht im Sanierungsgewerbe auszukennen. Natürlich sind Häuser ohne Wärmedämmung zu sanieren. Insb. die alten 20er/30er Jahre-Bauten waren oft hochqualitativ und hatten ein ausgleichendes Hausklima. Sie warten hier grenzwertig mit einer Reihe von Anschuldigungen gegen die Initiative auf und schieben ihr bestimmte Sachbeschädigungen zu? Haben Sie RA Dr. Broszehl angerufen und die angebliche Unwahrheit aufgedeckt? Kennen Sie das Angebot, so dass Sie urteilen können, ob den ehemaligen Bewohner die Rückkehr verwehrt wäre?
Sie können als Genossenschaftsmitglied den Vorstand wählen? Das kenne ich aus anderen Genossenschaften ganz anders. Nach demokratischen Verständnis sagt eine Wahl eines Vorstands / Politikers auch nicht, dass er damit einen Freifahrtschein bekommt und der Genosse / Bürger damit per se mit allen Handlungen und Entscheidungen einverstanden sein muss. Es ist schade, wenn so ein ehrenwertes Anliegen der Initative ins Lächerliche gezogen wird.
udu
Frau Gülzow sollte endlich mal die Realität erkennen und nicht ständig mit neuen Geschichten aufkreuzen. Vor wenigen Wochen will man eine Genossenschaft gegründet haben und das Gebäude erwerben, dann ohne Brandschutz und Wärmedämmung sanieren. das hatte ich ohnehin nicht geglaubt. Jetzt will angeblich ein zahlungskräftiger „Mäzen“ das Gebäude kaufen. Wie passt das mit den Zielen ihrer Genossenschaft zusammen? Wie kann man einen Käufer suchen, wenn vorher schon bekannt war, dass die VHW das Gebäude nicht verkauft? Ich bin immer wieder erstaunt, wer von den Politikern usw die Märchen dieser Frau glaubt.
Verschwiegen wird, dass nicht nur das Denkmalschutzamt nicht auf ihrer Seite ist, sondern auch die Klage beim Oberverwaltungsgericht abgewiesen wurde.
Die VHW hat den Mietern ein Rückkehrrecht eingeräumt. Wie soll sie zu ihrem Wort stehen, wenn sie verkaufen würde? Wir Genossenschaftsmitglieder haben durch Wahl des Vorstandes das Vorhaben bestätigt. Da hilft es auch nicht, wenn im Umfeld Sticker geklebt werden mit ELISA BLEIBT und Wahlplakate der Politiker damit verunstaltet wurden. Selbst vor dem Abgeordneten Büro eines Politikers, der als Rechtsanwalt die VHW vertritt, wurden Sachschäden verursacht.
Es werden kleine, aber auch größere Wohnungen nach neustem Stand gebaut; wenn jüngere Genossenschaftsmitglieder, die in Hamm aufgewachsen sind, brauchen größere Wohnungen für ihre Familien.
Es bleibt abzuwarten, wer von den ehemaligen Mitgliedern nach Fertigstellung wirklich zurückziehen will; denn bis dahin hat man am neuen Wohnort soziale Kontakte geknüpft. Einer, der bei uns wohnt, will nicht wieder zurück und ein weiterer, der froh ist, von der VHW eine andere Wohnung bekommen zu haben, bleibt ebenfalls dort wohnen. Ich hoffe, dass das Vorhaben nun zügig umgesetzt wird.
Corinna Gülzow
Sehr geehrte Frau UDU, oder wohl besser Frau Barbara Uduwerella,
bekannterweise schreiben Sie gern Leserbriefe in diesem Stil+ähnlichen Inhalts, so auch an Politiker, die unser Anliegen unterstützen. Auf Abgeordnetenwatch benutzen Sie Ihren vollen Namen, warum nicht hier, wo Sie mich persönlich angreifen? Ich kenne Sie nicht. Die Diskussion sollte sachlich sein und mit korrekten Fakten arbeiten. Nehmen Sie zur Kenntnis die Mieterinitiative, die Elisa e.G., das Patenprojekt sowie die Hamburger Denkmalinstitutionen bestehen aus vielen Menschen, denen es um den Erhalt des Hamburger Backstein-Erbes geht. (Online-Abstimmungen der Stadtwerkstatt >7000 und der Initiative ca.1500). In drei Jahren (2011-2013) sprach sich 3x jeweils die Mehrheit der Elisianer schriftlich für Erhalt und Sanierung aus, was dieVorstände Hahn+Quasnitza leider ignorierten. Informieren Sie sich, bevor Sie Behauptungen oder Anschuldigungen von Sachbeschädigungen aufstellen: Bzgl. der Elisa e.G. beim Genossenschaftsregister; Bzgl. eines Mäzens bei Ihrem Vorstand oder Herrn Dr. Broszehl (Kanzlei Unverzagt von Have); Bzgl. der Möglichkeit von Sanierungen s. das Dittert-Gutachten (2012), bei Fachleuten (z.B. Lawaetz-Stiftung); Bzgl. Ihrer Falschaussage zu dem Urteil des OVG dort; Bzgl. des Rückkehrrechts der Elisianer bei der Elisa e.G./ bei Verkauf an einen Mäzen,der Antritt um das Haus zu erhalten, fragen Sie dort, wie es sich verhält.Hinweis: Im Fall des Schlöperstiegs hat die vhw das Gebäude verkauft. Wie war es dort mit dem Rückkehrrecht? Bzgl. Ihrer falschen Aussage zu unseren Genossenschaftstrukturen in unserer Satzung. Sie wählten Mitgliedervertreter, nicht den Vorstand! In unserem Bezirk haben die Genossen nahezu nur Mitglieder der Initiative „Rettet-Elisa!“ gewählt. Mitgliedervertreter entlasten den Vorstand, oder eben nicht. In einer Genossenschaft darf man normalerweise wie in unserem demokratischen Staat auch unterschiedlicher Meinung sein.