Aachener Friedenspreis: Auszeichnung für die Lohmeyers
Seit vielen Jahren kämpfen Birgit und Horst Lohmeyer in Jamel gegen Neonazis. Dafür wurden sie jetzt mit dem Aachener Friedenspreis prämiert.

Das Festival ist Teil eines Kampfs, den die Lohmeyers – sie Schriftstellerin, er Musiker – bereits seit 21 Jahren führen. Damals zog das Paar von Hamburg nach Jamel, das rund 40 Einwohnende zählt, in den früheren Forsthof. Raus aus der Stadt, mehr Ruhe, die Ostsee vor der Tür. So war die Idee. Doch in Jamel wohnte ein Neonazi-Kader, weitere Szenefreunde zogen dazu und inszenieren dort eine national befreite Zone, mit Reichsflaggen, Braunau-Wegweiser und rechtsextremen Wandzeichnungen. Inzwischen haben die Neonazis das Dorf fast komplett übernommen, zwei von ihnen sitzen auch im Gemeinderat.
Die Lohmeyers aber blieben, jetzt erst recht. Um den Neonazis das Dorf nicht zu überlassen, aus demokratischer Verantwortung, wie sie mehrfach betonten. Es hat seinen Preis: Immer wieder werden sie bedroht, 2015 brannte ihre Scheune nieder, erst in der jüngsten Silvesternacht wurde ihr Haus wieder attackiert. Doch die Lohmeyers halten dagegen, seit 2007 auch mit ihrem Festival, das für sie weit mehr als ein Musikevent ist, nämlich ein Widerstandszeichen der Demokratie. Die Bands dort sind stets hochkarätig, treten ohne Gage auf, werden bis zum Auftritt geheimgehalten.
Am Montag erhielt das Ehepaar für dieses jahrelange Engagement den diesjährigen Aachener Friedenspreis, zusammen mit dem Amirkabir Newsletter, eine studentische Medienplattform im Iran, die Regimegegner*innen vernetzt und Repressionen an Universitäten dokumentiert. Die Lohmeyers seien „Symbolfiguren für Zivilcourage“, erklärte Laudator und Regisseur Ali Samadi Ahadi. „Weil sie geblieben sind, als andere gegangen wären.“ Weil sie zeigten, dass Demokratie nicht in Gesetzen lebe, sondern in Menschen, die sich für ihre Überzeugung einsetzten, die „Nein sagen, wenn andere Ja schreien“. Aus ihrer Beharrlichkeit könne man Hoffnung schöpfen.
Ihre Danksagung: nordisch-knapp
Für die Lohmeyers ist es nicht der erste Preis. Das Ehepaar nahm auch diesen freudestrahlend entgegen, mit nordisch-knapper Danksagung. Der Preis freue sie auch deshalb, weil er anderen zeige, dass sich Engagement lohne, sagte Birgit Lohmeyer. Verglichen mit den Bedrohungen für die anderen Ausgezeichneten, den Studierenden im Iran, die teils Entführungen und Folter erlitten, erscheine die Lage in Jamel aber lächerlich. Ihr Einsatz sei „demokratischer Trotz“, erklärte Lohmeyer. Aber er werde nicht leichter, wie die jüngsten „Sabotagen“ des Festivals durch den Landkreis zeigten. „Ein Nervenkrieg. Man wollte uns mürbe machen.“
Inzwischen sei nicht mehr nur das Dorf, sondern die ganze Region feindlich gesinnt und eine AfD-Hochburg. Und je mehr AfD-Vertreter in den Verwaltungen säßen, umso schwieriger werde es für Kultur und politische Initiativen, auch anderswo. „Das hat Methode.“ Dagegen müsse man „stark und laut sein oder bleiben“, so Lohmeyers Appell. Demokratie lasse sich nicht auf dem Sofa verteidigen. Für die Lohmeyers ging dieser Einsatz unvermittelt weiter – mit der Rückreise nach Jamel.
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