piwik no script img

ARD-DokuDie gefährliche und umstrittene Welt von Palantir

Erstmals schaut ein Dokumentarfilm auf den US-Milliardär Alex Karp und seine umstrittene Firma. Gut so, denn Palantir schadet der Demokratie.

Protest in New York gegen die Verwendung von Palantir-Software Foto: Adam Gray/reuters

D ie Überwachungssoftware der US-Firma Palantir kommt in den Medien selten ohne das Adjektiv „umstritten“ vor. In Bayern, Hessen und NRW nutzt die Polizei das Zeug. Jetzt hat auch Baden-Württemberg für 25 Millionen Euro den Palantir-Dienst „Gotham“ gekauft. Weil die Polizei die Software aus rechtlichen Gründen noch gar nicht einsetzen darf, hat das prompt eine Miniregierungskrise ausgelöst.

Dabei ist die Sache völlig klar. Palantir-Mitgründer Alex Karp bilanziert das ganz nüchtern in dem Dokumentationsfilm „Watching You“ von Klaus Stern, der ihn und seine Firma porträtiert. „Unser Produkt kann zum Töten von Menschen eingesetzt werden. Wenn Sie irgendwo einen Terroristen suchen, nutzen Sie wahrscheinlich dazu unser Produkt. Und um diese Person auszuschalten, nutzen Sie vermutlich ebenfalls ein Produkt von uns.“ „Mir läuft es eiskalt den Rücken runter“, sagt die Mitbewohnerin.

Dass staatliche Behörden massiv auf die Software eines Privatunternehmens setzen und sich abhängig machen, ist die eine Geschichte. Dazu kommen Datenschutzbedenken: Bereits 2023 sammelte das Bundesverfassungsgericht die schlimmsten Auswüchse in Sachen Datenschutz ein. Eine weitere Klage ist gerade in Vorbereitung.

Wie sich das Silicon-Valley-Unternehmen medial verhält, erzählt eine ganz andere Geschichte. Palantir weiß vermutlich so ziemlich alles und könnte jedes Normalmobiltelefon der Welt auslesen. Sein eloquenter Oberverkäufer Karp sorgt dafür, dass der Laden selbst aber eine Black Box bleibt.

Seit acht Jahren auf der Spur

Karp macht auf locker und hat für Kritik Verständnis. „Ich hab mich gefragt, ob ich eigentlich auch gegen mich protestieren würde, wenn ich jünger wäre“, sagt er kokett. Hört sich ganz zugänglich an? „Nee“, sagt die Mitbewohnerin. „Wie ist denn seine Antwort?“ Seit über acht Jahren versucht der Filmemacher Klaus Stern das herauszukriegen und Karp zum Interview zu bewegen. Diverse Zusagen wurden zurückgenommen, bei der Waffenmesse Ausa in Washington wurde Stern trotz offizieller Akkreditierung rausgeschmissen.

Stern hat den Film dennoch gemacht, er läuft am 7. August um 22.50 Uhr in der ARD und steht schon jetzt in der Mediathek. Auch Palantir-Mitarbeitende haben ihn gesehen und Stern ein großes Kompliment gemacht. Er wurde vergangene Woche überraschend zur Münchner Buchvorstellung von Karps Buch eingeladen. Darin propagiert er unter anderem die technologische Weltrettung. Schließlich ist sein Palantir-Mitgründer der Antidemokrat Peter Thiel.

Für freie Medien und unabhängigen Journalismus ist da kein Platz. Was sich daran zeigt, dass Stern keine zwei Stunden vor dem Event wieder ausgeladen wurde. „Das ist der Nukleus, wie Palantir funktioniert und wie sie mit kritischem Journalismus umgehen“, sagt Stern. Positiv formuliert: Er wird ernst genommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Was ist eigentlich "umstritten", wenn rechte US-Autokraten wie Thiel eine Firma betreiben, die Spionage-SW herstellt, die von deutschen Polizeien, Geheimdiensten etc eingesetzt werden soll? Und die Daten der deutschen Bevölkerung den rechtsextremen Irren da drüben frei Haus liefert? Ist da irgendwas uneindeutig oder nicht zu verstehen?

    Kein Wunder, dass Dobrindt das super findet, aber das sollte doch reihum ein maximales Alarmsignal sein. Ich fass es nicht.

  • Und weil wir kleinen Verbraucherlein mit unseren Daten auf sozialen Netzwerken so freigiebig sind, wie sich die Volkszählung 1987 das nicht hätte erträumen können, liefern wir auch fleißig Infos für solche Leute.