piwik no script img

Abbau der Meinungsfreiheit laut Unesco„Beispiellose Veränderung seit 2012“

In einem Bericht warnt die Unesco vor dem Abbau seriöser Information. Sie sieht den Einfluss von KI und die Orientierung an Klickzahlen kritisch.

Im Studio des Propagandasenders Russia Today Foto: itar-tass/imago

kna | Die Meinungs- und Pressefreiheit weltweit ist seit 2012 laut der Weltkulturorganisation Unesco stark zurückgegangen. Das Maß der Erosion sei nur vergleichbar mit der Zeit des Ersten Weltkriegs, dem Aufstieg autoritärer Regime bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Kalten Krieg von 1963 bis 1973, heißt es im Bericht zu Trends der Presse- und Meinungsfreiheit 2022–2025, der am Montag in Paris veröffentlicht wurde.

Demnach sank der globale Index für Meinungsfreiheit seit 2012, als er sich auf dem höchsten Stand seit der Französischen Revolution 1789 befand, um 10 Prozent von 0,68 auf etwas über 0,61. Die Indexzahl 1 steht dabei für völlige Meinungsfreiheit, eine 0 für keine. Besonders rasch vollzog sich die Abwärtsbewegung seit der Coronapandemie 2020.

Der Bericht spricht von einer „historisch bedeutenden und beispiellosen Veränderung“. Verantwortlich für den Trend macht die Unesco politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Druck auf Medien, seit zwei Jahren aber auch die Konkurrenz für unabhängigen Journalismus durch künstliche Intelligenz (KI).

Zusehends schiebe sich auch Nutzerorientierung in Informationssystemen vor eine Berichterstattung, die an öffentlichem Interesse ausgerichtet ist und professionell erfolgt.

Über die vergangenen vier Jahre wirkten auf die Meinungs- und Pressefreiheit laut Unesco in vielen Ländern eine Erosion der Machtkontrolle durch „Checks and Balances“ sowie Desinformation durch neue Technologien wie KI negativ ein, aber auch Rückschritte bei Frauenrechten und Rechten benachteiligter Gesellschaftsgruppen, Feindseligkeit gegen Berichterstattung über Klimawandel und die Konkurrenz von Digitalplattformen gegenüber professionellen Medien.

Medien als öffentliches Gut schützen

Der Bericht verweist auch auf das schwindende Bürgervertrauen in Institutionen in einflussreichen Ländern. Dies gehe einher mit Versuchen, demokratische Einrichtungen wegen Versagens in sozialen und wirtschaftlichen Problemen zu diskreditieren. Erstmals seit 20 Jahren seien Demokratien weltweit in der Minderzahl. 72 Prozent der Weltbevölkerung lebten unter autoritären Regierungen, so viele wie seit 1978 nicht mehr.

Tawfik Jelassi, Leiter der Unesco-Sektion für Kommunikation und Information, mahnte entschlossenes Handeln an, um freie Meinungsäußerung gegen KI-verstärkte Miss- und Desinformation zu verteidigen. Als Hoffnungsstrahl bezeichnete er Bürgerradios, investigativen Journalismus über Korruption und Ungerechtigkeit, neue Medienzugänge für Milliarden Menschen und grenzüberschreitende Kooperationen von Journalisten, die gemeinsam Medien als öffentliches Gut schützten.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare