70. Geburtstag von Iris Berben: Alter!
Seit 40 Jahren muss Schauspielerin Iris Berben über ihr Alter reden. Auch jetzt wieder. Langsam sollte Schluss damit sein.
Iris Berben hat auf ein bestimmtes Thema keine Lust mehr: „Ich kann mich eigentlich gar nicht mehr erinnern, nicht dauernd auf mein Alter angesprochen zu werden“, und dass ihr diese Frage „irgendwann aus dem Arsch rauskam“, sagte sie letzte Woche in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung anlässlich ihres 70. Geburtstags. „Wann ging das los, dass Sie in Interviews permanent über Alter reden müssen?“, hatte die SZ dialektisch-clever gefragt, um damit gleichzeitig Berbens Widerwillen gegen das Sujet und das dann anscheinend doch medienimmanente Interesse daran einzufangen.
Das Ganze ist umso erstaunlicher, weil ebendiese SZ es besser wissen müsste: Anlässlich Berbens 65. Geburtstag hatte sie vor fünf Jahren schon einmal sämtliche, mehr oder minder offen altersdiskriminierenden, subtil auf „Fuckability“ abzielenden Wie-fühlt-man-sich-denn-als-soooo-alte-Frau-Fragen aufgelistet, die Berben in ihrer Karriere als Schauspielerin von deutschen Medien gestellt wurden (nach Eigenaussage das erste Mal mit 30).
Aber Moment: Machen wir somit, huch, gerade denselben Fehler, indem wir indirekt Iris Berbens Alter (beziehungsweise ihre Unlust auf das Thema) diskutieren, anstatt ihre Fähigkeiten als Schauspielerin? Oder springen wir für sie in die Bresche und verteidigen sie gegen Lookism, Ageism und Sexismus?
Das eine schließt das andere nicht aus. Zum Geburtstag sollte man eindeutig das Alter des oder der Jubilar*in ansprechen dürfen, allein schon wegen der Kuchenkerzenanzahl, oder bei der Überlegung, Schnaps zu schenken. Zu fragen, ob das Alter „ein Problem“ sei, ob man (das werden ausschließlich Frauen gefragt) Angst habe, die „erotische Ausstrahlung“ zu verlieren, oder im Interview ein ungeliebtes Thema mit der Formulierung einzuleiten, wie lange das Thema denn schon ungeliebt sei, das ist allerdings billig.
Alles Gute!
Und es wird auch nicht besser, wenn im Hintergrund ein „Sieht gut aus – für ihr Alter!“ lauert, das impliziert, dass mit steigendem Alter zwingend die Attraktivität abnimmt. Was besagtes SZ-Interview zumindest in der Schwebe lässt, indem die Interviewerin zugibt, sie habe „Angst vor Sex im Alter“, seit sie „Andreas Dresens,Wolke 9' gesehen“ habe.
Befindlichkeitsfragen à la „Wie alt fühlen Sie sich?“ (aus dem SZ-Interview) funktionieren ebenfalls schwerlich als Trick, denn Fühlfragen gehören zur leidigen Familie der tendenziösen Berichterstattung, genauso wie das markus-lanzige „Was macht das mit Ihnen?“ oder das Sportler*innen-Geplänkel „Wie fühlt man sich dabei?“: Beide entstammen der Interviewschule, für die „Emotionen einfangen“ Priorität hat, und die außer Acht lässt, dass für ein wirklich emotionales Gespräch eine gewisse Intimität und ein Interesse auf beiden Seiten vorhanden sein müssen. Aber auch das ist ambivalent: Natürlich sind Iris Berbens Aussagen interessant, wenn sie ehrlich und authentisch wirken, dabei helfen Emotionen. Wie man’s macht, scheint es verkehrt zu sein.
Um nicht in dieselbe Falle zu tappen, hier noch ein herzliches, aber sachliches, von Alter, Aussehen und Gender völlig unabhängiges Lob an Iris Berben, die Schauspielerin: In Susanne Schneiders Drama „Es kommt der Tag“ spielte Berben 2009 eine ehemalige Terroristin im Untergrund, die unerwartet Besuch bekommt. Ihre leibliche Tochter, die sie als Kleinkind zur Adoption freigegeben hatte, steht plötzlich auf der Matte des französischen Weinguts, auf das sich Berbens Charakter zurückgezogen hatte. Berben spielt den Mutter-Tochter-Konflikt mit ernster, aufrichtiger Dringlichkeit. Wir wünschen ihr zum Geburtstag, dass noch viele solcher Rollen anstehen. Und dass nie, nie, nie mehr jemand „Alt, aber oho!“ sagt, oder, noch schlimmer (aber auch lustig): „Wenn alte Scheunen brennen …“
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