piwik no script img

AKW Biblis A: Nachrüsten oder Aus

Das Bundesumweltministerium hat zwei Nachrüstungspakete für den uralten Reaktor geschnürt. Unter anderem die teure Notstandswarte könnte zum vorzeitigen Abschalten des AKWs führen. Kleinere Störfälle in beiden Reaktoren

aus Frankfurt am Main KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Zwei „Pakete“ sind in Berlin von Bundesumweltminister Jürgen Trittin und den Seinen endlich geschnürt und auf die Reise zu RWE nach Essen geschickt worden. Ihr brisanter Inhalt: abgestufte Nachrüstungsmaßnahmen für den uralten Pannenreaktor Biblis Block A. In das Paket mit der Nummer eins wurden „alle dringend notwendigen Sofortmaßnahmen“ hineingepackt, ohne deren Realisierung das 1.300-Megawatt-AKW im hessischen Ried von RWE nicht mehr weiter betrieben werden könnte, sagte gestern der hessische Landtagsabgeordnete der Grünen, Alexander Müller.

Zeitgleich oder direkt danach – und das ist Paket Nummer zwei – müsse RWE auch eine verbunkerte Notstandswarte außerhalb der Reaktoren A und B bauen oder ein vergleichbares Sicherheitssystem installieren. Die Errichtung einer Notstandswarte war schon 1989 vom damaligen Landesumweltminister Weimar (CDU) gefordert worden; RWE sperrte sich erfolgreich mehr als zehn Jahre lang dagegen.

Experten schätzen die Kosten für den Bau einer solchen Notstandswarte, aus der heraus beide Reaktoren bei einem drohenden GAU und einem Ausfall der Bedienungsmannschaft noch abgeschaltet werden könnten, auf knapp 10 Millionen Mark. Die Gesamtkosten der Nachrüstungen bezifferte Rainer Baake, Staatsskretär im Bundesumweltministerium, auf einen Betrag zwischen „500 Millionen und einer Milliarde Mark“. Bei RWE in Essen laufen zurzeit die Rechenmaschinen heiß: Lohnt sich diese Investition noch; bei nur noch knapp acht Jahren Laufzeit?

Dass es in Sicherheitsfragen keinen Rabatt geben werde, hat der für die Atomaufsicht und die Genehmigung atomarer Anlagen aktuell zuständige hessische Umweltminister Wilhelm Dietzel (CDU) immer wieder erklärt. Gleichzeitig aber monierte Dietzel, dass der beschlossene Atomausstieg sinnvolle Nachrüstungsmaßnahmen für Biblis verhindere.

Will RWE den Reaktor aus ökonomischen Erwägungen heraus noch vor dem Jahre 2008 vom Netz nehmen? Die so gewonnene Restlaufzeit könnte schließlich Biblis Block B gutgeschrieben werden. Der Landesminister könnte es wissen, sagt aber nichts. Dietzel müsse das „Verwirrspiel“ um die Nachrüstung von Biblis Bock A endlich beenden, forderte denn auch die Landtagsfraktion der hessischen SPD am vergangenen Dienstag.

Doch Dietzel ist Schweigen gewohnt, wie gestern wieder bekannt wurde: Er verschwieg monatelang, dass es im März 2000 im AKW Biblis Block B einen Störfall der Kategorie „Eilt“ gab. Am Freitag vergangener Woche fiel dann in Block A eine von zwei Hilfspumpen der Sperrwasserversorgung aus; damit wird im Notfall der Austritt von radioaktivem Wasser verhindert. Am Mittwoch dieser Woche war das Wasser im Sekundärkreislauf „leicht radioaktiv belastet“, weil einer der vier Dampferzeuger undicht war.

Wie RWE jetzt mitteilte, sei man mit Dietzel übereingekommen, bei der Revision von Block A im August 2000 zunächst die vom hessischen Umweltministerium bereits genehmigte Nachrüstung des Nebenwasserkühlsystems durchzuführen. Zum weiteren Vorgehen bei der Umsetzung der übrigen Nachrüstungsmaßnahmen seien allerdings noch Gespräche mit dem Bundesumweltministerium erforderlich, so der Sprecher des AKW Biblis, Ernst Müller.

Dabei geht es zunächst einmal nur um Paket Nummer eins: um Nachrüstungen bei den Brandschutzsystemen und um die Schaffung von Sicherungseinrichtungen zur Verhinderung von Nachwirkungen auf den Reaktor bei eventuellen Erdbeben in der Region. Mit den Arbeiten zu diesen Nachrüstungsmaßnahmen müsse auch unverzüglich im Rahmen der Revision 2000 begonnen werden; und sie seien spätestens am Ende der Revision 2001 abzuschließen. Und was ist mit Paket Nummer zwei? Das liegt weiter ungeöffnet in Essen herum.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen