50 Jahre Pinochet-Putsch in Chile: 10 Bücher zum Militärputsch
Um den Pinochet-Putsch am 11. September 1973 besser zu verstehen, hat die freie Korrespondentin in Chile eine Liste von Buchtipps zusammengestellt.
Günther Wessel: Salvador Allende (2023)
50 Jahre nach seinem Tod stellt uns der Autor den ehemaligen sozialistischen Präsidenten Salvador Allende vor, der am Tag des Militärputsches 1973 verstarb. Mit Rückgriff auf zahlreiche Interviews erzählt dieses Buch auch die Geschichte Chiles, vom politischen Aufbruch der 1960er Jahre, von der Zeit der Unidad Popular, dem Putsch bis zum Kampf für die Rückkehr zur Demokratie.
Antonia Skarmeta: Mit brennender Geduld (1984)
Dieser poetische Roman erzählt die Geschichte der Freundschaft des berühmten chilenischen Dichters Pablo Neruda zu seinem Briefträger Mario. Er wurde zwei Mal verfilmt, 1983 unter dem Originaltitel und 1994 mit dem Titel „Der Postmann“. Antonio Skármeta ist einer der bekanntesten Autoren Südamerikas. Er verließ Chile 1973 nach dem Militärputsch und verbrachte viele Jahre im Exil in Berlin. Heute lebt er in Santiago de Chile.
Hernán Valdés: Vom Ende an (1981)
Der Roman spielt in den 1970er Jahren, während der Regierung von Salvador Allende und später zur Zeit der Repression der Pinochet-Diktatur. Die Begegnungen und Missverständnisse der Figuren führen zu einer Reflexion über die chilenische Linke. Einer der Protagonisten ist ein romantischer und kritischer Intellektueller, der andere ein politisch engagierter Militant. Zwischen den beiden steht Eva, die aktuelle Geliebte des einen, die einst die Lebensgefährtin des anderen war.
Pedro Lemebel: Träume aus Plüsch (2001)
Eine Liebesgeschichte, die 1986 in Santiago spielt, im Jahr des Pinochet-Attentats. Proteste, brennende Reifen in den Straßen, Stromausfälle und die Musik der Zeit begleiten die Erzählung eines älteren Homosexuellen, der sich in einen revolutionären Studenten verliebt und so in das Attentat auf Pinochet hineingezogen wird. Zwei Welten treffen im Chile der 1980er Jahre aufeinander. Lemebel war ein chilenischer Performancekünstler und Schriftsteller, der mit seiner queeren Identität Widerstand gegen die Diktatur leistete. Er starb 2015. Sein Roman wurde 2020 verfilmt unter dem Namen „Lemebel“.
Isabel Allende: Geisterhaus (1982)
Der Debutroman einer der weltweit bekanntesten chilenischen Schriftstellerinnen ist ein Klassiker der lateinamerikanischen Literatur. Er erzählt die Geschichte einer Familie aus der Oberschicht zu Beginn des 20. Jahrhunderts, deren scheinbar wohlgeordnete Welt durch die politischen Umbrüche der Zeit zerbricht, bis in die Jahre der Militärdiktatur. Salvador Allende war ein entfernter Onkel der Autorin. Sie lebt in den USA.
Carlos Franz: Das verschwundene Meer (2005)
Zum 50. Jahrestag des Putsches wurde dieser chilenische Roman auf Deutsch übersetzt. Er erzählt die Geschichte von einer Richterin, die zwanzig Jahre nach ihrer Flucht aus Chile in ihre Heimat zurückkehr. In der Atacamawüste trifft sie auf einen ehemaligen Militär und Kommandanten eines Lagers für politische Gefangene. Die beiden haben eine gemeinsame Geschichte.
Roberto Bolaño: Chilenisches Nachtstück (2000)
In diesem Roman blickt der sterbende chilenische Literaturkritiker Sebastián Urrutia Lacroix in einem Monolog auf sein Leben zurück, wie er während der Regierung von Allende griechische Klassiker las und nach dem Putsch Pinochet und den Generälen Unterricht in Marxismus gab. Es ist die Geschichte eines Mannes, der von nichts etwas gewusst haben will, eine Metapher für die menschliche Zerbrechlichkeit und Grausamkeit. Der Autor erlebte 1973 den Aufbruch unter Allende und ging nach dem Putsch ins Exil. Er verstarb 2003.
Der Text ist am 8. September 2023 als Teil einer achtseitigen Chile-Beilage in der taz erschienen. 50 Jahre ist es her, dass in Chile ein von den USA unterstützter Militärputsch am 11. September 1973 der demokratisch gewählten Regierung des Sozialisten Salvador Allende ein jähes Ende setzte. Mehr als 3.000 Menschen kamen während der folgenden Diktatur (1973 – 1990) ums Leben, noch mehr wurden inhaftiert, gefoltert und ins Exil getrieben. Die taz Panter Stiftung nimmt das Jubiläum zum Anlass, um zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und unterstützt von der Stiftung Umverteilen an die damaligen Geschehnisse zu erinnern und zugleich zu fragen, wie die Ereignisse vor 50 Jahren die gesellschaftlichen Verhältnisse von heute beeinflussen. Einige Texte wurden auch auf Spanisch veröffentlicht.
Peter Kornbluh: The Pinochet File (2003)
Dieses Buch enthüllt die Einflussnahme der USA auf den Militärputsch in Chile und die Rolle der Geheimdienstoperationen, die zum Ziel hatten, die Regierung von Salvador Allende zu destabilisieren. Es wurde von der Nichtregierungsorganisation National Security Archive herausgegeben und basiert auf mehr als 24.000 freigegebenen Dokumenten der Central Intelligence Agency (CIA), der Defense Intelligence Agency (DIA), des Weißen Hauses und des Außenministeriums der USA über verdeckte US-amerikanische Aktivitäten in Chile. Die lange als geheim eingestuften Dokumente wurden während der Regierung von Bill Clinton zwischen Juni 1999 und Juni 2000 freigegeben.
Emma Sepúlveda: Nie wieder in Chile…
Die Autorin erzählt vom Leben und Leiden einer Familie unter der Militärdiktatur, stellvertretend für die Tragödien zahlreicher Chilen:innen. Pinochet wurde für seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit nie verurteilt. Emma Sepúlveda wurde in Argentinien geboren und wuchs in Chile auf. Bis zum Putsch 1973 lebte sie in Santiago de Chile. Dann wanderte sie in die USA aus. Sie arbeitete mit der chilenischen Frauenbewegung „Arpilleristas“ zusammen.
Naomi Klein: Die Schock-Strategie (2007)
Wer verstehen möchte, wie die Pinochet-Diktatur mit dem Neoliberalismus zusammenhängt, sollte dieses Buch lesen. Die kanadische Journalistin macht am Beispiel Chiles deutlich, wie der gesellschaftliche Schock der Diktatur dazu genutzt wurde, Privatisierungsmaßnahmen durchzusetzen und radikale Reformen durchzuführen, die auf die neoliberalen Theorien der Chicagoer Schule und Milton Friedman zurückzuführen sind. Das Buch inspirierte die chilenische Rapperin Ana Tijoux zu ihrem Lied „Shock“ und auch bei den Protesten 2019 und 2020 war immer wieder auf Protesttransparenten zu lesen: „Schluss mit der Schockdoktrin“.
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